Eine rekordverdächtige Wahl

Eine rekordverdächtige Wahl
Erstmals seit 1945 könnten SPÖ und ÖVP gemeinsam unter 50 Prozent fallen. Erstmals könnten sechs oder gar sieben Parteien ins Parlament gewählt werden

Heute vergeben die Wähler an die Politik einen neuen Arbeitsauftrag für fünf Jahre. Gewählt wird der Nationalrat, und daraus muss sich eine Mehrheit für die künftige Bundesregierung ergeben.

Geht man von den zuletzt publizierten Meinungsumfragen aus, könnte der heutige Wahltag ein historischer werden: Erstmals dürfte die große Koalition aus SPÖ und ÖVP die Stimmenmehrheit verlieren und unter 50 Prozent fallen.

Eine rekordverdächtige Wahl
Rekordverdächtig ist der heutige Wahltag auch, weil erstmals sechs Parteien durch Wahl ins Parlament kommen könnten. Es sind zwar jetzt schon sechs Parteien im Nationalrat vertreten, aber das Team Stronach ist ja nur durch das Aufsammeln von Mandataren aus anderen Parteien entstanden. Es wurde nicht gewählt.

Die wahrscheinlichste Variante ist, dass die Parteien in folgender Reihenfolge in den Nationalrat kommen: SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grüne, Team Stronach, Neos. Sogar Josef Bucher mit dem BZÖ ist nicht ganz chancenlos. Das BZÖ wäre dann die siebente Partei.

Damit sind die spannendsten Fragen des heutigen Wahltags definiert:

Wie weit sackt die Regierung ab?

Kann die ÖVP den zweiten Platz gegenüber der FPÖ verteidigen?

Kommen die Neos und vielleicht sogar das BZÖ ins Parlament?

Wird es eine pro-europäische Zweidrittelmehrheit im Nationalrat geben?

Eine rekordverdächtige Wahl
Und, als Folge daraus: Welche Regierungskonstellationen sind denkbar?

– Rot-Schwarz: Wenn SPÖ und ÖVP ihre Mehrheit, und sei es nur in Mandaten, halten, ist eine Neuauflage von Rot-Schwarz wahrscheinlich.

Was dagegen spricht: Eine Verliererkoalition, die für Stillstand und wechselseitige Blockade bekannt ist, wird den Wählern sehr schwer einen Neustart glaubhaft machen können.

– Rot-Schwarz plus Grün: Diese Variante hätte die Vorteile eines breiten politischen Spektrums und eines innovativen Anstrichs in der Bundesregierung. Auch eine Verfassungsmehrheit für EU-Materien und große Reformen ist wahrscheinlich. Außerdem regieren die Grünen bereits in fünf Bundesländern, was die oftmals festgefahrenen Fronten zwischen Bund und Ländern lockern könnte.

Dagegen spricht die politische Konstellation: Die ÖVP hätte bei Schulreformen und Vermögenssteuern zwei Partner gegen sich. Die ÖVP müsste befürchten, zwischen ihren rot-grünen Regierungspartnern und der rechten Opposition im Parlament zerrieben zu werden.

– Rot-Schwarz plus Neos:Für diese Variante spricht, falls eine Dreierkoalition erforderlich wird, sehr viel: Sie wäre innovativ, und die Neos sind mit der ÖVP kompatibel, zumindest ideologisch. Probleme könnten hingegen persönliche Animositäten verursachen, weil Neos-Chef Matthias Strolz von der ÖVP als abtrünniger Renegat betrachtet wird (Strolz war einmal ÖVP-Mitarbeiter).

– Rot-Grün-Neos und Schwarz-Grün-Stronach oder Schwarz-Grün-Neos: Diese Varianten haben wahrscheinlich keine ausreichende Mehrheit.

– Schwarz-Blau-Stronach: Wäre eine Variante, wenn die ÖVP Dritte wird. Dann tritt Michael Spindelegger nach eigener Aussage „sofort“ zurück. Kommt daraufhin Reinhold Mitterlehner in der ÖVP ans Ruder, gibt es wahrscheinlich wieder eine Regierungsvariante mit der SPÖ.

Wird Maria Fekter ÖVP-Obfrau, könnte ihr FPÖ-Chef HC Strache das Kanzleramt anbieten. Immerhin hat sich die ÖVP schon einmal mit dem Kanzleramt vor dem politischen Untergang gerettet. Zumindest für ein paar Jahre.

Gegen Schwarz-Blau spricht: Strache und Stronach lehnen den Euro ab, die ÖVP würde ihren Ruf als Europa-Partei verlieren. Ein Kabinett Fekter/Strache wäre die beste Wahlhilfe für die SPÖ bei den kommenden Landtagswahlen (2015 gibt es vier davon), die ÖVP-Landespolitiker müssten zittern. Außerdem würde der nächste Bundespräsident – aus der Opposition zu Schwarz-Blau heraus – wohl auch wieder ein Sozialdemokrat werden.

Auch in der SPÖ blickt man dem heutigen Wahltag mit gemischten Gefühlen entgegen. Wenn Werner Faymann heute von dem historischen SPÖ-Tiefststand noch einmal signifikant abrutscht, wäre es kein Ruhmesblatt für den Kanzler. Schon gar nicht, wenn die von ihm geführte Koalition die Stimmenmehrheit verliert. Faymann wäre geschwächt, in der Partei würde bald Grummeln ausbrechen.

Und auch wenn es Bürgermeister Michael Häupl nicht gern hört: In seiner Partei herrscht Unruhe und Unzufriedenheit. Wenn die SPÖ heute schlecht abschneidet, wird auch in Wien der Druck für einen Wechsel steigen.

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