"Ein Stromausfall ist eine heikle Angelegenheit für moderne Gesellschaften"

"Ein Stromausfall ist eine heikle Angelegenheit für moderne Gesellschaften"
Mehrheit der Bevölkerung kann gut mit Extremsituation umgehen, erst nach Tagen kann es zu Panik kommen - sagen Experten.

Der KURIER hat die Experten Thomas Niederkrotenthaler (Medizinische Universität Wien/Zentrum für Public Health), Johannes Wancata (Präsident der ÖGPP/Österreichische Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik) und Georg Psota (Chefarzt Psychosoziale Dienste in Wien) befragt - hier lesen Sie Ihre gemeinsamen Antworten.

KURIER: Angenommen, der Strom fällt für 24 Stunden aus, die öffentliche Infrastruktur ist nicht mehr intakt, die Menschen kommen vom Arbeitsplatz nur mehr zu Fuß nach Hause, können keine Medien empfangen, Handys nicht mehr laden…: Wie wirkt sich dieses Szenario in den ersten Stunden, am ersten Tag auf die Psyche aus?

"Ein Stromausfall ist eine heikle Angelegenheit für moderne Gesellschaften, aber dennoch nicht mit der akuten Gefahr eines riesigen Erdbebens, oder einer gigantischen Überschwemmung wie einst in New Orleans gleichzusetzen. Allerdings ist die Dauer des Stromausfalles der entscheidende Punkt für die Folgen und damit auch für die psychische Verarbeitung. Analysen und Einschätzungen von Expertinnen zeigen, dass für die Mehrheitsbevölkerung der Stromausfall zwar zunächst unangenehm erlebt wird aber relativ gut kompensiert werden kann. Auch der soziale Zusammenhalt funktioniert zunächst oft relativ gut und kompensierend.

Für relevante Gruppen in der Bevölkerung, zum  Beispiel Menschen mit psychischen Erkrankungen, isolierte, ältere Personen und solche mit körperlichen Beeinträchtigungen kann die Situation allerdings relativ rasch eine Gefahr sein. Insbesondere dann, wenn niemand in der unmittelbaren Umgebung erreichbar ist, Hilfe benötigt wird und auch das mit Strom betriebene Telefon nicht mehr funktioniert.

Über die Zeit wird der Stresslevel insgesamt ansteigen, und nach einigen Tagen kann es zu Panik und sozialen Unruhen kommen, wenn zum Beispiel Lebensmittel knapp werden."

 

 

Gibt es ob Studienerkenntnissen Unterschiede bei den Geschlechtern, bezüglich des Alters und der Sozialisation, was das Agieren in solchen Situationen betrifft?

"Insbesondere ältere Menschen, solche mit psychischen Erkrankungen zum Beispiel Depression und Demenz, Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung sind schneller und massiver negativ betroffen. Studien haben auch gezeigt, dass Substanzmissbrauch bei längerem Ausfall zunimmt. Außerdem kann der Auslöser des Stromausfalls oder die Konsequenzen auch mit posttraumatischen Belastungsreaktionen einhergehen, oder bei Vorbestehen, verschlimmern. Generell können in Krisensituationen vorbestehende Verhaltensmuster verstärkt werden. Es ist ein breites Spektrum unterschiedlicher Reaktionen zu erwarten. Die Forschung zum Thema Stromausfall und Folgen ist noch jung, wenig umfangreich und kommt in publizierter Form aus Demokratien."

Kann die Bevölkerung nebst Lebensmittelbevorratung, Medikamenten und anderem zudem Vorsorge treffen? Gibt es Tipps, um die seelische Balance zu wahren? Wie kann man die „Resilienz“ der Bevölkerung bei Katastrophen erhöhen – außer, grundsätzlich zu informieren?

"Grundsätzlich gilt : Betont sachliche Information und gute Notfallpläne sind das beste Mittel gegen kollektive Panik . Es ist hilfreich über regionale beziehungsweise lokale Notfallpläne bereits vorab gut informiert zu sein, zu wissen wo und wie man Hilfe bekommen kann, und wie man sich richtig verhält. Darüber hinaus ist es hilfreich eine mögliche derartige Situation mit dem sozialem Umfeld zu besprechen und auch zu klären, wie man Menschen mit Beeinträchtigung in der Umgebung  unterstützen kann."

 

 

 

 

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