Entscheidet Volk nun über Volksgesetzgebung?

Nobert Hofer hält FPÖ-Modell für eine Gesamtänderung der Verfassung
ÖVP und FPÖ über plebiszitäres Modell grundsätzlich einig, sagt ein Sprecher.

Die Koalitionsverhandler ÖVP und FPÖ sind sich über die Einführung eines plebiszitären Modells in Österreich grundsätzlich einig. Offen sei nur noch, ab welcher Anzahl von Unterschriften unter ein Volksbegehren eine verpflichtende, bindende Volksabstimmung durchgeführt wird: So lautete am Mittwoch die Auskunft eines Sprechers der ÖVP-Seite über den aktuellen Verhandlungsstand zum Kapitel "direkte Demokratie".

Die FPÖ fordert: Wenn vier Prozent der Wahlberechtigten ein Volksbegehren unterschreiben, und das Parlament setzt das Begehren nicht um, sei darüber eine verbindliche Volksabstimmung abzuhalten.

Die ÖVP will die verpflichtende Volksabstimmung erst ab einer Unterschriftenzahl von zehn Prozent der Wahlberechtigten. "Vier, zehn oder irgendeine Zahl dazwischen", das sei der Stand der Verhandlungen, so der Sprecher am Mittwoch.

Die Einführung eines plebiszitären Modells war eine Koalitionsbedingung der FPÖ. Das hat sie schon im Wahlkampf gesagt. In der ÖVP zählt Sebastian Kurz zu den Befürwortern des plebiszitären Modells, die ÖVP war an sich stets eine Befürworterin der repräsentativen Demokratie und des parlamentarischen Systems.

Gesamtänderung der Verfassung

Tatsächlich wäre die Einführung von Volksgesetzgebung ohne Zutun des Parlaments eine tief greifende Änderung des österreichischen Systems. In solchen Fällen – wenn nämlich eine Gesamtänderung der Verfassung herbei geführt werden soll – sieht die geltende Verfassung eine Volksabstimmung vor. So war beispielsweise der Beitritt zur EU eine solche Gesamtänderung der Verfassung, weswegen die Österreicher 1994 über den Beitritt abstimmten.

Der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer hält das plebiszitäre Modell der FPÖ für eine solche Gesamtänderung der Verfassung. "Man wird darüber abstimmen müssen, aber wir möchten das ja auch. Es wäre der richtige Einstieg in ein direktdemokratisches Modell, wenn die Bevölkerung darüber abstimmt, dass es eingeführt wird", sagte Hofer vor wenigen Wochen im Gespräch mit dem KURIER.

Gestern, Mittwoch, war von Hofer bzw. der FPÖ-Seite keine Information darüber zu erhalten, inwiefern eine Volksabstimmung nun für den Koalitionspakt vorgesehen ist.

Klar ist, dass auch namhafte Experten die Einführung eines plebiszitären Modells für volksabstimmungspflichtig halten. Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk hält es für eine "sehr berechtigte Frage, ob es sich bei diesem Vorhaben nicht um eine Gesamtänderung der Verfassung handelt. Wenn durch eine Volksabstimmung ohne Mitwirkung des Parlaments Gesetze in Kraft gesetzt werden, ist das ein sehr tiefer Eingriff in das parlamentarische System."

Um diesen Eingriff vorzunehmen, müssten ÖVP und FPÖ Hürden überwinden.

Neos oder SPÖ nötig

ÖVP und FPÖ müssen ein Verfassungsgesetz zustande bringen. Dazu brauchen sie entweder die SPÖ oder Neos. Die SPÖ ist für das parlamentarische System, Neos sind zwar für direkte Demokratie, stellen aber Bedingungen.

Als nächsten Schritt müsste dieses Verfassungsgesetz, falls es sich bei dem Modell tatsächlich um eine Gesamtänderung der Verfassung handelt, dem Wahlvolk zur Abstimmung vorgelegt werden. Bei der Volksabstimmung entscheidet die Mehrheit der abgegebenen, gültigen Stimmen.

Kommentare