Schächt-Erlass: Streit zwischen SPÖ und FPÖ um Urheberschaft

Gottfried Waldhäusl sagt: "Der Waldhäusl vollzieht es"
Ein Infoblatt, wie mit koscherer Schlachtung umzugehen sei, stammt von Ex-SPÖ-NÖ-Landesrat. Er sagt: Konsumenten waren nicht gemeint.

In Niederösterreich gibt es wieder einmal Aufregung über Aussagen von FPÖ-Landesrat Gottfried . Erst im Juni hatte er etwa gemeint: "Hunde mit Migrationshintergrund nehmen unseren Tieren leider oftmals den Platz in den örtlichen Tierheimen weg."

Das Ressort für Integration und Tierschutz, das Waldhäusl untersteht, verfolgt nun den Plan, das Schächten einzudämmen. "Wir prüfen, ob der Bedarf des Fleisches an den Wohnsitz gekoppelt werden kann“, denn es sei „nicht einzusehen, warum Wiener nach Niederösterreich fahren und hier tausende Tiere schächten lassen“, sagte Waldhäusl in einer Stellungnahme zur Wiener Zeitung, die das Thema aufgebracht hat.

Insbesondere die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) und deren Präsident Oskar Deutsch sind alarmiert. Deutsch befürchtet nicht nur Einschränkungen des Verzehrs von koscheren Fleischs in Niederösterreich. Wegen der möglichen Kopplung an den Wohnsitz fürchtet er, dass künftig nur mehr Juden und Jüdinnen koscheres Fleisch kaufen dürften, die zuvor namentlich erfasst wurden und die nachweisen könnten, dass sie immer koscher essen. Deutsch nennt das Ansinnen wörtlich einen „negativen Arier-Paragraph“. Auch würde eine solche Regelung gegen den Datenschutz verstoßen, so der IKG-Präsident, der sich auf ein ihm vorliegendes Informationsschreiben der Landesregierung bezog.

Informationsschreiben stammte noch von SPÖ-Landesrat

Waldhäusl betonte am Donnerstag, dass er umsetze, was unter seinem SPÖ-Vorgänger Maurice Androsch begonnen wurde. Das Informationsschreiben unter "Betrifft: § 32 Tierschutzgesetz; Schlachten ohne Betäubung vor dem Blutentzug (Rituelle Schlachtung)" erging am 20. September 2017 an alle Bezirkshauptmannschaften und die Magistrate der Statutarstädte. Schächten ist laut Tierschutzgesetz nur unter bestimmten Auflagen erlaubt. Androsch hatte im September 2017 in einem Informationsschreiben über Rituelle Schlachtungen - damit ist Schlachten ohne Betäubung vor dem Blutentzug gemeint - festgehalten, dass die Prüfung zwingender religiöser Gründe immer auf den Einzelfall und eine konkrete Person bezogen erfolgen müsse. In dem auch dem KURIER vorliegenden Schreiben heißt es u.a. wörtlich: "Die 'zwingenden religiösen Gründe' haben daher immer eine maßgebliche persönliche Komponente, die bloße Religionszugehörigkeit genügt nicht den Bewilligungsvoraussetzungen."

Und weiter: "Als Bewilligungswerber kommen ausschließlich: Einzelpersonen, welche für sich das Vorliegen zwingender religiöser Ge- und Verbote geltend machen in Betracht." Die Zugehörigkeit zu einer anerkannten Religionsgemeinschaft könnte in der Praxis folgendermaßen dargelegt werden: "Auszüge aus einem Mitgliederverzeichnis, Vorlage eines Meldezettels, auf welchem das Religionsbekenntnis enthalten ist, diverse Dokumente, aus denen die Religionszugehörigkeit zweifelsfrei hervorgeht, etc.", wird aufgelistet.

"Zu beachten ist allerdings, dass teilweise nur wenig außenwirksame/förmliche Akte erforderlich sind, um einer Glaubensgemeinschaft beizutreten. Eine bloße Berufung auf die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft wird jedenfalls nicht ausreichend sein", heißt es außerdem.

