Es scheint, als wäre der Deckel vom Dampfdrucktopf geflogen, wenn man etwa die zusammengedrängt sitzenden Jugendlichen am Donaukanal betrachtet. Sind die Partys zu wild?
Gerade die junge Generation dürstet nach Erlebnissen. Wir mahnen zur Vorsicht und werden auch kontrollieren. Natürlich muss auch Eigenverantwortung gelebt werden.
Ihr Gesundheitsstadtrat Peter Hacker fand zumindest zu Pandemiebeginn die Maßnahmen übertrieben, galt als der Lockere. Jetzt ist er recht still. Haben Sie ihm Zügel angelegt?
Wir tragen solche unterschiedlichen Sichtweisen sehr freundschaftlich aus. Und im Endeffekt zählt dann immer das Wort des Bürgermeisters.
Die Bundesregierung ist monatelang allein vor die Medien getreten. Plötzlich waren auch Sie bei der Pressekonferenz dabei. Eine Überwindung?
In der schwierigen Phase haben wir als Landeshauptleute Verantwortung übernommen. Die Krise hat gezeigt, wie lebendig der Föderalismus ist.
Wären Sie auch bei positiven Verkündigungen gerne an der Seite des Kanzlers gestanden?
Ich finde schon Gelegenheit, mich in der Öffentlichkeit zu artikulieren. Es ist wichtig, dass die Bundesregierung auf die Landeshauptleute hört, die noch näher an den Sorgen der Bevölkerung dran sind.
Wie verstehen Sie sich denn mit dem Kanzler?
Wir haben ein sehr professionelles Verhältnis. Ich vertrete die Interessen der Wiener Bevölkerung. Das ist sehr oft ident mit den Interessen der Bundesregierung, manchmal ab er auch nicht, und da muss ich mich dann halt deutlicher zu Wort melden.
Der einzige Türkise, eigentlich ein Schwarzer, mit dem Sie sich prächtig verstehen, ist Wiens Wirtschaftskammerpräsident Walter Ruck.
Wir haben ein Vertrauensverhältnis, das noch aus der Zeit stammt, als ich Wohnbaustadtrat und er Chef der Bauinnung in Wien war. Aber ich pflege auch mit den ÖVP-Landeshauptleuten und vielen in der Wiener ÖVP ein sehr gutes Einvernehmen.
Was ist mit dem Wiener ÖVP-Chef Gernot Blümel?
Wir haben nicht viele Berührungspunkte, weil er doch im Wesentlichen in der Bundespolitik ist und dort andere Probleme hat. Aber es ist öfter vorgekommen, dass Politiker nur kurz bei Wahlen vorbeigekommen und dann wieder in die Bundespolitik entschwunden sind.
Bei welchem Punkt halten Sie es eigentlich für notwendig, dass der Kanzler zurücktritt?
Ich habe noch nie einen Politiker zum Rücktritt aufgefordert. Jeder muss für sich selbst entscheiden, ob er noch in der Lage ist, eine Funktion auszuüben.
Da klingen Sie sanfter als Bundesparteichefin Pamela Rendi-Wagner, die sowohl bei Kurz als auch beim burgenländischen Landeshauptmann meinte, man müsse bereits bei Anklage zurücktreten.
Das war bis jetzt ja auch Praxis in der Zweiten Republik, wobei die beiden Fälle nicht miteinander vergleichbar sind
Salzburgs SPÖ-Bürgermeister Schaden trat nicht zurück. Swap-Geschäfte der Stadt führten zu Verurteilung wegen Untreue.
Aber Anklage und Urteil folgten schnell aufeinander. Beides hat außerdem zu einer Diskussion geführt, ob man Menschen eine solche Situation zumuten kann, die bereit sind, die Funktion des Bürgermeisters zu übernehmen.
Rendi-Wagner hat sich die Latte für ihre Wiederwahl am bevorstehenden Bundesparteitag mit rund 71 Prozent sehr niedrig gelegt, oder?
Ich bin überzeugt, dass es ein deutlich besseres Ergebnis werden wird.
Wobei manche in der SPÖ meinen, dass es für den Kanzler- oder Vizekanzlerposten andere gäbe, etwa Ihren Finanzstadtrat Peter Hanke.
Die Frage stellt sich derzeit nicht. Und ich habe deutlich gemacht, dass für mich ein fliegender Wechsel der SPÖ nicht in Frage kommt. Auf Bundesebene wird es eine Regierungsbeteiligung der SPÖ nur nach Nationalratswahlen geben. Dazu gibt es auch einen Beschluss im Bundesparteivorstand.
Es existieren Planspiele, Kurz im Nationalrat mithilfe des grünen Koalitionspartners zu stürzen und dann eine Zeit lang auf das freie Spiel der Kräfte im Parlament zu setzen.
In einer so herausfordernden Zeit sind instabile, politische Verhältnisse nicht hilfreich, denke ich.
Endet mit Rot-Grün in der Stadt das Zurückdrängen des Autoverkehrs zugunsten des Rades? Was für eine Vision haben Sie für Wien?
Maßnahmen für den Klimaschutz liegen in der DNA der Stadt Wien und auch der SPÖ. Für mich ist aber auch wichtig, den Wirtschaftsstandort zu stärken, den Arbeitsmarkt zu stabilisieren. Es gibt zwei Gruppen, um die man sich besonders kümmern muss: um junge Menschen, die den ersten Schritt in den Arbeitsmarkt setzen. Und um die über Fünfzigjährigen, die oft gut qualifiziert sind, aber aufgrund ihres Alters keine Möglichkeit haben, am Arbeitsmarkt zu reüssieren. Ein ganz wichtiges Thema ist auch die Pflege.
Es wird sehr viel gebaut in der Stadt. Haben Sie nicht auch das Gefühl, dass das häufig schöner und wertiger ginge?
Oft liegt die Schönheit im Auge des Betrachters. Wir haben eine Form der sanften Stadterneuerung, wie es sie in dieser Form nur in Wien gibt. Wien würde heute nicht so aussehen, wenn die Stadt nicht bereit gewesen wäre, auch viele private Hauseigentümer finanziell zu unterstützen.
In welches Lokal sind Sie nach der Wiedereröffnung als erstes gegangen?
In das Cafe Frauenhuber, gemeinsam mit Walter Ruck.
Mit Ihrem Vorgänger Michael Häupl hat man immer den "Spritzwein" verbunden. Was ist Ihr Lieblingsgetränk?
Ich trinke gerne eine Wiener Melange, weil das ist ein schönes Zeichen für unsere Stadt. Denn die Mischung macht’s aus!
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