Entlastung: Die Fronten verhärten sich

Spindelegger, Faymann
Spindelegger will nicht vom Zeitplan abgehen, Faymann kontert beharrlich.

Ein neuer Tag, der gleiche Streit: Kurz vor dem Ministerrat am heutigen Dienstag gingen die Parteichefs erneut auf Konfrontationskurs. Finanzminister Michael Spindelegger sieht weiterhin keine Möglichkeit für Inkrafttreten einer Steuerreform vor 2016. Im erst vor kurzem beschlossenen Budget sei kein Spielraum für derartige Maßnahmen vorgesehen. "Das wird durchaus eine haarige Diskussion, bei der alle gefordert sind", blickt Spindelegger den Verhandlungen mit dem Koalitionspartner zu einer Steuerreform entgegen. Dennoch kann er sich im Gegensatz zur SPÖ nicht vorstellen, dass diese bereits im kommenden Jahr in Kraft treten könne.

Genau das will Kanzler Werner Faymann nicht stehenlassen. "Was haben die Leute von Bekenntnissen, wenn sie nicht realisiert werden", fragte sich Faymann nach der Regierungssitzung. Fest stehe jedenfalls, dass eine Steuerreform im nächsten Jahr verwirklicht werden soll.

Auffassungsunterschiede zwischen SPÖ und ÖVP gibt es weiterhin auch, was die konkreten Maßnahmen innerhalb der Reform betrifft. So drängt die SPÖ nach wie vor auf vermögensbezogene Maßnahmen. Spindelegger hingegen wandte ein, dass in kaum einem Land derartig viel umverteilt werde wie in Österreich. "Daher ist eine Diskussion auch hier möglichst sachlich, möglichst kompromissausgerichtet, aber ohne die Unterschiede zu verschweigen, zu führen", betonte der Bundeskanzler.

Für Faymann sind nun vier Punkte bei einer Reform zu beachten: Die Frage der finanziellen Spielräume, die tatsächliche Auswirkung auf die Kaufkraft, anzugehende Strukturreformen, um eine solche Reform zu finanzieren, sowie die Gegenfinanzierung im vermögensbezogenen Bereich. "Wir belasten Arbeit extrem hoch und Vermögen extrem niedrig", untermauerte der Kanzler seinen Standpunkt in der Diskussion.

Kommission

Noch am Dienstag stand die Konstituierung der eingesetzten Steuerungsgruppe zur Steuerreform auf dem Zeitplan. "Sie kann mit der Arbeit beginnen", kommentierte dies Spindelegger. Bis Oktober dieses Jahres soll es erste Ergebnisse geben, bis Dezember die politische Diskussion stattfinden. Nachdem die legistische Arbeit bis März 2015 abgeschlossen sein soll, stehe einem Beschluss im Nationalrat im Juli desselben Jahres nichts im Weg, betonte Spindelegger.

Zumindest in Teilen der SPÖ versuchte man indes, den Streit nicht weiter aufkochen zu lassen. Verteidigungsminister Gerald Klug sprach etwa von einer "guten Zusammenarbeit". Gesundheitsminister Alois Stöger lobte sogar, dass es eine Diskussion gebe. "Hie und da gehört ein bisschen Gewitter dazu", fand Sozialminister Rudolf Hundstorfer. Auch Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek betonte, dass es nicht immer harmonisch zugehen müsse. Auch SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder wollte nicht "seinen Senf" dazugeben. Es sei wichtig, dass gearbeitet werde. Gewisse Aussagen von Seiten der ÖVP würden ohnehin für sich selbst sprechen.

Die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP sind sich in Sachen Steuerreform nicht nur bei Inhaltlichem uneinig, sondern auch was den Zeitplan betrifft - sogar ihr eigener Entschließungsantrag ist mittlerweile durch jüngste Wortmeldungen überholt. Mit unterschiedlichen Meinungen innerhalb der Partei hat vor allem ÖVP-Chef Michael Spindelegger zu kämpfen. Ein Überblick:

Zeitplan Erst im jüngsten Plenum am 23. Mai hat die Koalition einen Entschließungsantrag beschlossen, wonach bis Ende diesen Jahres ein Bericht der Steuer-Reformkommission vorliegen soll, bis Ende 2015 dann ein Gesetzesentwurf. SPÖ-Chef Bundeskanzler Werner Faymann sagte zuletzt aber, er wolle schon im Lauf des Jahres 2015 eine Umsetzung der Steuerreform, allenfalls sogar rückwirkend. Finanzminister Spindelegger wiederum kann sich den Beschluss bereits im Juli nächsten Jahres vorstellen, wie er am Montag meinte. In Kraft treten könne die Reform "frühestens im Jänner 2016", sollte sie bis dahin nicht finanzierbar sein, dann wäre auch ein späterer Termin denkbar. Ausgeschlossen wurde vom ÖVP-Chef aber ein rückwirkendes Inkrafttreten. Eine exakte Größe der geplanten Steuerreform nannte der Finanzminister nicht, ein Modell hat die ÖVP noch nicht vorgelegt.

