Direkte Demokratie: Regierung soll Pläne vor 2022 umsetzen
Nach den jüngsten Volksbegehren spricht sich die „Initiative Mehrheitswahlrecht“ für einen raschen Ausbau des Instruments der Direkten Demokratie aus. Den Plan der Regierung, wonach Volksbegehren ab 900.000 Unterstützern in eine Volksabstimmung münden sollen, ist für die Initiative „grundsätzlich akzeptabel“, sagte der frühere Zweite Nationalratspräsident der ÖVP, Heinrich Neisser. Auf die KURIER-Frage, ob der Plan der Regierung nicht vorgezogen werden sollte, antwortete Neisser: „Die Regierung wäre gut beraten, die Durchführung vorzuziehen, und nicht erst im Jahr 2022, was bedeutet, dass es in dieser Periode nicht mehr kommt.“
Angesprochen auf das „Don’t Smoke“-Volksbegehren, das 881.569 Unterschriften bekam, erklärte OGM-Chef Wolfgang Bachmayer, dass es bei einer Volksabstimmung über ein totales Rauchverbot sehr auf die Fragestellung ankommt. Die Parteinähe würde hier eine große Rolle spielen, erklärte Bachmayer.
Politikwissenschafter Klaus Poier findet es auffällig, dass die neue Möglichkeit, Volksbegehren elektronisch und auch abseits der Heimatgemeinde zu unterzeichnen, „zu einem richtigen Push geführt hat“. Es sei wichtig, dass man die modernen Möglichkeiten der Digitalisierung auch als Service in der Demokratie nutze.
"Gewisser Optimismus"
Generell verzeichnete die Initiative nach einem jahrelangen Rückgang bezüglich des Vertrauens in die Politik eine positive Trendwende: Eine Umfrage von OGM, die Anfang September durchgeführt wurde, kommt zu dem Ergebnis, dass 15 Prozent der Befragten annehmen, dass das Vertrauen „gestiegen“ ist. In den Jahren zuvor lag der Wert bei wenigen Prozentpunkten. Auf die Frage, ob das Vertrauen gesunken sei, stimmten dem 53 Prozent der Befragten zu. 2017 waren es 85 Prozent. Zwar hat noch immer eine knappe Mehrheit eher kein oder sehr wenig Vertrauen in die Politik, aber der Anteil der Personen, die der Politik sehr oder eher vertrauen, ist etwas größer geworden. Ein „gewisser Optimismus“ könne daraus geschöpft werden, sagte Neisser und erklärte dies mit der Stimmung in der Regierung. „Die Regierung stellt die Harmonie in den Vordergrund“. Dies habe allerdings nichts mit der Frage zu tun, „wie weit man Inhalte der Regierungspolitik billigen kann“, fügte der ehemalige ÖVP-Politiker hinzu.
Dennoch sollte man sich bewusst sein, dass es europa- und weltweit eine kritische Diskussion über die Demokratie gebe, mahnte Neisser. Die österreichische Demokratie sei sicher stabil, aber es gebe „Erosionsprozesse“, befand Neisser, „denen gegenüber man wachsam sein muss“.
"Keinen organisierten Kampf gegen Medien"
Explizit sprach Neisser etwa die Diskussion über den Umgang von Innenminister Herbert Kickl ( FPÖ) mit den Medien an. „Ich möchte keine Demokratie, wo es einen organisierten Kampf gegen die Medien gibt“, erinnerte Neisser etwa an die USA und ihren Präsidenten Donald Trump, der die Medien als feindlichen Gegner sehe. „Wer die Medien zum Adressaten seines Verfolgungswahns oder zum Mittelpunkt seiner Verschwörungstheorien macht, der erweist der Demokratie keinen guten Dienst.“
Die Parteien nutzten Digitalisierung, um die Glaubwürdigkeit der klassischen Medien zu untergraben, erklärte Politik- und Medienberater Peter Plaikner. Dies mache nicht nur die FPÖ durch Plattformen wie FPÖ-TV, sondern etwa auch die SPÖ mit ihrem „Kontrastblog“. „Das sollte uns mit mehr Besorgnis erfüllen“, denn mit Hilfe von Social Media-Plattformen wie Facebook erreichten „diese Propagandainstrumente“ teils höhere Verteilungsraten als Qualitätszeitungen. Plaikner sprach sich unter anderem für neue Finanzierungs- und Fördermodelle sowie eine intensive Medienbildung aus.
Als weiteren aktuellen Appell der Initiative formulierte Herwig Hösele, es möge angesichts der EU-Wahl im Mai 2019 der europapolitische Diskurs in den nächsten Monaten intensiver werden.
Kommentare