Die gedopte Gesellschaft: Aufputschen, um zu funktionieren

Die gedopte Gesellschaft: Aufputschen, um zu funktionieren
Die Dopingaffäre hat eine Debatte über sauberen Sport ausgelöst. Doch auch unter Hobbysportlern, Managern und Studenten boomt das Geschäft.

Nun hat die Dopingaffäre auch Skistar Marcel Hirscher erreicht. Keine Sorge, Österreichs Sportler des Jahres wurde nicht positiv getestet. Der 30-jährige Salzburger nahm am Rennwochenende in Kranjska Gora, wo er am Samstag seinen achten Gesamt-Weltcupsieg in Folge fixierte, nur erstmals öffentlich Stellung zu der Dopingcausa, die seit der Nordischen Heim-WM Skiverband und Sport-Öffentlichkeit beschäftigt.

„Ich bin der Meinung, dass Athleten, die vorsätzlich und systematisch agieren, nicht zwei Jahre gesperrt werden, sondern lebenslänglich“, sagte er.
Hirscher stört in erster Linie der ungleich geführte Anti-Doping-Kampf: „In manchen Ländern sind Kontrollen nicht einmal erlaubt, und da sind Sportler in Sportarten richtig, richtig stark. Da ist in der Sportwelt noch ein langer Weg, der zu bewältigen ist.“

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Die Kontrollen im Spitzensport haben dennoch stetig zugenommen. In Österreich führte die Nationale Anti-Doping Agentur (NADA) im Jahr 2017 insgesamt 3.224 Kontrollen durch und damit um fast eintausend mehr als noch vier Jahre davor. Weltweit wurden 2017 gar 322.050 Blut- oder Urinproben auf verbotene Substanzen untersucht, das weltweit zweitaktivste Testlabor der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) steht übrigens in Seibersdorf (15.193 Tests im Jahr 2017).

Die Aufgabengebiete der Anti-Doping-Agenturen sind eng mit dem organisierten Sport verbunden, im Amateurbereich können die Institutionen nur durch präventive Arbeit sensibilisieren. Und da gibt es mindestens so großen Handlungsbedarf wie im Profisport – denn so mancher, der sich  in einer  „Muckibude“ quält, will rasch Veränderungen sehen. Nicht selten wird dann nachgeholfen. Wie viele tatsächlich zu Anabolika greifen, kann man nur erahnen.

Sicher dopt ein gewisser Bruchteil jener Menschen, die Mitglied in einem Fitnessclub sind. Registriert sind rund eine Million Österreicher – das entspricht 12,3 Prozent der Bevölkerung. Die Branche wuchs 2018 um 5,3 Prozent. Gekauft werden die Mittel oft im Internet. Sucht man dort nach Anabolika, poppen sofort hunderte Webstores auf, die unzählige Produkte anbieten.

Neben den verschiedenen Kategorien wie Muskelauf- oder Fettabbau, findet man auch noch Produkte, welche die Nebenwirkungen der Dopingmittel – wie Erektionsstörungen oder Haarausfall –  bekämpfen.

Die Händler verdienen gut: Einzelne Personen können damit mehrere Zehntausend Euro wöchentlich umsetzen. Das Geschäft lohnt sich sogar mehr als jenes mit Drogen, wie Chefermittler Franz Schwarzenbacher vom Bundeskriminalamt zuletzt im KURIER-Interview erklärte: „Die Gewinnspanne bei Dopingpräparaten ist höher als bei Suchtgift.“ Bei Schwerpunktkontrollen in Shops für Nahrungsergänzungsmittel wurden in allen überprüften Geschäften im Hinterzimmer Dopingmittel sichergestellt.

Die gedopte Gesellschaft: Aufputschen, um zu funktionieren

Die Überführung von Dominik Baldauf brachte den Fall ins Rollen

Die Zahl der Verurteilungen wegen Dopingdelikten ist aber dennoch relativ niedrig. Zwischen 2007 und 2019 wurde laut  Justizministerium in 341 Fällen  Anklage erhoben.   In 605 Fällen  kam es zu einer Einstellung des Verfahrens. 28 Mal wurden die Angeklagten freigesprochen, 167 Mal kam es zu einer Verurteilung.  Dass diese Zahl so gering ist, liegt daran, dass die meisten Dopingvergehen laut Bundeskriminalamt unter der Deliktgruppe „Betrug“ geführt werden. Es sei aber nicht möglich, die Dopingfälle herauszufiltern.

Immer wieder sterben Bodybuilder an den Folgen der Einnahme von verschiedenen Präparaten.  Diese enthalten beispielsweise Steroide wie Metandienon oder Testosteron – Mittel, die aus der Rinderzucht kommen. Experte Schwarzenbacher spricht von einer hohen Opferzahl: „Zahlreiche Bodybuilder sterben nach jahrelangem Dopingmittel-Missbrauch.“ Die Dunkelziffer sei beträchtlich.

Nicht deklarierte Wirkstoffe

Problematisch ist außerdem, dass trotz einer professionellen Aufmachung der Verpackungen – die Dopingmittel schauen aus wie herkömmliche Medikamente – nicht immer das drinnen ist, was draufsteht. Laut Bundeskriminalamt seien in jeder zweiten Probe nicht deklarierte Wirkstoffe zu finden.
Die Mittel werden meist in Fernost hergestellt und über das Internet vertrieben.

Die Kosten sind überschaubar. Injizierbare Stoffe gibt es pro Einheit um 50 Euro, Tabletten sind schon ab rund 20 Euro zu haben. Neben Problemen mit der Libido und Haarausfall kann es auch zu schweren Schäden an Leber, Nieren und Prostata kommen.  

 

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