Die Öko-Revolution: Sichere Jobs im grünen Bereich
Mehrere Milliarden Euro will die türkis-grüne Regierung in den nächsten Jahren in ihr Klimapaket investieren – um dem Ziel, dass Österreich bis 2040 klimaneutral ist, näherzukommen.
Das Geld sei nicht das Problem, heißt es bei den Grünen, die mit dem Paket viele ihrer langjährigen Forderungen erfüllt sehen. Das Problem wird eher sein, die Jobs zu besetzen, die sich aus diesen Investitionen ergeben, so der Sukkus des KURIER-Rundrufs bei verschiedenen Betrieben und Institutionen.
Es scheint wie ein Luxusproblem, dabei hebt die Klimaoffensive den altbekannten Fachkräftemangel nur auf eine neue Ebene. Der grüne Energie- und Klimasprecher Lukas Hammer, früher bei Greenpeace, betont: „Wir brauchen jede einzelne Arbeitskraft. Uns bleibt keine Zeit, wir müssen morgen anfangen.“
Eine Ausbildungsoffensive und Umschulungen brauche es aber nicht nur in jenen Sparten, die beim Stichwort „green jobs“ auf der Hand liegen – Umwelttechnik, Forschung etc. Einen Boom dürften auch klassische Handwerksberufe erfahren, die bis dato kein grünes Markerl tragen.
Klassisches Handwerk
„Das sollten wir jetzt dranhängen“, sagt Alfred Freundlinger, Leiter der bildungspolitischen Abteilung der Wirtschaftskammer. Als Beispiel nennt er den Installateur: „Ein alter, technischer Lehrberuf mit einem ökologischen Bezug, der modern umgestellt wird.“
Ebenso die Baubranche mit einer breiten Palette an Facharbeiter-Jobs. Die aktuelle Sanierungsrate soll verdreifacht werden, Österreichs Gebäude müssen rasch umfassend energetisch saniert werden. Noch hält sich unter den Jugendlichen das Interesse an den Lehrstellen aber in Grenzen.
Energiewende
Indes melden viele Betriebe, die dem Öko-Trend folgen, verstärkten Bedarf an. Kostprobe gefällig? Der KURIER hat sich exemplarisch einige Berufe angeschaut (siehe unten).
Gemischte Gefühle hat Martin Jaksch-Fliegenschnee, wenn er das Regierungsprogramm betrachtet. Es freut den Sprecher des Windkraft-Dachverbandes, dass vorgesehen ist, die Windkraft von derzeit sechs Terawattstunden bis 2030 um zehn Terawattstunden zu erhöhen. „Erstmals sind von der Politik nicht nur nette Ziele, sondern konkrete Maßnahmen definiert worden.“
Allein: Auch hier fehlen Experten, die die Energiewende in die Tat umsetzen sollen. Im Burgenland, wo viele Windräder stehen, gab es den österreichweit einzigen Lehrgang für Mechatronik mit Schwerpunkt auf Windenergie. Ob wieder einer gestartet wird, ist offen.
240.000 Arbeitsplätze
Ähnlich verhält es sich mit der Sonnenenergie: Das Ausbauziel von elf zusätzlichen Terawattstunden bis 2030 (2018 wurden nur rund 1,4 TWh Sonnenstrom produziert) ist nicht einmal mit dem Eine-Million-Dächer-Programm der Regierung zu schaffen, meint Vera Immitzer vom Dachverband PV-Austria. Die Regierung müsse sich überlegen, welche Flächen man zusätzlich nutzen kann.
Vor allem aber brauche es Experten, die diese Sonnenstrom-Anlagen installieren können. „Aufgrund des unsicheren Marktes in den vergangenen Jahren hatten die Firmen wenig Anreiz, in die Ausbildung zu investieren. Jetzt scheint eine echte Kontinuität langsam sichtbar, unsere Kurse sind inzwischen auch gut gebucht“, sagt Immitzer. Bis zu 240.000 Arbeitsplätze könnte die Branche bis 2030 bereitstellen.
In Sachen Fachkräftemangel setzt das türkise Wirtschaftsministerium aktuell Schritte zur Aufwertung der Lehre. Die Grünen wollen auch Umschulungen für ältere Arbeitnehmer forcieren.
Jobs mit Zukunft sind:
Alte Ölheizungen müssen raus – und neue, saubere rein
Bis 2035 müssen per Gesetz sämtliche Ölheizungen aus den Wohnungen der Österreicher verschwunden sein – 600.000 sind es aktuell. Entsprechend groß wird der Bedarf an Fachkräften sein.
Und zwar an spezialisierten Installateuren, die nicht nur die alten Ölheizungen ausbauen, sondern auch neue, saubere Heizformen installieren können.
Zum klassischen Lehrberuf „Sanitär-, Heizungs- und Lüftungstechniker“ gibt es die fachliche Vertiefung für Ökoenergietechnik bzw. Zusatzausbildungen als Energieberater.
Im ganzen Spektrum der Baubranche braucht es deutlich mehr Facharbeiter, wenn man bedenkt, dass die aktuell zwei Millionen Gebäude in Österreich irgendwann saniert bzw. moderne, klimaneutrale Häuser gebaut werden müssen.
- Aus- und Weiterbildung:
3-4 Jahre Lehre, Qualifizierung zum Energieberater möglich.
- Verdienst:
690 Euro brutto im 1. Lehrjahr, Einstiegsgehalt ab 2.130 Euro.
Spezialisten reparieren Flügel in 150 Metern Höhe
Die Regierung will die Windenergie deutlich ausbauen, dazu sollen zusätzliche Windräder gebaut werden. Auf dem Gebiet sind Maschinenbauer und Mechatroniker die Experten.
