Die fünf großen Corona-Baustellen der Schule
Fix ist derzeit nur, dass morgen, am 7. Jänner, die Schule wieder startet – allerdings nur im Distance Learning. Das gilt nur nicht für Sonderschulen, wo am Donnerstag der normale Betrieb losgeht.
Wann die Schulen wieder zum Präsenzunterricht wechseln, ist Stand Dienstagnachmittag unklar: Bildungsminister Heinz Faßmann will ab dem 18. Jänner starten, Gesundheitsministerium und Kanzleramt frühestens eine Woche später. Derzeit wird noch verhandelt.
Klar dürfte aber sein, dass die Schulen für Betreuung, wie schon beim ersten und zweiten Lockdown, offen bleiben. Das Bildungsdefizit bleibt jedenfalls groß – mehr als die Hälfte der Schultage in den vergangenen zehn Monate mussten daheim bewältigt werden. Das ist aber bei Weitem nicht die einzige Sorge der Bildung in Österreich.
Gute Online-Stunden sind nicht selbstverständlich
Manche glauben ja, Online- und Präsenzunterricht seien das Gleiche. „Ein Irrtum“, weiß Thomas Strasser, Hochschulprofessor für technologieunterstütztes Lehren und Lernen an der Pädagogischen Hochschule Wien. „Online-Unterricht bedarf oft der präziseren Anweisungen. Ich kann als Lehrperson nicht einfach das Arbeitsblatt hochladen, das ich sonst zum Thema ausgeteilt hätte. Ich muss detailliert erläutern, was ich von der Klasse will, weil ja oft der Kontext fehlt, in dem ich den Arbeitsauftrag erteile.“
Die Kommunikation zwischen Lehrkräften und Klasse sei jetzt besonders wichtig: „Ständige Rückmeldungen sind der Schlüssel zum Erfolg. Das muss nicht immer im Einzelgespräch erfolgen, sondern kann auch im Rahmen von Online-Meetings stattfinden. Da bespricht man auch, wie es den Jugendlichen beim Lernen im Allgemeinen geht, wo die Hürden sind, und was sie benötigen. Da geht es nicht immer nur ums Fachliche.“
Guter Online-Unterricht ist partizipativ: „Jugendliche erarbeiten im Rahmen des Lehrplans auch selber Stoff: Sie drehen z.B. englische Kurzvideos zu Themen wie ,mein Distance-Learning-Alltag’ mit dem Smartphone und stellen es auf die Plattform, sodass Mitschüler Feedback geben können. Auf keinen Fall sollte man zu viele digitale Tools auf einmal anbieten, – so kommt es schnell zur digitalen Überfrachtung.“
Technische Ausstattung ist noch nicht optimal
Darauf freut sich Doris Pfingstner von der Modularen Mittelstufe Aspern (Wien): „Für einen Selbstbehalt von 100 Euro bekommen Schüler der 5. und 6. Schulstufe im kommenden Schuljahr einen Laptop zur Verfügung gestellt – falls die Schule das beantragt.“ Und das haben viele Standorte gemacht. Eigentlich sollten die Schüler jetzt, beim dritten Lockdown, ausreichend (Leih-)Geräte haben – wenn nicht, sollen sich Familien an ihre Bildungsdirektionen wenden.
Versäumtes kann nur zum Teil aufgeholt werden
Kaum wurden die Schulen geöffnet, mussten sie schon wieder schließen: Neuer Stoff kann derzeit weniger vermittelt werden als sonst. Und doch haben die jungen Menschen viel gelernt, ist Doris Pfingstner, Direktorin und Mitglied des KURIER-Bildungsbeirats, überzeugt: „Sie haben selbstständig und selbsttätig lernen gelernt. In diesem Bereich haben sie Riesenfortschritte gemacht.“
Dennoch werden die Lehrkräfte viel zu tun haben, um Bildungsrückstände wieder aufzuholen. Wie? „Am besten wäre, wenn es für alle ein zehntes Schuljahr gäbe, was aus entwicklungspsychologischer Sicht eh sinnvoll wäre.“ Der Direktorin ist bewusst, dass die Umsetzung dieses Vorschlags eine längere Vorlaufzeit benötigen würde.
Und wie sieht es mit den Semesterferien aus – nach zwei Wochen Schule schon wieder frei? „Dieses Schuljahr ist eh ein völlig verrücktes. Erst machen wir die Schulen zu, dann wieder auf. Daran haben wir uns jetzt eh schon gewöhnt“, sagt Pfingsnter fest. „Im zweiten Lockdown hat das Lernen schon besser funktioniert.“
Sinnvoll seien die Summerschools der Stadt Wien. Dort ist das Lernangebot noch breiter als in den Sommerschulen des Ministeriums, wo vor allem Deutsch gelernt werden soll.
Kindergarten-Misere
„Mittelfristig“, so steht es im Koalitionsabkommen, soll das „2. Kindergartenjahr verpflichtend“ werden. Das versprechen die Regierungen schon seit fast zehn Jahren, noch scheitert es am Geld für die Gemeinden, die ja die Träger sind. Ein Fokus auf diese Frühpädagogik ist deshalb so wichtig, weil Kinder in der ersten Klasse Volksschule noch immer unterschiedlichste Bildungsniveaus haben – von bis zu zweieinhalb Jahren. Dazu kommt, dass die Kindergartengruppen noch immer viel zu groß sind, und es nicht ausreichend Pädagogen gibt. So kann aber der Kindergarten nur als Betreuungsinstitution agieren.
Für Susanna Haas von den Wiener Pfarrkindergärten und Mitglied des KURIER-Bildungsbeirats hat der Lockdown eines gezeigt: „Wenn zwischen 50 und 60 Prozent der Kinder anwesend sind, können Pädagoginnen eine optimale Bildungsumgebung anbieten und sich für jedes Kind Zeit nehmen.“ Der enge Kontakt zu den Kindern ist auch ein Problem für Sonderschulpädagogen. Ihnen geht es wie den Kindergärtnerinnen: „Von Beginn der Pandemie an war es eine der größten Herausforderungen, dass wir vergessen werden“, sagt Haas vom KURIER-Bildungsbeirat.
Benachteiligte werden noch mehr abgehängt
„Nur die Pädagogen in den Schulen können identifizieren, wer Hilfe und Unterstützung braucht, welche Kinder ein familiäres Umfeld haben, das ihnen nicht helfen kann“, meint Bildungsforscherin Christiane Spiel. „Die Regelung ist ja, dass diese Kinder gezielt in die Schulen geholt werden sollen, trotz distance learning. Wie gut das gelingt, kann ich nicht sagen.“
Für Gerda Reissner von der Mittelschule Schopenhauergasse in Wien gibt es noch einen anderen Schlüssel, wie man benachteiligte Schüler erreicht: „Über Beziehung. Man kann Jugendliche auch online emotional auffangen.“ Sie nur mit Arbeitsblättern zu überhäufen, bringe nichts. So habe sie online auch eine Kochshow mit Pancakes abgehalten. „Das hat sie motiviert.“ Und sie sieht sogar einen Vorteil der Internet-Lehre – da online „wunderbare Tools zur Individualisierung“ vorhanden seien.
Kommentare