Waldhäusl-Schreiben

Am 5. Juli 2018 - zu diesem Zeitpunkt war Waldhäusl zuständiger Landesrat - verfasste die Naturschutzabteilung des Landes Niederösterreich ein Schreiben an die Israelitische Kultusgemeinde (IKG). Die Behörde wies darauf hin, dass religiöse Gründe bei Schächtungen nur für konkrete Personen gelten gemacht werden könnten. Als möglichen Nachweis der Zugehörigkeit zu anerkannten Religionsgemeinschaften führte die Naturschutzabteilung Auszüge aus Mitgliederverzeichnissen, offizielle Dokumente oder ähnliche Unterlagen an.

Bei der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) interpretierte man dieses Schreiben so, dass Schlachthöfe und koschere Verkaufsstellen künftig Listen ihrer Kunden führen müssen. Nach ersten Medienberichten folgte ein Sturm der Entrüstung, auch israelische Medien berichteten kritisch über die Pläne in Niederösterreich.

Androsch: Nur Schlachter selbst gemeint

Nun ist zwischen FPÖ und SPÖ ein Streit darüber entbrannt, wer Urheber des Vorhabens ist. Androsch erklärte am Donnerstag in einer Aussendung, dass sein Schreiben überhaupt nichts mit dem aktuellen Plan seines FPÖ-Nachfolgers zu tun habe. Die Information habe sich ausschließlich auf Personen bezogen, die Schlachtungen durchführen. "Waldhäusl will Listen von jenen Menschen anlegen, die geschächtetes Fleisch kaufen. Meine Information an die Behörden legt ausschließlich die Regeln fest, welche Voraussetzungen Personen erfüllen müssen, die selbst Schlachtungen durchführen, und wie das Bewilligungsverfahren der zuständigen Behörde abläuft", berichtete Androsch.

Schächt-Erlass: Streit zwischen SPÖ und FPÖ um Urheberschaft

Ex-SPÖ-Landesrat Maurice Androsch war bis Ende September 2017 für Tierschutz zuständig

 

Waldhäusl: "Der Waldhäusl vollzieht es"

FPÖ-Landesrat Waldhäusl sah dies indes anders. "Jeder der jetzt schreit, sollte vorher nachdenken. Wer hat das gemacht? Nicht der Waldhäusl, nicht die FPÖ, sondern ein roter Landesrat, der Waldhäusl vollzieht es", erklärte der freiheitliche Landesrat im Ö1-"Mittagsjournal".Waldhäusl betonte, dass die beiden Glaubensgemeinschaften - neben der Israelitschen Kultusgemeinde ist auch die Islamische Glaubensgemeinschaft von den Plänen betroffen - mit der gewählten Vorgangsweise bereits gut gelebt hätten. Diese sei auch vom Verwaltungsgerichtshof bestätigt worden. "Ich mache meine Arbeit, und die anderen sollten vielleicht ein bissel mehr lesen und nachdenken."

Ausnahmen aus religiösen Gründen seien bei Schächtungen in Ordnung, man dürfe aber den Tierschutz nicht außer Acht lassen, so Waldhäusl. Daher prüfe man, ob der Bedarf an koscherem Fleisch an den Wohnsitz gekoppelt werden kann. "Da muss man schon darüber nachdenken, und so viel Recht nehme ich mir als Landesrat heraus, diese Komponente des Tierschutzes zu kontrollieren."

Deutsch reagiert empört

IKG-Präsident Oskar Deutsch wies das Vorhaben im ORF-Radio vehement zurück. Er fühle sich an eine Zeit erinnert, von der er geglaubt habe, dass sie nie mehr kommen werde, spielte Deutsch offenbar auf die Judenregistrierungen unter den Nationalsozialisten an. Deutsch geht davon aus, dass es zu keiner Registrierung von Käufern koscheren Fleisches kommen wird. "Das wird so in diesem Lande nicht stattfinden. Wenn es die FPÖ will, dann sollen sie es wollen, aber so wird es hier nicht gespielt. Wir lassen uns auch unser Österreich, und wir leben alle sehr gerne in Österreich, wir lassen uns das nicht durch einige Leute madig machen", erklärte Deutsch.  
 

Kern an "dunkelste Kapitel unserer Geschichte" erinnert

Pikant ist diese Wendung insofern, da SPÖ-Bundesvorsitzender Christian Kern in einer Aussendung den sofortigen Rücktritt Waldhäusls. "Diese Registrierung erinnert an die dunkelsten Kapitel unserer Geschichte", meinte Kern.

