Staatssekretärin Zehetner: "Die Trinkgeld-Pauschalierung soll bleiben"

KURIER: Sie waren Ihr halbes Leben in der Wirtschaftskammer. Was war das Kriterium für Ihr „Ja“ zum Staatssekretariatsposten?
Elisabeth Zehetner: Alle Themen, die in meinen Aufgabenbereich fallen, begleiten mich bereits mein Leben lang. Entscheidend war für mich persönlich, ob ich Beruf und Familie vereinbaren kann. Ich habe schon gesagt, dass ich mir die Zeit nehmen werde, mit meiner Tochter für Schularbeiten zu lernen. Das muss 2025 im Leben einer Politikerin auch möglich sein.
Sie sind für Start-ups, Energie und Tourismus zuständig. Auf den ersten Blick gibt es keine verbindende Klammer für Ihr Portefeuille.
Das sehe ich nicht so. Ich beschäftige mich seit Jahrzehnten mit Start-ups. Sie sind die Innovationsbringer der Wirtschaft. Und: Energie ist die Lebensader von Wirtschaft und Gesellschaft.
Werdegang
Elisabeth Zehetner (Jg. 1977) studiert Französisch, Politik, Italianistik und Arabistik, ist von 2001 bis 2004
Lektorin an der FH Wien der WKW.
Politik
In der Wirtschaftskammer ist die Oberösterreicherin von 2003 bis 2022 u.a. als Bundesgeschäftsführerin der Jungen Wirtschaft tätig, hernach Geschäftsführerin von Oecolution. Als Staatssekretärin ist Zehetner für Start-ups, Tourismus und Energie zuständig.
Sind Start-ups in der längsten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg vernachlässigbarer als Ihre Energie-Agenda?
Nichts ist vernachlässigbar! Start-ups brauchen das Geld ja nicht vom Staat, sondern sie brauchen Risikokapital und bessere Rahmenbedingungen. Es geht – auch im europäischen Kontext – darum, dass privates Kapital in diesen Bereich fließt, um international und vor allem gegenüber den USA wettbewerbsfähig zu sein.

Staatssekretäre: Elisabeth Zehetner, Barbara Eibinger-Miedl, Jörg Leichtfried, Ulrike Königsberger-Ludwig
Österreich ist bekannt dafür, eine extrem hohe Sparquote zu haben und bei Veranlagungen extrem risikoavers zu sein.
Ja, das ist unser Hauptproblem. Das Geld ist in letzter Zeit nicht in den Konsum geflossen, sondern aufs Sparbuch. Die Sparquote ist von 8 auf 12 Prozent gestiegen. Wir müssen in Österreich eine Risikokapital-Kultur entwickeln. Die Pre-Seed und Seed-Phase sind kein Problem, wie uns Gründer sagen. Das Problem ist die Phase danach, in der es um Investitionen im 100 oder 200-Millionen-Euro-Bereich geht. Mario Draghis EU-Wettbewerbsbericht weist schon darauf hin, dass wir eine Kapital-Union brauchen, um konkurrenzfähig zu sein.

