Der Bundespräsident ist kein Ersatzkaiser

Heinz Fischer, Ex-Präsident Österreichs
Kaum jemand kennt die Geschichte der Hofburg wie er. Heinz Fischer verrät, wie es hinter den Kulissen der Präsidentschaftskanzlei zugeht.

Heute in einer Woche wird (hoffentlich) feststehen, wer als neuntes Staatsoberhaupt der Zweiten Republik in den Leopoldinischen Trakt der Wiener Hofburg zieht. In jenen Trakt, in dem einst Maria Theresia und Kaiser Joseph II. regierten und den kaum jemand so gut kennt wie Heinz Fischer, der hier zwölf Jahre lang Hausherr war. Ein Gespräch mit dem Alt-Bundespräsidenten über eine außergewöhnliche Arbeitsstätte.

Geist der Geschichte

"Ich bin vom ersten bis zum letzten Tag meiner Amtszeit immer mit einem gewissen Respekt in dieses Büro gegangen", erklärt Fischer. "Durch die Räumlichkeiten der Hofburg weht so etwas wie der Geist der Geschichte. Es ist ein schöner Arbeitsplatz, im europäischen Vergleich einer der schönsten."Errichtet von Kaiser Leopold I., wurde dieser Teil der Hofburg durch dessen Enkelin Maria Theresia zum Symbol der Macht des Hauses Habsburg. Fischer bezeichnet die Kaiserin "als große Frau, deren bedeutende Reformen durchaus Bewunderung verdienen."

Das Arbeitszimmer

Das Arbeitszimmer des Bundespräsidenten war auch das des Kaisers Joseph II., der in Fischers Einschätzung "sehr fortschrittlich und modern war. Aber die Dauerhaftigkeit seiner Reformen reicht nicht an die seiner Mutter heran, vor allem, weil viele von ihnen später rückgängig gemacht wurden."Zur Zeit von Kaiser Franz Joseph diente der Leopoldinische Trakt als Wohnappartement für dessen Eltern, in der Ersten Republik war hier ein Museum untergebracht."Es war Karl Renner, der 1945 diesen Teil der Hofburg als Sitz für das Staatsoberhaupt auswählte", weiß Heinz Fischer, der selbst in die Dokumente Einblick nahm, die aufzeigen, wie es dazu gekommen ist: "Renner schätzte einen angenehmen Lebensstil, Zigarren und eine entsprechende Umgebung. Im Sommer 1945 hat er als provisorischer Staatskanzler an den Staatssekretär Julius Raab im Handelsministerium geschrieben, dass man Ende des Jahres einen Bundespräsidenten werde wählen müssen, für den ein Amtssitz zu schaffen wäre. Dieser sollte nicht – wie in der Ersten Republik – im Kanzleramt sitzen, sondern in einem eigenständigen Gebäude. Raab bot fünf Palais an, fügte aber hinzu, dass auch Räume in der Hofburg infrage kämen. Renner hat sich für den Leopoldinischen Trakt entschieden. Was ich nicht weiß", sagt Fischer, "ist, ob Renner damals schon ahnte, dass er diesen Amtssitz für sich selbst ausgesucht hat."

Angst vor der Monarchie

Lange stand die Republik, vor allem die Sozialdemokratie, der Habsburger-Monarchie kritisch gegenüber. Ist da ein Wandel eingetreten?

