"Die Schlepper können die Sektkorken knallen lassen"

"Die Schlepper können die Sektkorken knallen lassen"
Eine Obergrenze wirft viele neue Probleme auf, lautet der Tenor in der internationalen Presse.

Die Ankündigung Österreichs, Obergrenzen für Aufnahme für Flüchtlinge einzuführen, war am Donnerstag Inhalt zahlreicher Pressekommentare:

Neue Zürcher Zeitung:

"Das Problem dieses unter starkem innenpolitischem Druck ausgeführten "Plans B" ist allerdings, dass die Restriktionen für die Einreise sehr beschränkt und deshalb relativ wirkungslos bleiben. Die Hoffnung, dass Obergrenzen alleine Kriegsflüchtlinge von ihrer gefährlichen Reise abhalten, erscheint naiv. Eine tatsächliche Grenzschließung in Deutschland, wie sie auch in jüngst bekannt gewordenen Planspielen der Regierung durchexerziert wurde, würde einen Rückstau unvermeidlich machen. Die Frage ist dann lediglich, ob man diesen an der Schengen-Aussengrenze zwischen Slowenien und Kroatien oder aber an der griechischen Nordgrenze zu Mazedonien in Kauf nimmt."

Tages-Anzeiger (Zürich):

"Was macht Österreich mit dem Antrag Nummer 37 501? Sollen Polizei und Armee die Flüchtlinge mit Gewalt zurück nach Slowenien drängen? Will die Regierung die Genfer Flüchtlingskonvention brechen? Was ist mit Flüchtlingen, die weiter nach Deutschland wollen? Werden sie durchgelassen? Statt Antworten gibt es nur: dichten Nebel. (...) Europas Flüchtlingspolitik 2016: Dominoeffekt statt Verteilung der Last. Und irgendwann, wahrscheinlich sehr bald, bleibt das Problem wieder an Griechenland hängen. Aber die Nebelwerfer in Wien und in anderen Hauptstädten können stolz verkünden: Mission erfüllt, die Grenzen sind dicht."

Frankfurter Allgemeine:

"Es ist daher faktisch nur ein kleiner, psychologisch aber doch recht großer Schritt (...). Denn die längste Zeit bot die Koalition in der Hauptstadt der Bälle nicht das Bild eines eleganten Walzers, sondern eher einen Anblick wie beim Kinderspiel des Luftballontanzes (...). Erst in den letzten Tagen konnte man den Eindruck gewinnen, dass die beiden Partner der sogenannten großen Kolaition in der Flüchtlingsfrage in eine gemeinsame Richtung ziehen. Und diese Richtung lautet: Die Flüchtlingszahlen sollen begrenzt werden. Ende der Willkommenskultur."

Die Welt (Berlin):

"Just am Tag, als Angela Merkel den Gang nach Kreuth wie nach Canossa antritt, da sich der Bundespräsident von ihrer Politik der offenen Tür distanziert, tun ihr die österreichischen Großkoalitionäre den Gefallen, die Grenze zum Balkan dichtzumachen und den Flüchtlingsstrom zu kappen. Nun könnte Österreich Merkel Luft verschaffen und den Weg weisen in eine Diskussion über Grenzen und Obergrenzen. Österreich tut, was inzwischen auch Merkels Partner SPD fordert. Trotz Köln könnte Merkel so mit einer positiven Bilanz ins Superwahljahr 2016 gehen. Woran auch die von Populisten bedrängten politischen Freunde in Wien ihr Interesse haben."

Frankfurter Rundschau:

"Obergrenze" - das klingt nach Klarheit in der Flüchtlingsdebatte. Der Beschluss der Österreicher, nur eine bestimmte Zahl Asylbewerber aufzunehmen, schafft aber mehr Unklarheit - rechtlich, aber auch faktisch. Dass die Zahl sich mit schärferen Kontrollen reduzieren ließe, ist nichts als eine Nebelkerze. In Österreich sind die meisten Ankömmlinge Syrer, Iraker, Afghanen. Die Algerier und Marokkaner, von denen seit Jahresbeginn die Rede ist, machen nur eine Minderheit aus. Mit den beschlossenen Schikanen und Mittelkürzungen für Asylbewerber bekommt Österreich höchstens ein Integrationsproblem(...). Nur als Drohung kann die Obergrenze wirken. Sie kann die Balkanstaaten dazu veranlassen, das zu tun, wovor Wien doch zurückschrecken wird: keinen mehr durchzulassen. Die Schlepper können die Sektkorken knallen lassen."

Mitteldeutsche Zeitung (Halle):

"Mit den beschlossenen Schikanen und Mittelkürzungen für Asylbewerber schließlich wird Österreich sich höchstens ein massives Integrationsproblem einfangen, Es hilft nichts: Wer die Zahl spürbar verringern will, muss Bürgerkriegsflüchtlinge an der Grenze abweisen. Auf die Frage, wie das mit der Verfassung, den Menschenrechten und der Flüchtlingskonvention vereinbar sein soll, sind die Wiener Regierungsspitzen die Antwort schuldig geblieben. Es wird eine Drohung bleiben. Sie kann die Balkanstaaten dazu veranlassen, das zu tun, wovor Wien letztlich doch zurückschrecken wird: Nämlich keinen mehr durchzulassen."

Kommentare