Ein Kompromiss für den Verbrenner ist da - aber Deutschland lehnt ab
Viel Streit, Ärger und große Spannungen, aber in einem Punkt waren sich alle Verkehrsminister der EU bis Anfang März einig: Ab 2035 dürfen bei neu zugelassenen Autos aus dem Auspuff keine Treibhausgase mehr herausströmen. Das bedeutete de facto ein Verbot für die herkömmlichen Diesel- und Benzinmotoren.
Alle Wege in die Autozukunft schienen ausschließlich in Richtung E-Mobilität zu führen; alles war unter Dach und Fach – bis der deutsche Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) die eigentlich schon fixe Regelung sprengte. Plötzlich Stillstand in Brüssel: Ein riesiger Teil der europäischen Klimagesetzgebung hängt in der Luft.
Bereits vor einigen Tagen hat die EU-Kommission nun dem widerspenstigen deutschen Verkehrsminister einen Kompromissvorschlag präsentiert: Demnach sollen auch ab 2035 Autos mit Verbrennermotor zulassen werden, sofern sie ausschließlich mit E-Fuels betankt werden können.
Voraussetzung: Die Autos müssten erkennen können, wenn Benzin oder Diesel getankt wird und dann automatisch abschalten.
Damit kam Brüssel der Forderung des deutschen Ministers bereits weit entgegen – doch der lehnt nach ersten Informationen des Spiegel noch immer ab. Wissings Ministerium wolle noch bis Mittwoch einen eigenen Vorschlag präsentieren, hieß es. E-Fuels sollten eine noch viel größere Rolle spielen.
Von Seiten der österreichischen Kanzlerpartei ÖVP beurteilt man das Angebot der EU-Kommission hingegen positiv: „Klimaschutz muss auch mit Hausverstand gemacht werden – wenn Technologie einen Beitrag zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes leisten kann, dann muss diese Möglichkeit auch genutzt werden“ schreibt VP-Generalsekretär Christian Stocker.
Das bedeute als logische Folge, dass eine Politik, die sich nur auf Elektromobilität beschränke, zu wenig sei. Kanzler Karl Nehammer hatte ja gedroht, sich der deutschen Blockade in Brüssel anzuschließen und sich für den Erhalt des Verbrennemotors stark zu machen.
Paris ist sauer
Nicht nur in Frankreich ist man ob der deutschen Vollbremsung sauer. Sogar in Berlin selbst gehen die Wogen hoch: Der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck drängt auf eine Einigung. Und auch Kanzler Olaf Scholz will das leidige Thema Verbrennermotor rechtzeitig vor dem EU-Gipfel am Donnerstag vom Tisch haben.
Doch warum werden E-Fuels, auf die Wissing so sehr beharrt, überhaupt als Alternative genannt? Sie sind Kraftstoffe, die aus Ökostrom (Wind, Wasser, PV) hergestellt werden. Für die Erzeugung wird mit Ökostrom Wasserstoff aus Wasser erzeugt, dieser wird dann zusammen mit Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre (oder aus Schornsteinen) in industriellen Prozessen chemisch verarbeitet, um tankbare, synthetische Kohlenwasserstoffe zu erzeugen. E-Fuels können wie Benzin oder Diesel in Autos verwendet werden. Es kommt zwar auch hier CO2 aus dem Auspuff, da dieses aber zuvor aus der Luft geholt wurde, gelten E-Fuels als klimaneutral.
Derzeit kann man keine E-Fuels tanken, weil es sie noch gar nicht gibt. Bisher existieren nur kleine Versuchsanlagen.
Mit Benzin oder Diesel weiterzufahren, lassen die Klimaziele nicht zu. Im Vorjahr wurden etwa 1,98 Milliarden Liter Benzin und rund 7,38 Milliarden Liter Diesel verkauft. Ein Liter Benzin verbrennt ungefähr zu 2,3 Kilogramm CO2, ein Liter Diesel zu 2,6 Kilogramm CO2.
Hoher Strombedarf
Das größte Problem der E-Fuels bleibt der extrem hohe Strombedarf. Der muss noch dazu aus 100 Prozent Ökostrom sein, damit E-Fuels klimaneutral sind. Berechnungen der Energieagentur zeigen: Um die gleichen Mengen des derzeit benötigten Benzins oder Diesels herzustellen, würden E-Fuel-Fabriken den gesamten Strom von Österreich brauchen.
Dennoch ruhen große Erwartungen auf den E-Fuels. Sowohl die Schifffahrtsindustrie als auch die Flugzeugindustrie hoffen sehr auf sie. Beide Industrien haben bisher keine sinnvollen Alternativen für Verbrennungsmotoren bzw. Düsentriebwerke gefunden. Sowohl die Schifffahrt als auch Flugzeuge würden aber nur einen Bruchteil der E-Fuel-Mengen der Pkw benötigen.
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