Nach Lehre bzw. Studium werden sie in den einzelnen Unternehmen gezielt für die jeweilige Bauart ausgebildet. So spezialisiert, klettern sie dann die bis zu 150 Meter hohen Türme hinauf, um jedes Rotorblatt zu untersuchen und zu warten. Die Jobs sind gut bezahlt, weiß Martin Jaksch-Fliegenschnee von der IG Windkraft.
Techniker braucht es auch angesichts des geplanten Photovoltaik-Ausbaus. Marktführer bei der Panelproduktion ist zwar China, zwei österreichische Firmen (Energetica und Kiotosolar) produzieren aber auch in Österreich.
- Ausbildung:
3,5 bis 4 Jahre Lehre bzw. Bachelor-Lehrgang etwa an der FH Technikum Wien.
- Verdienst:
Nach Metaller-Kollektivvertrag ca. 2.400 Euro brutto, Überzahlung je nach Berufspraxis.
ÖBB suchen 2.000 neue Lokführer in fünf Jahren
Klimaschonender Nahverkehr ist Trend – und dürfte noch kräftig ausgebaut werden. Darauf stellen sich die ÖBB ein. Bis 2025 werden rund 2.000 neue Lokführer gebraucht, alleine heuer suchen sie u.a. wegen Pensionierungen 500.
Neue Leute würden in der gesamten Berufspalette gesucht, heißt es aus der Konzernzentrale.
„Der Fachkräftemangel betrifft natürlich auch uns – allerdings sind unsere Kurse immer gut gefüllt und wir sind gut im Plan.“ Die Ausbildung zum Triebfahrzeugführer dauert etwas länger als ein Jahr.
Wesentlich flotter kann man Busfahrer werden: Nur sechs bis zehn Wochen dauert der Bus-Führerschein plus Berufskraftfahrer-Prüfung, das Mindestalter liegt bei 21 Jahren.
- Innerbetriebliche Ausbildung:
Triebfahrzeugführer ist man nach 42 lernintensiven Wochen und 26 Wochen in der Praxis.
- Verdienst:
1.960 Euro als Nachwuchskraft, nach Abschluss 2.525 Euro plus Nebenbezüge und Prämie.
Recycling: Müll von gestern als Rohstoff von morgen
„Vermeiden, Wiederverwenden und Verwerten“ – das sind die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft, die im Regierungsprogramm prominent vorkommt. Dazu gehört die Entwicklung und Produktion langlebiger Produkte, aber auch der Umgang mit Müll.
Geforscht wird aktuell etwa zu kompostierbarer Kleidung oder Plastik, das weniger Qualität hat, dafür aber auch weniger Müll produziert („downcycling“).
Recyclingtechniker sind laut AMS in fast allen technisch-industriellen Betrieben gefragt. Der Trend ist steigend.
Ein Bachelorstudium für Bio- und Umwelttechnik gibt es an der FH in Wels, Oberösterreich. Ein berufsbegleitendes Studium für „nachhaltiges Ressourcenmanagement“ bietet das Vienna Biocenter an.
- Wege zum Job:
Lehre zum Recyclingfachmann bzw. Studium Umwelttechnik.
- Verdienst:
Nach Lehre ca. 1.500 Euro, nach Studium ab 2.280 Euro.
Jung-Forscher bringen Mobilität in den grünen Bereich
Österreich gilt als Vorreiter bei Umwelttechnologien. Das Wissen aus Forschung und Entwicklung wird in die ganze Welt exportiert.
Intensiv geforscht wird aktuell etwa an erneuerbarem „grünen Gas“, das Erdgas eines Tages ablösen soll. Und die voestalpine erzeugt in Linz gerade in der weltgrößten Pilotanlage „grünen Wasserstoff“.
Die Reduktion von ist eines der wichtigsten Klimaziele der türkis-grünen Regierung – da ist die Automobilindustrie besonders gefordert.
Bei der FH Joanneum in Graz liegt ein Fokus auf dem Transportsektor, der noch zu über 95 Prozent mit fossilen Brennstoffen betrieben wird.
Die Dichte an Forschungszentren ist in der Steiermark hoch, Nachwuchs scheint da bestens aufgehoben.
- Universitäre Laufbahn:
Die Steirer sind führend: Ein Studium empfiehlt sich etwa an der FH Joanneum bzw. der TU Graz.
- Gehaltsspanne:
Jahresgehalt für wissenschaftliche Mitarbeiter mindestens 30.000 Euro, viel Luft nach oben.
Waldbrände und Fluten: Forstwirte sorgen für Sicherheit
In Australien ist erst kürzlich Waldgebiet in der Größe Österreichs abgebrannt, danach gab es Überflutungen. Solche Naturkatastrophen sind auch hierzulande nicht ausgeschlossen. In Zeiten des Klimawandels wird deshalb die Landschaftspflege immer wichtiger.
Gefragt sind Land- und Forstwirtschaftstechniker, ein entsprechendes Bachelor-Studium bietet die Universität für Bodenkultur (Boku) in Wien an. In leitender Position gehören vor allem die nachhaltige Bewirtschaftung des Waldbestands und die Schädlingsbekämpfung zu ihren Aufgaben.
Eine Lehre zum Forstfacharbeiter machen derzeit 85 junge Menschen. Die Nachfrage ist laut AMS stabil: 214.000 Waldbesitzer gibt es österreichweit, die Steiermark, Niederösterreich und Kärnten gelten als die waldreichsten Gebiete.
- Know-how:
Lehre zum Forstfacharbeiter dauert 3 Jahre, den Bachelor als Forstwirt gibt es an der Boku in Wien.
- Beschäftigung:
Bundesforste, Natur- und Umweltbehörden. Ca. 2.300 Euro brutto, mehr bei privaten Forsten.
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