Das Heer "wird wieder viel mehr üben"
Nach seinem Amtsantritt wurde Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil fast ausschließlich mit Fragen zur Flüchtlingsthematik bestürmt. Dem KURIER gegenüber erklärte er nun aber seine Pläne, wie er das totgesparte Bundesheer personell und materiell wieder instand setzen will.
Das Heer hat eine lange Zeit der Demontage hinter sich. Noch im Jahr 2004 forderte der damalige Chef der Bundesheerreformkommission, Helmut Zilk, ein Heeresbudget in der Höhe von einem Prozent am Bruttoinlandsprodukt (BIP). Doch jetzt, zwölf Jahre später, steht dem Heer mit 0,55 Prozent nur mehr knapp die Hälfte zur Verfügung.
Die größte Depression in der Truppe bescherte aber das "Strukturreformpaket 2018" des Ministers Gerald Klug, als quasi aus heiterem Himmel noch einmal 200 Millionen jährlich gestrichen wurden. Klug verfügte die Auflösung von Kompanien und zog die schweren Waffen ein. Die Soldaten verloren sogar ihre Panzerabwehrlenkwaffen und Granatwerfer. Klug schied ersatzlos 800 alte Geländefahrzeuge aus, reduzierte den Flugbetrieb auf ein Minimum – ebenso den Übungsbetrieb – und legte eine größere Anzahl von Kasernen still.
Wenig Einsparungspotenzial, aber viel öffentliche Aufregung, brachten auch die Demontage der Militärmusiken und des Militärrealgymnasiums.
Demotiviert
Was blieb, ist ein völlig demotiviertes Bundesheer. Das verbliebene Kaderpersonal leidet unter starken Reallohnverlusten, weil keine Überstunden mehr bezahlt werden. Mangels Überstunden gibt es aber kaum noch Übungen. Die Rekruten sitzen am Abend beschäftigungslos in den Kasernen, weil die Unteroffiziere nach Hause gehen.
Dieser Zustand war sogar den Parlamentsparteien nicht mehr geheuer. Minister Klug, der sich immer beharrlich geweigert hatte, mehr Mittel zu fordern, bekam im Dezember einen Allparteien-Entschließungsantrag auf den Tisch, in dem er aufgefordert wurde, angesichts der Sicherheitslage noch einmal sein Sparpaket zu überdenken und mehr Geld zu fordern.
1000 Zeitsoldaten
Das ist nun die Aufgabe von Neo-Minister Doskozil. Das neue Konzept für das Parlament, so Doskozil zum KURIER, wird im Jänner nicht mehr zu schaffen sein. Aber als Sofortmaßnahme will er eine Personaloffensive starten. 1000 brachliegende Dienstposten sollen so rasch wie möglich mit jungen Zeitsoldaten besetzt werden. Dafür will er die extremen sportlichen Limits bei den Aufnahmeprüfungen senken. Sie seien nicht nur höher als bei der Polizei, sondern auch höher als bei anderen EU-Armeen. Doskozil: "Es wird eine Aufgabe der Ausbildung sein, die Menschen in ihrer sportlichen Leistungsfähigkeit zu stärken." Das ist auch ein klares Signal an die Frauen, die meistens an den Sportlimits scheitern.
Grundwehrdiener
Grundwehrdiener kann sich Doskozil auch bei einem Einsatz an der grünen Grenze nach entsprechender Ausbildung vorstellen. Sie sollen auch zu mehr Freiwilligenmeldungen motiviert werden. Ein Wunsch, der angesichts der jetzt schon spürbar steigenden Freiwilligenmeldungen im Heer realistisch erscheint.
Auch die von Minister Klug verfügte Auflösung vomn jeweils einer Kompanie in jedem Bataillon wird es nicht geben. Dieses Vorhaben hätte vielen Unteroffizieren und Chargen die Jobs gekostet. Doskozil hat auch eine klare Botschaft an die Kadersoldaten: "Ihr werdet wieder viel mehr üben." Doskozil vergleicht es mit der Polizei: Jede Einsatzeinheit, die etwa nach Spielfeld ausrücke, komme direkt aus dem Übungsbetrieb.
Auch Gerät soll beschafft werden. Es gibt zwar zehn Milizbataillone in Österreich. Ausrüstung und Gerät ist aber nur für drei vorhanden. Wenn Miliz-Soldaten in den Bundesländern üben, müssen sie sich das Gerät ausborgen. Auch hier zieht Doskozil einen Vergleich mit der Polizei: "Es ist undenkbar, dass sich eine Einsatzeinheit vor dem Einsatz etwa Fahrzeuge zusammensuchen muss."
Zur Frage der schweren Waffen hat Doskozil einen "ideologiefreien" Zugang. Der Generalstab müsse anhand der Gefährdungslage die Notwendigkeiten analysieren und begründen.
Militärmusik
Er ist sogar bereit, über die laufende Demontage der Militärmusiken zu reden. Es müsse eine "aufkommensneutrale" Lösung gefunden werden. Das freut die österreichischen Blasmusikverbände, die mit dem in der Sache besonders engagierten nö. Landesrat Stephan Pernkopf bei Vorgänger Klug vorstellig werden wollten. Sie hatten Ideen, wie man mit Partnerschaften oder Sponsoring die Militärmusik retten könnte. Doch Klug wollte über dieses Thema nicht mehr reden.
Das alles wird mit dem vorhandenen Budget nicht gehen. Ein Budget, das der Milizbeauftragte, Brigadier Erwin Hameseder, bei einer Rede als "nicht mehr verantwortbar" bezeichnete. Über Geld will Doskozil noch nicht reden. Er wolle mit dem Generalstab einen klaren Aufgabenkatalog erstellen. Er sieht aber eine durchaus positive Stimmung im Lande, dass angesichts der aktuellen Krisen und der Positionierung des Bundesheeres als Sicherheitsdienstleister der Wille zur ausreichenden Dotierung gegeben sei.
Kommentare