Die Grenzen der Selbstinszenierung

Die Grenzen der Selbstinszenierung
Besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen – nur so lassen sich manche Polit-Auftritte erklären. Wo hört sich der Spaß auf?

In der Linken das dampfende Bügeleisen, in der Rechten ein frisch geplättetes Hemd, so riss SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner jüngst in einem burgenländischen Bierzelt die Arme in die Luft – sie hatte tatsächlich ein Bügel-Duell gewonnen.

Die SPÖ-Chefin beim Wettbügeln? Vor Publikum? Ernsthaft?

Nicht nur ultra-feministische Beobachter dürfte der Auftritt zart irritiert haben. Und daran konnte vermutlich auch der Umstand nicht viel ändern, dass Rendi-Wagners Gegner der ausgewiesene Bügel-Profi und Landeshauptmann Hans Peter Doskozil war.

Die Grenzen der Selbstinszenierung

Als „kurioses Duell“ bezeichnete der Boulevard in nobler Zurückhaltung das Aufeinandertreffen. Aber war es das? War es nur kurios – oder nicht schon peinlich? Und falls ja – warum eigentlich?

Authentizität ist Trumpf

Wer etwas darüber erfahren will, was Politiker im Wahlkampf tun dürfen, und was sie besser bleiben lassen, der muss mit Menschen wie Stefan Sengl sprechen.

Der SPÖ-nahe Agenturchef hat einst erfolgreich die Kampagne von Bundespräsident Heinz Fischer geleitet. Und schon damals gab es Auftritte, die zumindest unerwartet waren. So hat der 65-jährige Präsidentschaftskandidat als „DJ Heifi“ Wahlkampfauftritte erledigt. Bestand da nicht die Gefahr, als zwangsoriginell zu gelten?

Sengl verneint. „Wir hatten eigentlich keine Angst, dass das nach hinten losgehen könnte.“ Warum? „Weil es authentisch war: Heinz Fischer ist Jazzliebhaber, er hat eine Menge Platten – und bei den DJ-Auftritten konnte er eine neue, nahbare Facette seiner Person zeigen.“

Wenn Politiker eine ungewohnte, aber authentische Seite preisgeben, kann es also funktionieren.

Es kann aber auch ganz anders ausgehen.

Sandalen und Gummistiefel

Beispiele für PR-technische Bauchflecke im Wahlkampf gibt es zuhauf und in allen Lagern.

1987 etwa ging ein Foto von Alois Mock durch die Weltpresse – der Außenminister hatte sich bei einem Staatsbesuch mit Sandalen, T-Shirt und Bermudas neben Jordaniens König ablichten lassen – ein kleidungstechnischer Supergau.

Zehn Jahre später ließ sich Bundeskanzler Klima zum Hochwasser nach Hirtenberg fliegen – die Gummistiefel, in denen er für die Fotos durchs Wasser watete, wurden zum Symbol für Überinszenierung. Und gut zwei Jahrzehnte später, im Sommer 2018, fiel Außenministerin Karin Kneissl bei ihrer Hochzeit vor Russlands Präsident Putin auf die Knie. Die Bilder? Ein PR-Fiasko.

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Der legendäre Kniefall bei der Hochzeit von Ex-Außenministerin Karin Kneissl vor Kremlchef Putin

Gesegnet seist du, Sebastian

Gestolpert, wenn auch nur im übertragenen Sinn, ist zuletzt Sebastian Kurz – in eine öffentliche Segnung bei einem evangelikalen Großevent in Wien, die dem ÖVP-Chef sichtlich unangenehm war. Versteinert ließ er den Moment geschehen, der für ihn tatsächlich bemerkenswert war. Denn seit Kurz als Chef der Jungen ÖVP auf dem „Geil-o-mobil“ lächelnd erklärt hatte, was er mit dem Satz „Schwarz macht geil“ genau meint, gab es keinen öffentlichen Auftritt von ihm, der in die Kategorie Fettnäpfchen fallen würde.

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Ein anderer Kanzler, Ex-SPÖ-Chef Christian Kern, sah sich wiederum vor zwei Jahren bemüßigt, Pizzen auszutragen – die Sache mit der Authentizität wurde hier nicht ganz zu Unrecht hinterfragt.

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Und die niederösterreichischen Grünen ließen sich 2018 für den Landtagswahlkampf von der „Star Wars“-Saga inspirieren und riefen im filmreifen Outfit – Laserschwerter inklusive – in einem lustig gemeinten Video den Krieg der Sterne aus. Der Disney-Konzern fand die Sache nicht ganz so lustig – und drohte mit Urheberrechtsklage.

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Manchmal, und damit ist man bei einem Beispiel der Freiheitlichen, geht die Grenz-Überschreitung noch deutlich weiter. Der FPÖ entglitt vor einigen Monaten ein eigenes Zeichentrick-Video, mit dem man den Missbrauch der eCard thematisieren wollte. Das Video bediente Klischees und Rassismen derart plump, dass es alsbald vom Netz genommen werden musste.

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Doch wenn es nicht um offenen Rassismus oder augenscheinliche Verfehlungen wie Urheberrechte geht: Wann wird ein Auftritt oder ein Video zum Boomerang und zur Peinlichkeit?

„Peinlich kommt von Pein – und die Schmerzgrenze liegt bei jedem wo anders“, sagt Experte Sengl.

Niemand weiß das besser als die Betroffenen selbst. Die liberale Abgeordnete Angelika Mlinar sang vor drei Jahren auf einem Wahlkampf-Video eine Cover-Version des Beatles-Songs „Let it be“. Mit Leidenschaft und nicht ganz stimmsicher trällerte sie „Vote for me, vote for mee“. Dass der Song ins Lächerliche gezogen werden würde, ahnte sie. Aber sie nahm es pragmatisch: „Wenn du so etwas nicht aushältst, darfst du es nicht machen.“

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