Die rote Stehauf-Frau? Wer die besten Chancen auf die SPÖ-Spitze hat
Mit Kärnten wählt am Sonntag das zweite Bundesland in diesem Halbjahr. Auf ein politisches Dauerthema – nämlich die Frage, wer die SPÖ in die Nationalratswahl führen soll – hat Kärnten nur bedingt Einfluss.
Aus den wenigen vorhandenen Umfragen geht hervor, dass das größte Asset der SPÖ bei dieser Landtagswahl ihr Landeshauptmann ist. Deshalb war die gesamte Wahlbewegung auf Peter Kaiser zugeschnitten: „Ein echter Landeshauptmann“, lautete der Slogan.
Kaiser startet von einem hohen Niveau (48 Prozent), und die Landes-SPÖ erwartet, dass sie vor allem von Corona-Nachwehen getroffen wird. Man rechnet mit einem Ergebnis zwischen 41 und 46 Prozent. Alles darunter wäre enttäuschend.
Teuerung überdeckt Intrigen
Rückenwind von der Bundesebene, wo man in Opposition ist, war für die Kärntner SPÖ nicht zu spüren.
Aber: Auch der Einfluss, den die rote Personaldebatte auf Kärnten hat, wird überschätzt. Angesichts von elf Prozent Teuerung bei den wichtigsten Gütern des Lebens sind Partei-Intrigen dem Wähleralltag noch ferner als sonst. Wohl auch deshalb droht der ÖVP Kärnten ein empfindliches Abrutschen von 15 in Richtung 10 Prozent.
Doch zurück zur Bundes-SPÖ: Hier beweist Parteichefin Pamela Rendi-Wagner einmal mehr Qualitäten als Stehauf-Frau.
Eine unklare Bemerkung von Bürgermeister Michael Ludwig in Wiener SPÖ-Gremien hat vergangene Woche den Weg in die Medien gefunden – und die Personaldebatte befeuert.
Punktesieg für Rendi-Wagner
Was war passiert? Ludwig hat auf die Wortmeldung eines Funktionärs geantwortet: Es stimme, dass die SPÖ mit Inhalten nicht durchkomme, deshalb müsse sie nach den Landtagswahlen die Personaldebatte in den Griff bekommen. Ein Bekenntnis zu Rendi-Wagner wollen manche Sitzungsteilnehmer nicht gehört haben; andere sehr wohl. Als der KURIER und andere Medien darüber berichteten, legte Ludwig jedenfalls öffentlich ein Bekenntnis zur SPÖ-Chefin ab.
Mit dieser Rückendeckung hat Rendi-Wagner einen Punktesieg erzielt.
Potenzielle Alternativen wie Alexander Wrabetz scheinen aus dem Rennen.
Zweikampf
Letztlich dürfte sich das Match auf Rendi-Wagner gegen Hans Peter Doskozil zuspitzen – und das spätestens nach dem 23. April, dem Tag der Salzburg-Wahl.
In der Partei fühlen sich manche schon an den Frühling 2016 erinnert. Damals bildete sich eine Länderachse gegen Werner Faymann. Und am Ende waren es unter anderem die Steiermark und Niederösterreich, die – mit dem Sanktus von Wiens Michael Häupl – eine Mehrheit für Christian Kern organisierten.
Dieser Mechanismus könnte sich nun wiederholen. Auch jetzt vernetzen sich die Landesparteien jenseits der Wiener Stadtgrenze, um Optionen zu prüfen – freilich mit einem Unterschied. „Der Unmut über die Wiener Genossen ist heute viel größer“, erzählt ein Landesparteichef dem KURIER. Der Grund: Die marode Lage der Bundespartei sei zu einem Gutteil mit dem Tun bzw. der Untätigkeit der Wiener SPÖ zu erklären. „Darüber müssen wir dringend reden“, sagt der Landesparteichef. „Und dass das nicht bis 2024 Zeit hat, ist allen klar, denen die Sozialdemokratie am Herzen liegt.“
Wer die besten Karten hat: Sechs Kandidaten im "Nelk-O-Meter"
Pamela Rendi-Wagner konnte aus dem Ibiza-Skandal kein Kapital schlagen, die SPÖ verlor mit ihr als Spitzenkandidatin bei der Neuwahl 2019 5,7 Prozentpunkte. Nach vielen ÖVP-Skandalen und Krisen stieg die SPÖ im Sommer 2022 zwar auf Platz 1 in den Umfragen, musste diesen Platz aber bald an die FPÖ abtreten.
