Die neue SPÖ: Babler macht vieles selbst – und überrascht

Er hat sich für die schlanke Version entschieden: Bratwurst statt Käsekrainer. Volksnah, im Beisein von Wiens Bürgermeister Michael Ludwig, nimmt SPÖ-Parteichef Andreas Babler sein Mittagsessen bei einem Würstelstand vor dem Parlament ein. Babler wirkt gelöst – obwohl es ein Tag heikler Personalentscheidungen ist.
Das dürfte auch daran liegen, dass diesmal in den SPÖ-Gremien weitestgehend Einigkeit herrscht. Ein krasser Gegensatz zu Treffen der vergangenen Monate. Bablers Personalvorschläge für die Bundesgeschäftsführung und den Klub werden im Tagesverlauf – fast durchgehend – einstimmig angenommen.
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Was bereits am Montag durchsickerte: Andreas Babler macht vieles selbst. Der neue SPÖ-Parteivorsitzende wird nämlich auch neuer Klubchef. Das ist deshalb möglich, weil er für die SPÖ im Bundesrat sitzt. Babler hat somit aktuell vier Ämter innen: Partei- und Klubvorsitz, Bundesrat und Traiskirchner Bürgermeister.
Vier Klubchefs?
Im Nationalrat darf Babler dennoch nicht sprechen. Deshalb hat er den Kärntner Philip Kucher als „geschäftsführenden Klubchef“ eingesetzt. Ein Zugeständnis an das „Doskozil-Lager“: Der Klagenfurter war einer der ersten prominenten Fürsprecher von Burgenlands Landeshauptmann.
Kucher soll übrigens, heißt es aus der SPÖ, auch das Gehalt des Klubobmannes beziehen. Der bisherige Stellvertreter von Ex-Klubchefin Pamela Rendi-Wagner, Jörg Leichtfried, verliert seinen Posten hingegen.
Dafür hat Kucher mit Umweltsprecherin Julia Herr und Frauensprecherin Eva-Maria Holzleitner nun zwei Stellvertreterinnen. Beide wurden zuvor als Favoritinnen für die Klubführung gehandelt. Zwei Stellvertreterinnen für zwei männliche Chefs – reicht das für eine deklariert feministische Partei wie die SPÖ aus? Es sei ohnehin eine „Team-Lösung“, betont Babler. Insofern sei die neue Klubführung – zwei Männer, zwei Frauen – sehr wohl ausgewogen.
Kucher im Porträt:
Der Klagenfurter Philip Kucher hätte beste Chancen gehabt, neuer Klubchef der SPÖ zu werden – wenn Hans Peter Doskozil Parteichef geworden wäre. Dass er diesen Posten nun als „geschäftsführender Klubchef“ de facto trotzdem übernimmt – Klubchef wird formal Babler –, überrascht aber nur auf den ersten Blick.
Kucher wird im SPÖ-Klub als Redner geschätzt. Er hat parteiintern und in anderen Fraktionen eher wenige Gegner, gilt als gesellig und freundlich. Politiker wollte der 41-Jährige laut eigenen Angaben schon als Volksschüler werden. Als einziger von Bablers neuem Kernteam hat er sein Handwerk nicht in der Sozialistischen Jugend, sondern im VSStÖ an der Uni Klagenfurt erlernt. Kucher sitzt seit 2013 im Nationalrat. In der Pandemie unterstützte er Ex-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner als Gesundheitssprecher – fiel in dieser Rolle jedoch nicht weiter auf.
Nun tritt er auf eine noch größere Bühne. Wie häufig? Das hängt davon ab, wie viele Auftritte ihm Babler überlässt. Mit einem Bein wird sich Kucher wohl weiterhin in Kärnten bewegen. Mögliches, langfristiges Ziel: der Bürgermeister-Posten in Klagenfurt.