Zielgruppen Der Kreis jener, die die Volkspartei entlasten will, ist laut einem Vorstandsbeschluss von Ende Mai freilich ein weiter: Mittelstand, Arbeitnehmer, Familien, Landwirte und Unternehmen. Voraussetzung für die Steuerreform sind für Spindelegger Strukturreformen, konkret nannte er die Bereiche Verwaltung, Frühpensionen, ÖBB-Infrastruktur und Förderungen. Neue Steuern wie eine Millionärsabgabe lehnt er ab.

Das sehen nicht alle in seiner Partei so: Der steirische Nationalratsabgeordnete und ehemalige ÖAAB-Generalsekretär Werner Amon ärgerte sich medial, dass Spindelegger eine Entlastung blockiere und plädierte für eine Reichensteuer. Mehrere steirische ÖVP-Abgeordnete stellten sich an seine Seite. So lehnt Ex-Justizministerin Beatrix Karl zwar Vermögenssteuern ab, drängte aber auf eine rasche Steuerentlastung und warnte davor, die Verwaltungsreform als "Verzögerungstaktik" zu benützen. Fritz Grillitsch kann sich hingegen - ebenso wie Bernd Schönegger - eine Millionärsabgabe "für die Haselsteiners und Flicks" vorstellen.

Stilfragen Weitere kritische Töne aus der Steiermark kamen von Wirtschaftslandesrat Christian Buchmann: "Es muss endlich gehandelt werden - und zwar ohne Rücksicht auf bisherige Klientelpolitik. Gewiss, das ist ziemlich unlustig und kann die Regierung sogar aushebeln. Aber wenn sie so wie bisher weiterwurstelt, ist sie sowieso erledigt!", meinte er in einem Gastkommentar in der "Presse" (Dienstag-Ausgabe). Noch in diesem Sommer solle ein genauer Zeit-und Maßnahmenplan am Tisch liegen.

Querschüsse Ziemlich aufmüpfig geht es auch im Westen zu. Die von der ÖVP gestellten AK-Präsidenten in Tirol und Vorarlberg verlangten eine Volksbefragung zur sofortigen Senkung der Lohnsteuer und starteten dazu nun auch eine Unterschriftenaktion. Der Tiroler AAB-Politiker Erwin Zangerl drängte außerdem auf die Einführung einer "moderaten Vermögenssteuer" zur Gegenfinanzierung der Steuerreform und legte seiner Partei indirekt nahe, sich von ihrem Obmann Spindelegger zu trennen.

Vermögenssteuern kann sich auch FCG-Chef Norbert Schnedl vorstellen. Und auch er drängt auf eine raschere Entlastung: "Uns wäre am liebsten, dass man Schritte mit Beginn 2015 setzt."

Klientel Bei der SPÖ rennen die schwarzen Sympathisanten einer Vermögensabgabe natürlich offene Türen ein, soll die vier Mrd. schwere Steuerreform nach SPÖ-Modell doch finanziert werden durch eine "Millionärsabgabe", die Wiedereinführung der Erbschafts- und Schenkungssteuer, die Streichung von Ausnahmeregelungen, eine Registrierkassenpflicht sowie höhere Konsumausgaben der entlasteten Lohnsteuerzahler. Nach den Vorstellungen der SPÖ soll damit der Eingangssteuersatz von 36,5 auf 25 Prozent gesenkt werden. Statt derzeit drei soll es künftig fünf Steuerklassen geben. Bundeskanzler Faymann wünscht sich ein Konzept der Regierung bis Ende 2014 und die Umsetzung dann im Lauf des Jahres 2015 - allenfalls etappenweise. Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser und sein burgenländischer Kollege Hans Niessl stellten sogar ein Ende der Koalition als Möglichkeit in den Raum, wenn bis 2015 keine Steuerreform kommt. "Wenn überhaupt nichts mehr geht, dann muss man halt sagen: Das war's. Aber so weit sind wir noch nicht", ließ Wiens Bürgermeister Michael Häupl wissen. Er fände es aber "okay", wenn die Steuerreform wie von Spindelegger angedacht tatsächlich im Juli 2015 beschlossen und mit Beginn 2016 in Kraft treten würde, sagte der Bürgermeister gestern. Im Ö1-Morgenjournal sprach er heute dann aber wieder von 2015. Ein Inkrafttreten schon mit 1. Jänner 2015 wünscht sich auch der steirische Landeschef Franz Voves, der im nächsten Jahr ebenso wie Häupl und Niessl Wahlen zu schlagen hat.

Drohungen Auf Tempo drängen zudem Arbeiterkammer und Gewerkschaft, sie wollen bis September ein gemeinsames Konzept erstellen. ÖGB-Chef Erich Foglar erwartet den Beschluss einer Entlastung 2015, Arbeiterkammerchef Rudolf Kaske drängte auf eine Reform 2015. Spitzengewerkschafter Wolfgang Katzian (GPA-djp) drohte mit nicht näher benannten Kampfmaßnahmen, sollten bis Jahresende keine Pläne der Regierung auf dem Tisch liegen.