Da habe sich Grundlegendes verändert, meint Fischer. "Die Sozialdemokraten wollten ursprünglich gar kein Staatsoberhaupt, weil sie Angst vor einer Wiederherstellung der Monarchie hatten. Als dann die Verfassung von 1920 die Funktion des Bundespräsidenten geschaffen hat, wurde alles getan, um seine Position zu schwächen. Erst als im Verlauf der Zweiten Republik deutlich wurde, dass die Monarchie keine Bedrohung mehr darstellt, hat man diese Ablehnung monarchischer Elemente aufgegeben. Bruno Kreisky spielte dabei mit seinem Handschlag mit Otto Habsburg eine wichtige Rolle.Eine weitere Geste setzte Heinz Fischer selbst, als er den Sohn des letzten Kaisers aus Anlass seines 95. Geburtstags in den Leopoldinischen Trakt der Hofburg lud. "Ich werde nie vergessen, wie der alte Herr Zimmer für Zimmer durchgewandert ist, immer die Bilder seiner Ahnen betrachtend, bis er sich dann im Maria-Theresia-Zimmer mir zuwandte und gesagt hat: ,Schön haben Sie’s da, Herr Bundespräsident.’"Eines der berühmtesten Fotomotive in der Hofburg ist die rote Tapetentür, hinter der sich der Bundespräsident mit dem jeweiligen Staatsgast zurückzieht. Was passiert, wenn diese Tür geschlossen wird?"Nichts Geheimnisvolles", erzählt Fischer. "Der Gast nimmt auf einer Sitzbank Platz, die immer allen Anforderungen entsprochen hat, ob das der amerikanische, der russische oder der chinesische Präsident war. Nur als Papst Benedikt XVI. auf Staatsbesuch kam, wurden wir verständigt, dass für den Pontifex ein einzelner Sessel erwünscht sei und nicht eine Sitzbank. Daraufhin wurden zwei Fauteuils hingestellt, und so ist es seither geblieben."

Hinter den Kulissen

In den Gesprächen hinter der Tapetentür gäbe es keine Tabus, verrät Fischer. "Man kann nicht von Wien aus den Frieden in Syrien erzwingen oder eine Kurskorrektur der amerikanischen Politik herbeiführen, aber bei guter Atmosphäre kann man viel anschneiden und besprechen. Man wird auf jeden Staatsbesuch sorgfältig vorbereitet. Da sind viele Heinzelmännchen hinter den Kulissen tätig, von denen man eine dicke Mappe bekommt, in der viel über die Person des Gastes, das Land und über Themen steht, die einen Anstoß bekommen sollen. Dass man etwa ein gemeinsames Verkehrsprojekt auf Schienen bringt oder wie man mit dem Flüchtlingsproblem umgeht."In solchen Gesprächen, plaudert Fischer aus der Schule, "sind Staatspräsidenten ganz normale Menschen, und da ergibt sich auch die Gelegenheit, den einen oder anderen Wunsch zu äußern. Erst unlängst hat sich ein Herr bei mir bedankt, weil ich vor fünf Jahren geholfen habe, seine Tochter aus der Haft in Kolumbien zu befreien. Es kommt immer wieder vor, dass bei einer Frau Rauschgift in der Handtasche gefunden wird und man nicht klären kann, ob sie es selbst geschmuggelt hat oder benutzt wurde, um das Risiko auf jemand anderen zu schieben. Auch über solche Schicksale wird diskutiert."

Kein Ersatzkaiser

Der Ausdruck "Ersatzkaiser", so Fischer, sei für das Staatsoberhaupt längst nicht mehr passend: "Karl Renner, der in der Monarchie aufgewachsen ist, war vielleicht noch einer, wenn ich mir sein Verhalten und das Protokoll ansehe. Inzwischen hat sich das Amtsverständnis und das Verhältnis zur Bevölkerung so grundlegend geändert, dass das Wort Ersatzkaiser zwar immer noch in unserem Wortschatz erhalten ist, aber keine Aktualität mehr hat."

Der Nachfolger

Alt-Bundespräsident Fischer macht auch in diesem Gespräch kein Geheimnis daraus, wen er als seinen Nachfolger in der Hofburg sehen will. "Ich bin überzeugt, dass Alexander Van der Bellen von ähnlichen Wertmaßstäben ausgeht wie das bei mir der Fall war." Er könne sich in der Politik, die von Van der Bellen zu erwarten ist, "eher wiederfinden, als das beim anderen Kandidaten der Fall ist".

Ins Kaffeehaus gehen

Wer immer es wird: Wie sehr wird er in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt sein, wenn man bedenkt, dass Kaiser Franz Joseph einmal zu einem Journalisten gesagt hat: "Sie haben S’ gut, Sie können ins Kaffeehaus gehen!"

"Das mag zur Zeit des Kaisers so gewesen sein, gilt aber heute nicht mehr, sagt Heinz Fischer. "Ich bin auch als Bundespräsident ins Kaffeehaus gegangen und gehe als Ex-Bundespräsident ins Kaffeehaus. Im Grunde kann man überall hingehen. Es ist eher ein Zeitproblem."

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