Elisabeth Zehetner im KURIER-Interview mit Berhnard Gaul und Johanna Hager
Kommen wir zum Tourismus. Trinkgelder, die 25 Prozent des Bruttolohnes übersteigen, sollen besteuert werden müssen. Gastronomie und Hotellerie klagen bereits jetzt über zu wenig Personal und zu hohe Personalkosten. Ist der Plan der Regierung kontraproduktiv?
Seit einem halben Jahr sind Rückforderungen nach Prüfungen ein Thema und meine Vorgänger dürften den Braten bereits gerochen haben. Was wir bereits wissen: Die Pauschalierungen wurden seit mehreren Jahren nicht adaptiert. Wir sind derzeit mit allen Stakeholdern, insbesondere den zuständigen Ressorts, im Gespräch und hoffen auf eine tragfähige Lösung.
Sind Sie für eine Versteuerung des Trinkgelds?
Da gibt es mehrere Optionen - von steuerfrei bis hin zur Anpassung der Pauschalierung an die aktuellen Bedarfe. Eine Lösung soll die Bedürfnisse von Betrieben und Mitarbeitern berücksichtigen.
Die Personalkosten in Österreich sind um rund 10 Prozent höher als anderswo. Flexiblere Arbeitszeiten könnten helfen, sagen Betriebe. Dass beispielsweise nicht die zehnte Stunde automatisch eine Überstunde ist.
Im Regierungsprogramm haben wir einen Masterplan für Tourismus verankert – mit dem Ziel, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Dazu gehören fair abgegoltene und steuerlich begünstigte Überstunden ebenso wie flexiblere Arbeitszeiten und bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Wann wird der Masterplan umgesetzt werden?
Wir sind seit vier Wochen im Amt, die Regierung hat einen Plan für fünf Jahre vorgelegt, den wir sukzessive abarbeiten werden. Im Tourismus geht es ja nicht nur um Arbeitnehmer und Arbeitgeber, sondern auch darum – Stichwort Balanced Tourism – die Bevölkerung im Umkreis von Tourismusattraktionen miteinzubeziehen.
Die Umwelt- und Energieagenden wurden in der Dreierkoalition aufgeteilt auf Sie und Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig. Zuvor waren sie gebündelt im Klimaministerium …
... Klimaziele sind eine Querschnittsmaterie. Für die Klimaziele ist weder ein Minister allein verantwortlich, noch ein Ressort, denn jeder muss und wird seinen Beitrag leisten und jeder ist für Klimaschutz verantwortlich. Es wird die Industrie gefragt sein wie die KMUs, die Länder wie die Gemeinden. Und auch im Bildungssystem wird man sich die Frage stellen, wie lernt man den Kindern nachhaltiges Leben.
Seit PV-Anlagen und Co nicht mehr gefördert werden, baut kaum jemand mehr umweltschonend um. Können Sie dem Trend ohne Förderungen entgegenwirken?
Das ist ja unser Dilemma. Wir evaluieren alle Fördermaßnahmen im Hinblick auf zwei Kriterien. Welchen Impact hat die Förderung auf CO2-Einsparung und welche Investitionsimpulse löst die Förderung aus.
Bis wann wollen Sie damit fertig sein?
Wir können erst am 1. April starten, weil ich offiziell die Agenden noch gar nicht inne habe.
Aber Sie können sagen, was Sie für machbar halten.
Wir bekennen uns zur Klimaneutralität bis 2040. Es ist jetzt unsere Aufgabe, alle Hebel in Bewegung zu setzen, dass wir die Energiewende schaffen und aus den Fossilen herauskommen.
Noch im Februar haben Sie das Erreichen der Klimaziele infrage gestellt.
Das war in einer anderen Funktion. Die Regierung hat sich zu den Zielen bekannt. Es wird kein Spaziergang werden, aber wir werden alles daransetzen.
Im Sommer wollen Sie das Erneuerbare-Ausbaubeschleunigungsgesetz, das Elektrizitätswirtschaftsgesetz und das Erneuerbaren Gasegesetz beschlossen haben?
Der straffe Zeitplan ist ebenfalls im Regierungsprogramm enthalten. In dem Fall ist der Zeitdruck vielleicht sogar hilfreich, weil wir die Gesetze den aktuellen Gegebenheiten anpassen müssen.
Eine der zentralsten Frage: Wie schaffen wir es in Europa und Österreich, dass die Energiepreise sinken?
Das wird nicht von heute auf morgen gehen. Das Schönste wäre natürlich, wir hätten den budgetären Spielraum und könnten die Gebühren auf Null setzen. Doch das ist nicht möglich. Beim EU-Rat diskutierten wir zuletzt, welche gemeinsamen Hebel wir in der EU nutzen können. Es geht um die Interkonnektivität, das heißt, dass wir die Stromnetze miteinander besser verbinden. Wir haben teilweise zu viel Strom in der Nordsee dank des Windes, der nicht zu uns kommen kann, weil es nicht ausreichend Leitungen gibt. Die Wahrheit, die wir alle nicht hören wollen: Wir werden weiter Erdgas brauchen und das ist derzeit fünf Mal so teuer wie in den USA. In der EU brauchen wir eine gemeinsame Einkaufspolitik, um bessere Konditionen zu bekommen.
Gibt es eine Alternative zu Merit-Order?
Es geht darum, wie man innerhalb der Merit Order die Funktion von Gas anders bewerten kann - vor allem in Krisensituationen. Die Lösung dafür kann ich noch nicht präsentieren, weil wir den Affordable Energy Action Plan erst seit zwei Wochen haben.
Halten Sie am Ausbau der Erneuerbaren Energien fest?
Wir wollen raus aus den Fossilen und wollen keinen Atomstrom aus Nachbarländern. Wenn das unsere gemeinsame Linie ist, dann bleibt am Ende des Tages nur der rasche Ausbau der Erneuerbaren.
Würden Sie einem Freund die Anschaffung eines E-Autos oder eines Benziners raten?
Das kommt darauf an, wofür er das Auto braucht. Wenn er jeden Tag zwei Stunden pendeln muss, dann würde ich ihm wahrscheinlich kein E-Auto empfehlen.
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