Etwas weiblicher wird auch die Bundesgeschäftsführung, die zuletzt Christian Deutsch innehatte. Babler hat sich für eine Doppelspitze entschieden – und setzt auf zwei weitestgehend Unbekannte: den niederösterreichischen Kampagnen-Experten Klaus Seltenheim und die Wiener Gewerkschafterin Sandra Breiteneder (siehe unten). Beide sitzen nicht im National- oder Bundesrat, genießen damit keine parlamentarische Immunität und werden sich somit bei öffentlichen Auftritten eher zurückhalten müssen.
Ihre möglichen Einsatzgebiete: Seltenheim könnte bereits den kommenden Nationalratswahlkampf planen, Breiteneder pressierende organisatorische Fragen übernehmen. Etwa, ob die SPÖ in ihrer Parteizentrale in der Wiener Löwelstraße bleibt.
Seltenheim und Breiteneder im Porträt:
Klaus Seltenheim stellt nun mit Sandra Breiteneder die Bundesgeschäftsführung der SPÖ. Er kennt die Bundesgeschäftsstelle bereits, fiel der Personalreduktion seines Vorgängers Christian Deutsch zum Opfer. 2021 orchestrierte er dann den Wahlkampf von St. Pöltens Bürgermeister Matthias Stadler – der mit rund 56 Prozent die Absolute verteidigte. Ein Erfolg, der Seltenheim zu höheren Weihen qualifizierte: In der SPÖ Niederösterreich wurde er kurz darauf Co-Landesgeschäftsführer von Wolfgang Kocevar.
Er war also auch für den Wahlkampf des Spitzenkandidaten Franz Schnabl mitverantwortlich, der Ende Jänner drei Prozentpunkte verlor und auf 20,6 Prozent abrutschte. Schnabls Nachfolger Sven Hergovich setzte Wolfgang Zwander als neuen Landesgeschäftsführer ein.
Und Seltenheim? Hat jetzt sogar eine zentrale Rolle in der Bundespartei inne. In der SPÖ NÖ genießt er trotz der Wahlniederlage übrigens einen guten Ruf – als „fleißiger, introvertierter Marketing-Experte“. Was Seltenheim eher nicht sei, so ein Weggefährte: „Er ist keine Rampensau, also eher kein Gesicht für die Außenkommunikation.“
Sie war bisher auch in der SPÖ nur Insidern ein Begriff, nun leitet sie mit Klaus Seltenheim die Bundesgeschäftsstelle in der Löwelstraße: die Wienerin Sandra Breiteneder. Sie kommt aus der Privatangestellten-Gewerkschaft (GPA), arbeitete für den vormaligen EU-Abgeordneten Hannes Swoboda und im Kabinett der früheren Staatssekretärin Muna Duzdar (SPÖ). Ihre politische Heimat: die SPÖ Ottakring. Zuletzt war sie auch im Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds (WAFF) tätig.
Breiteneder hat unter anderem eine Kampagne gegen „Hass im Netz“ koordiniert, parteiintern gilt sie als Arbeitsmarktexpertin und als Babler-Unterstützerin der ersten Stunde. Sie gehört zu jenem linken Flügel der SPÖ, der schon 2019 Unzufriedenheit mit der Amtsführung Pamela Rendi-Wagners äußerte – und deshalb auch kleinere Flashmobs gegen die Parteispitze organisierte.
Breiteneder war damals Schriftführerin im Verein „Machen wir was“. Nun ist sie dort Finanzreferentin. Der Verein verwaltete die Spenden für Bablers Vorwahlkampf zur Mitgliederabstimmung. Breiteneder ist somit die engste Vertraute Bablers in der neuen SPÖ-Führung.
Keine Querschüsse
Auch die SPÖ Niederösterreich, die sich beim Parteitag öffentlich pro Doskozil positioniert hat, unterstütze mittlerweile Babler „zu 100 Prozent“, meinte Landeschef Sven Hergovich zum KURIER.
Ob es am Personalpaket, insbesondere an der Aufwertung Kuchers, liege, dass nun seit langer Zeit wieder einmal Einstimmigkeit herrsche? Hergovich widerspricht: Er sei der Partei loyal, nicht einer Person. Der Parteivorsitzende könne sein Team ja selbst aussuchen.
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