E-Mail vom Gesundheitsminister: Wie Rauch seinen Experten einen Maulkorb verpasst

E-Mail vom Gesundheitsminister: Wie Rauch seinen Experten einen Maulkorb verpasst
Minister rüffelt Fachleute wegen öffentlicher Aussagen

Der grüne Gesundheitsminister Johannes Rauch hat offenkundig Probleme mit den Corona-Experten.

In der abgelaufenen Woche läutete Rauch das Ende der Pandemie ein. Die Quarantäne für symptomlos Infizierte wird abgeschafft, Corona soll ab sofort behandelt werden wie andere Krankheiten auch: Wer sich krank fühlt, lässt sich krankschreiben und bleibt zu Hause. Alle anderen, die zwar infiziert aber symptomlos sind, gehen zur Arbeit. Der Unterschied zu Normalkranken: Sie müssen bei der Arbeit Masken tragen, um weder Kunden noch Kollegen anzustecken.

Wenige Tage bevor die Regierung ihren Plan per Beschluss festzurrte, tagte die Gesamtstaatliche Krisenkoordination GECKO. Die dort vertretenen Experten waren mehrheitlich nicht mit dem Vorhaben der Regierung einverstanden. Dieses sei „mit unkalkulierbaren Risiken verbunden“, warnten sie. So drohe „ein Kontrollverlust über das Infektionsgeschehen“, denn in Österreich würden die Infektionszahlen derzeit steigen, während sie in anderen Ländern zu dem Zeitpunkt, als die Quarantäne abgeschafft wurde, im Sinkflug waren.

"Kein Sprachrohr der Regierung"

„Die Skepsis bei GECKO hat klar überwogen, diesen Lockerungsschritt jetzt zu setzen“, twitterte der Immunologe Andreas Bergthaler. Und weiter: „Das zeigt zumindest, dass GECKO kein Sprachrohr der Regierung ist, sondern kritischen Input liefert.“ Er hoffe, dass die Experten bei anderen Aspekten der Krisenbekämpfung „mehr Gehör“ fänden, so der Professor.

Aber nicht nur mit der GECKO, auch zwischen dem zweiten bedeutenden Corona-Beraterstab, dem Nationalen Impfgremium NIG, und dem Gesundheitsminister, kriselt es.

Kommandoton gegenüber Experten

Dem KURIER liegt ein Mail vor, in dem der grüne Minister die Mitglieder des NIG, darunter wissenschaftliche Koryphäen wie Monika Redlberger-Fritz, Ursula Wiedermann-Schmidt oder Herwig Kollaritsch, in einem ungewöhnlich scharfen Kommandoton anfährt.

„Gestern Abend (gemeint war der 27. Juni 2022) wurde via Ö1 von einem Mitglied des NIG ohne Absprache mit mir die kommende Empfehlung zur Impfung kommuniziert“, beschwert sich Rauch in dem Mail. „Das ist absolut unannehmbar“, fährt der Minister fort und meint ein paar Zeilen weiter: „Ich gehe davon aus, dass damit unmissverständlich klargestellt ist, dass eine derartige unabgestimmte Vorgangsweise von mir hinkünftig nicht mehr toleriert wird.“

Ausgelöst hat den ministeriellen Maulkorberlass ein Radiobericht über das Ergebnis einer Sitzung des Nationalen Impfgremiums. Demnach sprach das NIG am 27. Juni zwar weiterhin keine generelle Impfempfehlung für alle Altersgruppen aus, das Alterslimit für den vierten Stich würde aber von 80 auf 65 Jahre gesenkt. Dazu hatte Ö1 den Impfexperten Herwig Kollaritsch befragt. Dieser empfahl, dass sich symptomlos Infizierte vier bis sechs Monate nach dem dritten Stich den vierten holen könnten.

Der Bericht schloss mit dem Verweis, wonach die Entscheidung des Ministeriums noch abzuwarten sei. Aber das genügte dem Minister nicht, und Johannes Rauch verfasste erbost das zitierte Mail an die NIG-Mitglieder. Darin beschwerte er sich auch über die Stadt Wien, weil diese eine klare Impfkommunikation „konterkariert“.

Das Gesundheitsministerium bestätigt dem KURIER die Authentizität des Mails und übermittelt folgende Stellungnahme des Ministers: „Das Nationale Impfgremium ist ein Beratungsgremium des Gesundheitsministeriums. Seine Stimme hat in der Öffentlichkeit zurecht Gewicht. Deshalb war und ist mir eine klare, verständliche und abgestimmte Kommunikation wichtig. Ich habe mit den Mitgliedern des Nationalen Impfgremiums bereits das Gespräch gesucht. Wir waren uns einig, dass wir die Kommunikation zu den Empfehlungen künftig gut abstimmen werden, um das gemeinsame Ziel zu erreichen, möglichst viele Menschen von einer Auffrischungsimpfung zu überzeugen.“

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