Ein Extra-Schlafwagen für die Ministerin
Am Ende ging es im Laufschritt zum ICE-Hochgeschwindigkeitszug. Nur fünf Minuten blieben Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) zum Umsteigen inklusive Bahnsteigwechsel in Frankfurt Richtung Brüssel.
Als Gewessler den ICE betritt, schließen sofort hinter ihr die Zugtüren. „Arschknapp“ würde wahrscheinlich Bundespräsident Alexander Van der Bellen zu diesem Moment sagen. Warum auch sollte das umweltfreundliche Reisen andere Tücken haben als die Umweltsünde Flugzeug?
Doch macht es tatsächlich Sinn, dass die Umweltministerin mehr als elf Stunden von Wien (um 6.50 Uhr Abfahrt) nach Brüssel (Ankunft 17.30 Uhr) zum EU-Ministerrat unterwegs ist, nur damit sie ihr Ziel – fast alle Wege nur mit Öffis, Zug oder Rad zu absolvieren – einhält? Wäre die Zeit nicht anders besser investiert – z.B. um beim Ministerrat in Wien dabei zu sein?
„Wann immer es geht, nehme ich den Nachtzug nach Brüssel, weil er einfach effektiver ist“, so Gewessler, die sechs Jahre in Belgien lebte. Doch rund um ihren ersten EU-Ministerrat ist der Zeitplan so dicht, dass man tagsüber den umständlichen, fast mühsamen Weg mit Zwischenstopp in Frankfurt nehmen muss.
Mittlerweile ist sie eine von insgesamt fünf grünen Umweltministerinnen in der EU. Am Vorabend des EU-Minister-Meetings ist auch ein Dinner mit Frans Timmermans, EU-Kommissar für Klimaschutz, eingeplant.
Im 1. Klasse-Abteil wird morgens kurz vor sieben Uhr flugs ein kleines mobiles Minister-Büro aufgebaut. Ihre sechsköpfige Entourage stellt ihre Laptops auf, taschenweise werden Akten ausgepackt – Gewessler nützt die Zeit mit ihren Mitarbeitern für ein intensives Briefing während der Zug mit 250 bis 300 Stundenkilometern dahin rauscht.
„Dieses EU-Ministertreffen ist ungemein wichtig, geht es doch um das Klimagesetz, das gestern von der EU-Kommission präsentiert wurde. Es ist wichtig, dass der Ankündigung vom Green Deal nun auch ein legislativer Vorschlag folgt“, so Gewessler. Aber die Ministerin betont, dass die Ziele für 2030 noch nachgebessert werden müssen.
Deswegen ist Österreich eines von zwölf Ländern, das eine Aufforderung an die EU-Kommission geschickt hat, möglichst rasch ambitionierte Ziele auf den Weg zu bringen. Am besten bis Sommer 2020. Der Grund: Wenn der Vorschlag für neue Ziele erst im Herbst vorgelegt wird, geht sich ein Beschluss vor der nächsten Klimakonferenz in Glasgow nicht mehr aus.
In Österreich ist die Klimaneutralität für 2040 im Koalitionspakt vereinbart. Die EU will dieses Ziel als erster Kontinent 2050 schaffen. „Jedes Jahr früher wäre wünschenswert“, so Gewessler.
„Kraftvolle Diskussion“
Zurück in das Abteil im Zug: Auch ein NGO-Vertreter ist bei der Reise nach Brüssel dabei, um intensive Gespräche zu führen. Dafür bleibt Gewessler seit sie Ministerin ist, immer zu wenig Zeit.
„Einen aufrüttelnden Input erwarte ich mir heute von Greta Thunberg“. Die schwedische Klimaaktivistin wird auch beim EU-Ministertreffen dabei sein, ehe sie sich dann wieder unter die „Fridays for Future“-Demonstranten, die in Brüssel wegen des Klimagesetzes ausnahmsweise am Donnerstag auf die Straße gehen, mischt. „Das wird sicher eine kraftvolle Diskussion mit Greta“. Auch ein kurzes Gespräch zwischen der Galionsfigur Thunberg und Gewessler ist geplant, bevor es am Donnerstag dann mit dem Nachtzug zurück geht. Das stellt die ÖBB vor eine neue Situation – hatte sie doch offenbar noch nie einen Minister an Bord des Nachtzuges von Brüssel nach Wien.
„Es war ein großer Aufwand, denn die ÖBB hat extra einen Schlafwaggon angehängt“, erzählt Gewesslers Vize-Kabinettschefin. Sie verzweifelte mehrmals während der Zugfahrt, Funklöcher machten die nötigen Telefonate fast unmöglich. Ist also doch kein Spaziergang – so ein -freundlicher Arbeitstrip nach Brüssel.
Endlich angekommen in Brüssel, bleibt Gewessler beharrlich – standesgemäß reist die Umweltministerin mit der Schnellbahn ins EU-Viertel und nicht bequem in einer ansonsten obligaten, luxuriösen Minister-Limousine.
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