"Viel schwerer" wiegt für Kern aber "das dröhnende Schweigen" von Bundeskanzler Sebastian Kurz ( ÖVP) "zu den permanenten Attacken der FPÖ gegen die Grundsäulen unserer Republik". Umso wichtiger sei es, "dass Opposition und Zivilgesellschaft laut ihre Stimme erheben und eben nicht schweigen, wenn die offene, liberale und demokratische Gesellschaft von Rechtspopulisten unter Sturmfeuer genommen wird".

Ganz anders lautet die Reaktion der Liste Pilz. Deren Abgeordnete Daniela Holzinger bezeichnete das Schächten als "brutales und unnötiges Vorgehen". Die Pläne des Landes Niederösterreich, dieses Vorgehen nun weitestgehend einzuschränken und nur streng gläubigen Juden oder Muslimen Zugang zu dieser Art von Fleisch zu ermöglichen, gehen der Gesundheitssprecherin daher "nicht weit genug".

ÖVP will kalmieren

In der niederösterreichischen ÖVP ist man über die aktuelle Diskussion nicht glücklich. Die Ermittlung des persönlichen Bedarfs aus religiösen Gründen sei schwierig, meinte ÖVP-Klubobmann Walter Schneeberger auf Ö1. "Das ist die Gretchenfrage. Es wird eine Art Registrierung geben müssen", so Schneeberger, der eine Registrierung am Mittwoch noch ausgeschlossen hatte. "Wir arbeiten an einer praxisnahen Lösung. Ich wäre jetzt überfordert, ihnen diese Lösung zu sagen, wie sie aussieht. Die Sensibilität der Thematik macht es so schwierig." In der ÖVP hofft man, dass man in den nächsten Wochen eine Neuregelung vorlegen kann.

Schneeberger war bereits am Dienstagabend um Beruhigung bemüht und hielt dazu fest: „Die Regelungen bezüglich Schächten sind im Tierschutzgesetz des Bundes geregelt. Nur die Vollziehung dieses Gesetzes obliegt den Ländern. Noch unter SPÖ-Landesrat Maurice Androsch wurden die Bezirksverwaltungsbehörden über die Durchführung des Tierschutzgesetzes informiert.“

Da diesbezüglich immer wieder Fragen aufgetaucht seien, wurden in einer Arbeitsgruppe bereits Überlegungen angestellt, wie eine praxisnahe Umsetzung noch vor einer Änderung des Tierschutzgesetzes gewährleistet werden könne. „Die Notwendigkeit, eine Präzisierung vorzunehmen, zeigen auch die Befürchtungen von Oskar Deutsch. Wir gehen davon aus, dass  die Arbeitsgruppe entsprechende Lösungen finden wird und damit den Bedenken entgegen getreten wird“, meint Schneeberger. Diese Arbeitsgruppe untersteht nun dem FPÖ-Landesrat Waldhäusl.

"Das wird es nicht geben"

Zur APA sagte Schneeberger, dass selbstverständlich niemand registriert werde, der koscheres Fleisch kaufen wolle. Derartiges werde es nicht geben. So lange das Gesetz nicht geändert werde, "werden wir an einem Erlass arbeiten, der keine Listung etc. zulässt“, sagte der ÖVP-Klubobmann.

In einer ersten Stellungnahme hatte der FPÖ-Politiker Waldhäusl zunächst nur seine Ablehnung des Schächtens betont: „Aus der Sicht des Tierschutzes wäre Schächten für mich generell abzulehnen.“ Man prüfe daher alle gesetzlichen Möglichkeiten, um das Schächten einzudämmen. Einerseits solle künftig der Export von koscher geschlachtetem Fleisch verboten sein, andererseits werde der Zugang zu koscherem Fleisch massiv eingeengt.

Auch Muslime betroffen

Zwar hat sich aktuell die Israelitische Kultusgemeinde dazu zu Wort gemeldet, doch wären wohl auch Muslime vor Probleme gestellt. Auch im Islam gibt es spezielle Schlachtvorgaben. Die Halal-Schlachtung ist der koscheren Schlachtung ähnlich.

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