Die Stolpersteine auf dem Weg zu Mitte-Links

Die Stolpersteine auf dem Weg zu Mitte-Links
ÖVP-Chef Kurz startet heute die Sondierungen und könnte in einer neuen Koalition die Spur wechseln. Was ihn erwartet, wer mitredet.

Wie sagt man: Herr Bundeskanzler außer Dienst? Herr Bundeskanzler in spe?

„Herr Bundesparteiobmann Kurz“, sagt Bundespräsident Alexander Van der Bellen nach kurzem Überlegen – und rückversichert sich beim Mann zu seiner Rechten: „Ist der Titel korrekt?“

Sebastian Kurz lächelt zustimmend. Gerade hat er vom Bundespräsidenten den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten. Sein Titel sollte in ein paar Wochen (von Monaten will Van der Bellen nicht reden, sagt er) klarer sein.

Rund eine Stunde haben die beiden hinter der Tapetentür in der Präsidentschaftskanzlei über die anstehenden Koalitionsverhandlungen gesprochen – und darüber, was die neue Regierung, die Wahlsieger Kurz bilden soll, zu leisten hat. Die Punkte des Staatsoberhaupts und des künftigen Regierungschef divergieren etwas.

Andere Prioritäten

Für Van der Bellen steht der „Umgang mit der drohenden Klimakatastrophe ganz oben auf der Agenda“. Kurz nennt dagegen den „drohenden Wirtschaftsabschwung“ als zentrale Aufgabe, zweitens will er weitere Steuerentlastungen, drittens den Weg des „entschlossenen Kampfes gegen illegale Migration“ weitergehen.

Klimaschutz kommt beim ÖVP-Chef erst auf Platz vier. Eine unabhängige Justiz und „Sensibilität in Fragen der Sicherheit“, die für Van der Bellen besonderes Gewicht haben, kommen bei Kurz gar nicht vor.

Und noch einen Wunsch hatte das Staatsoberhaupt: „Die amtierende Bundesregierung besteht je zur Hälfte aus Frauen und Männern, und ich fände es gut, wenn auch in der künftigen Bundesregierung der Frauenanteil entsprechend hoch ist.“

An alle Parteien appelliert Van der Bellen, „ehrlich, ernsthaft und ohne versteckte Agenda“ zu verhandeln und „das Wohl Österreichs über allfällige parteitaktische Interessen“ zu stellen.

Parteichef-Speed-Dating

ÖVP-Chef Kurz startet heute, Dienstag, mit den Sondierungen. Den Anfang macht SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, die Kurz um 11 Uhr im Winterpalais in der Himmelpfortgasse zum Vier-Augen-Gespräch trifft. Um 15 Uhr geht es mit FPÖ-Chef Norbert Hofer weiter. Am Mittwoch um 11 Uhr trifft Kurz dann Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger, als letzter ist um 17.30 Uhr Grünen-Chef Werner Kogler dran.

Die Vier-Augen-Gespräche werden ein erstes Vorfühlen – und ein Stimmungstest nach diesem langen, aufreibendenden Wahlkampf.

Die meisten Gemeinsamkeiten hat die ÖVP bekanntlich mit der FPÖ. Parteichef Hofer, der im Wahlkampf noch beharrlich um die Gunst des Ex-Partners warb (inklusive Paartherapie-Video), sieht sich nach einem Minus von fast zehn Prozentpunkten aber eher auf der Oppositionsbank. Womit die „ordentliche Mitte-Rechts-Politik“, die sich Kurz gewünscht hatte, wohl vom Tisch wäre.

Mit SPÖ und Grünen ginge die Reise in Richtung Mitte-Links. Der KURIER hat sich angeschaut, wo auf diesem Weg die Stolpersteine liegen – und mit welchen Gegenspielern die Türkisen dabei konfrontiert sein werden.

Kommentare