Fast alle Herausforderer Van der Bellens – mit Ausnahme von Marco Pogo und Heinrich Staudinger – sind mehr oder weniger klar dem rechten politischen Spektrum zuzuordnen; es gibt also ein ziemliches Gedränge rechts der Mitte. Wie erklären Sie sich das?
Das liegt wohl daran, dass der Amtsinhaber links der Mitte kaum negative Emotionen aufgerührt hat, rechts der Mitte aber schon. Das heißt, Van der Bellen kann man eigentlich fast nur von rechts angreifen. Daher gibt es – und das ist für den FPÖ-Kandidaten Walter Rosenkranz sicher ein Nachteil – eine Reihe von Kandidaten, die ähnlich argumentieren und die sich gegen das sogenannte „System“ wenden; diesem System gehören die Freiheitlichen immer an, wenn sie in der Regierung sind, und sie gehören ihm nicht an, wenn sie nicht in der Regierung sind. Interessant ist auch, dass Van der Bellen, der als grüner Anti-System-Kandidat begonnen hat, nun als Vertreter des „Systems“ gilt.
Aber die Leute, die Van der Bellen nicht wollen, werden wohl zum „Schmied“ Rosenkranz gehen – und nicht zu einem der anderen „Schmiedl“, oder?
Im ersten Wahlgang ist die Konkurrenz im rechten Lager sicher kein Vorteil. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass es zu einem zweiten Wahlgang kommt, könnte Rosenkranz natürlich als Sammelkandidat fungieren.
Halten Sie einen zweiten Wahlgang also für denkbar?
Das große Problem für Van der Bellen ist, dass alle damit rechnen, dass der nächste Bundespräsident wieder Alexander Van der Bellen heißen wird: Das heißt, er muss genügend mobilisieren, dass er gleich im ersten Wahlgang die absolute Stimmenmehrheit bekommt. Das ist auch wahrscheinlich, aber eben nicht sicher. Und je mehr Splitterkandidaten auftauchen, desto mehr gleichsam sektiererische Stimmungen kann es geben, welche die absolute Mehrheit für Van der Bellen verhindern.
Wie schätzen Sie jene Bewerber ein, die reelle Chancen haben, es auf den Stimmzettel zu schaffen (Brunner, Grosz, Wallentin, Staudinger; Anm.) bzw. es schon geschafft haben (Pogo; Anm.)?
Hier ist Staudinger sicher jemand, der ein ökologisches Profil hat. Das heißt, er spricht wohl eher ein Segment an, welches prinzipiell Van der Bellen nahesteht. Strategisch verstehe ich die Kandidatur daher nicht ganz – außer, dass er Aufmerksamkeit als Unternehmer generieren kann. Bei Marco Pogo ist mir nicht ganz klar, wen er ansprechen kann: vermutlich die junge Generation, deren Eltern für Van der Bellen sind.
War Rosenkranz aus Sicht der FPÖ eine gute Wahl – oder hätte man eventuell mit einem Nicht-Partei-Kandidaten wie Tassilo Wallentin mehr Chancen gehabt?
Die Kandidatur von Rosenkranz zielt natürlich auch auf die ÖVP-Wählerschaft: Kurz-Wähler, die enttäuscht sind von dessen Abgang, die eventuell auch zu Verschwörungstheorien neigen, wonach die Grünen bzw. Van der Bellen Kurz abgesägt hätten etc. Da gibt es ein Potenzial für Rosenkranz: ein konservatives Bildungsbürgertum, welches mit den Entwicklungen in der ÖVP nicht einverstanden ist.
Das heißt, er könnte deutlich über den derzeitigen Umfragewerten der FPÖ von 20 Prozent plus liegen …
Das halte ich für möglich und das muss auch sein Ziel sein. Er hat hier das Vorbild von Wilfried Gredler, der 1980 in einer zum Teil ähnlichen Situation war: Ein quasi überparteilicher amtierender Bundespräsident, Rudolf Kirchschläger, unterstützt von SPÖ und ÖVP, wird vom FPÖ-Kandidaten Gredler, nach dem Krieg ein ÖVP-Mann, herausgefordert – und dieser erreicht immerhin 17 Prozent, zu einer Zeit, als die FPÖ eine Fünf-Prozent-Partei war.
Es gibt auch Überlegungen, einem amtierenden Bundespräsidenten einen „Wiederwahlkampf“ zu ersparen und stattdessen beispielsweise mit Zweidrittelmehrheit der Bundesversammlung eine zweite Amtszeit zu ermöglichen. Halten Sie das für überlegenswert?
Ja. Das wäre Thema für ein verfassungspolitisches Seminar, das aber erst nach der Wahl stattfinden sollte – nicht jetzt.
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