Edtstadler will Gewaltopfern Mut machen: "Anzeige bringt etwas"
Nur jede zehnte Frau zeigt eine Vergewaltigung an, nur jede zehnte Anzeige führt zu einer Verurteilung des Täters – und das ist noch eine großzügige Schätzung.
Staatssekretärin Karoline Edtstadler will diese Diskrepanz gezielt angehen. „Die Opfer sollen sich ernstgenommen fühlen, möglichst niederschwellig beraten werden und am Ende sehen, dass das alles etwas gebracht hat“, erklärt die Leiterin der Taskforce Strafrecht im Vorfeld des heutigen Ministerrats. Dort soll ihr in knapp einem Jahr erarbeitetes Maßnahmenpaket gegen Sexual- und Gewalttaten beschlossen werden. Noch heuer soll dieses dann in Gesetze gegossen und umgesetzt werden.
Vernetzung bei Hochrisiko-Fällen
Zu den rund 50 geplanten Maßnahmen gehören einige Strafverschärfungen als „rote Linien“, die markiert werden müssten, erklärt Edtstadler. Ein großer Teil des Pakets beschäftigt sich aber mit allem, was im Vorfeld passiert.
Das beginnt mit einem neuen, dreistelligen Notruf: „Opfer sollen wissen, dass sie sich dort beraten lassen können, wenn sie noch nicht bereit sind, eine Anzeige zu machen.“
Neu geregelt werden soll auch das Annäherungsverbot – eine so genannte „Bannmeile“ von 50 Metern soll etwa auch für den Weg zum Arbeitsplatz des Opfers gelten.
Im Bereich „Gefährdungsmanagement“ setzt man auf stärkere Vernetzung: So werden unter anderem die im Sommer abgeschafften Fallkonferenzen neu aufgestellt (der KURIER berichtete) und gesetzlich verankert.
Bei Hochrisiko-Fällen sollen alle Beteiligten – Polizei, Organisationen auf Seite des Gefährders und des Gefährdeten – auf Augenhöhe über weitere Schritte beraten können. Damit der Austausch von Informationen reibungslos funktioniert, soll ein rechtlicher Rahmen geschaffen werden, kündigt Edtstadler an.
So werde es notwendig sein, die Verschwiegenheitspflicht von Ärzten bzw. Psychologen in speziellen Fällen aufzuheben.
Gewaltspirale durchbrechen
Ein wesentlicher Punkt bei der Prävention ist für Edtstadler Täterarbeit, die bisher zu wenig Beachtung bekam. Bei Wegweisungen soll eine verpflichtende Erstberatung für Gewalttäter eingeführt werden. „Es gibt nur ein kleines Zeitfenster nach einer Tat, in der die Gewaltspirale durchbrochen werden kann“, sagt die Staatssekretärin und ehemalige Richterin. „Wir müssen Täter dazu bringen, hinzuschauen, damit sie nicht zu Wiederholungstätern werden.“
Kritikern aus der Richter- und Anwaltschaft kontert Christian Pilnacek, Generalsekretär im Justizministerium: „An der Taskforce waren 120 Experten beteiligt, viele ihrer Empfehlungen sind in dieses Maßnahmenpaket eingeflossen.“ Matthias Vogl, Sektionschef im Innenministerium, ergänzt: „Eine derart breite Einbindung gab es noch nie.“
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