Der Finanzsprecher der SPÖ, Jan Krainer, stellt im KURIER eine Variante für eine Steuersenkung vor, wie sie von der SPÖ und Bundeskanzler Werner Faymann forciert wird. Demnach würde der Eingangssteuersatz von derzeit 36,5 auf 25 Prozent sinken. Greifen würde der Eingangssteuersatz wie bisher ab einem Jahres-Brutto-Einkommen von 11.000 €.

Die Steuerprogression würde nach dem SPÖ-Modell in mehreren Stufen sanfter ansteigen als derzeit. Derzeit werden ab einem Jahres-Brutto von 25.000 € bereits 43,2 % Steuern eingehoben.

In dem SPÖ-Modell würde man für sein Einkommen– bis 11.000 € null Steuer– ab 11.000 € 25 % Steuer– ab 19.000 € 35 % Steuer– ab 28.000 € 40 % Steuer– ab 37.000 € 45 % Steuer– ab 60.000 € 50 % Steuer bezahlen. Der Höchststeuersatz bliebe somit gleich.

Laut der durchgerechneten Tabelle (siehe Grafik) würden sich die Lohnsteuerpflichtigen bis zu 1540 € im Jahr Steuern ersparen bzw. mehr an Geld zur Verfügung haben. Insgesamt würden laut Jan Krainer vier Millionen Steuerpflichtige von der Entlastung profitieren:

– 1,6 Millionen im Segment zwischen 11.000 € und 19.000 € Monatsbrutto

– 1,3 Millionen Personen zwischen 19.000 € und 28.000 € Monatsbrutto

– 550.000 Personen zwischen 28.000 € und 37.000 €

– 400.000 Menschen zwischen 37.000 € und 60.000 €

– 160.000 Personen über 60.000 € brutto im Jahr.

Entlastung: Die Fronten verhärten sich

Die Debatte um den richtigen Zeitpunkt einer Steuerreform will nicht enden: Zwar ist die VP dem Vorschlag der SP, schon 2015 eine Entlastung vorzunehmen, nach dem Austausch wenig freundlicher Worte ein wenig nähergerückt (siehe unten) – geeinigt hat man sich aber noch lange nicht.

Nun hat sich auch der Wiener Bürgermeister in die Diskussion eingemischt. Er straft vor allem den Ton der Debatte ab: "Die Wortwahl des Vizekanzlers war überzogen", sagt Häupl im Ö1-Interview in Anspielung auf die Aussage Spindeleggers, das Agieren des Kanzlers in Sachen Steuern sei "unehrlich und unverantwortlich".

"Wenn nix mehr geht, muss man sich trennen"

Doch damit nicht genug – Häupl stellt wegen des noch nicht akkordierten Zeitpunkts auch die Koalition infrage: Er hält eine Entlastung der mittleren und kleinen Einkommen nämlich bereits im nächsten Jahr für unerlässlich. „Spüren muss man die Entlastung 2015“. Die VP kann sich dies aber nach wie vorerst 2016 vorstellen.

Der Zeitpunkt, ein Knackpunkt dieser Koalitionsregierung: „Wenn nix mehr geht, muss man sich trennen“, sagt Häupl. Noch sei man aber noch nicht soweit, meint der Wiener Bürgermeister. Die Debatte sei jedenfalls eine "ernste Geschichte".

Voves mahnt Konsens ein

Mahenende Worte kommen auch aus dem Süden: Die Bundesparteien sollten „mit dem Hick-Hack endlich aufhören und auf die Stimme der Wähler hören“, sagt der steirische Landeshauptmann Franz Voves. Er richtete in der ZiB 2 einen eindringlichen Appell an die Koalitionspartner, sich zusammenzusetzen und eine Steuerreform auszuverhandeln. "Wenn jetzt nichts kommt, haben beide 2018 (bei der nächsten Nationalratswahl) ganz große Probleme", meinte er in Richtung SPÖ und ÖVP. Was den Zeitpunkt angeht, plädiert er aber – ganz auf SP-Linien für den 1. Jänner 2015.

"Grund-grausliche Stimmung"

Die Österreicher hätten "eindeutig genug" vom Streit, es herrsche eine "grund-grausliche Stimmung" mit einem "Drall stark nach rechts", konstatierte Voves - der im nächsten Jahr in der Steiermark Landtagswahlen zu schlagen hat.

Den Drohungen anderer SPÖ-Landeshauptleute mit dem Nachdenken über ein Koalitionsende wollte sich Voves nicht anschließen: Es sei "für Vernunft und Zusammenarbeit in der Politik", sagte er dazu - und eine Steuerreform lasse sich vereinbaren und finanzieren, "wenn man es nur will".

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