Gegen Rendi-Wagner sprechen ihre Eigenfehler und mangelnde Erfolgschancen.
Für Rendi-Wagner spricht, dass ihr Herausforderer Doskozil parteiintern polarisiert und ihm die Angriffe auf sie verübelt werden.
Das Nelk-O-Meter* sagt: vier von fünf Nelken
*Das „Nelk-O-Meter“ zeigt die Wahrscheinlichkeit, dass der- oder diejenige die Bundes-SPÖ übernimmt.
Michael Ludwig ist erst mit 57 Jahren Bürgermeister von Wien geworden und hat wenig Lust, dieses Amt für die vergleichsweise unerquickliche Bundespolitik aufzugeben. Ludwig ist intellektuell versiert und ein politischer Vollprofi. Er hat eine Kampfabstimmung gewonnen und die zerstrittene Wiener SPÖ binnen kurzer Zeit befriedet.
Für Ludwig spricht: Er ist verbindend, ihn würden viele akzeptieren. Seine mangelnde Akzeptanz im Westen könnte er im wählerstarken Osten wettmachen.
Gegen Ludwig spricht: Er will weiter Bürgermeister sein.
Das Nelk-O-Meter sagt: zwei von fünf Nelken
Burgenlands Landeshauptmann ist überzeugt, dass er die Nationalratswahl für die SPÖ gewinnen könnte. Hans Peter Doskozil will es einfach wissen. Er arbeitet seit Monaten auf das Ziel der Spitzenkandidatur hin, hat sein Team darauf eingestellt und gewinnt zunehmend Vertrauensleute in anderen Bundesländern.
Für Doskozil sprechen die Umfragen, sein unbedingter Siegeswille und die besseren handwerklichen Fähigkeiten.
Gegen ihn spricht, dass er Teilen der SPÖ zu rechts ist. Und man kreidet ihm die Angriffe auf Rendi-Wagner an.
Das Nelk-O-Meter sagt: vier von fünf Nelken
Ex-Kanzler Christian Kern ist gebildet und belesen. Er ist ein exzellenter Kommunikator, kennt sich in der Politik aus und besitzt Fachwissen in aktuell wichtigen Bereichen: Energie, Verkehr, Umwelt. Kern hat aber große Schwächen gezeigt: zu starken Hang zur Selbstdarstellung, Sprunghaftigkeit – und zudem mangelndes Interesse an der Partei und ihrem Innenleben. Wie chaotisch er 2018 die SPÖ verlassen hat, das haben die Funktionäre nicht vergessen.
Das Gegen überwiegt das Für, daher wird es keine zweite Chance für ihn geben.
Das Nelk-O-Meter sagt: eine von fünf Nelken
Eigentlich hätte Alexander Wrabetz ganz gute Voraussetzungen für einen erfolgreichen Spitzenkandidaten: Er hat sein ganzes Leben am Rande der Politik verbracht. Er weiß daher, wie Politik und das Land insgesamt funktionieren. Trotz allem aber hätte er den Nimbus des Quereinsteigers mitgebracht. Und: Er hat sich 15 Jahre an der ORF-Spitze gehalten.
Das spräche für Wrabetz. Gegen ihn spricht, dass er in der Partei nicht stark verankert ist und einen eher ausschweifenden Lebensstil pflegt – inklusive einer stattlichen ORF-Pension.
Das Nelk-O-Meter sagt: eine von fünf Nelken
Die zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures fungiert seit Jahrzehnten als loyale Parteisoldatin im Hintergrund. Wenn in der Kasse Ebbe herrschte, wenn ein Wahlmanager unpässlich wurde, wenn dringend eine Bundesgeschäftsführung gebraucht wurde – Bures war stets bereit, einzuspringen. Derzeit ist sie die bestimmende Kraft hinter Rendi-Wagner und dem Team in der Löwelstraße.
Für Bures spricht ihre große politische Erfahrung.
Gegen sie werden Machtallüren und Entscheidungen im kleinsten Wiener Kreis ins Treffen geführt.
Das Nelk-O-Meter sagt: zwei von fünf Nelken
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