Die Buwog-Affäre nimmt für Grasser vorerst kein Ende
Allein die Zeitspanne ist bemerkenswert: 20 Jahre nachdem die Republik ihre rund 60.000 BUWOG-Wohnungen um fast eine Milliarde Euro verkauft hat, ist dieses Geschäft nach wie vor Thema in einem Strafprozess.
Heute, Montag, jährt sich zum bereits dritten Mal die mündliche Verkündung des Urteils im „BUWOG-Prozess“. Und nach derzeitigem Stand wird sich das Verfahren noch etwas weiter ziehen – jedenfalls bis in den Herbst 2024, aber dazu später mehr.
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Die BUWOG gilt als größte Politik-Affäre der jüngeren Zeitgeschichte, und dafür gibt es viele Gründe.
Einer davon: die Angeklagten. Mit Karl-Heinz Grasser steht einer, wenn nicht der populärste Finanzminister der Zweiten Republik im Zentrum. Und wie die anderen, bis heute nicht rechtskräftig Verurteilten in der Causa, bekämpft der 54-Jährige sein erstinstanzliches Urteil mit allen Mitteln.
Ein weiterer Grund sind die zeitlichen und inhaltlichen Dimensionen: Schon zwischen den ersten Ermittlungen und der Anklage sind nicht weniger als sieben Jahre ins Land gezogen.
16.000 Seiten Protokoll
Die Gerichtsverhandlung zur BUWOG hat weitere drei Jahre bzw. 168 Verhandlungstage in Anspruch genommen.
Es war ein bizarr knappes Ergebnis: 960 Millionen Euro bot die CA Immo, 961 die Immofinanz. Und damit gingen 2004 die 60.000 BUWOG-Wohnungen an die Immofinanz. Nicht nur einmal wurde der PR-Mann und Trauzeuge von Karl-Heinz Grasser, Walter Meischberger, im Prozess gefragt, woher er wusste, dass man „jedenfalls über 960 Millionen Euro gehen muss“, um die BUWOG zu ersteigern. Immerhin war es sein Tipp, der den Sieg und für ihn und Kompagnon Peter Hochegger eine Erfolgsprovision von 9,6 Millionen Euro auslöste. Meischberger konnte oder wollte es nicht sagen. Das habe er sich eben zusammengereimt. Für Richterin Marion Hohenecker war klar: „Es kommt nur Grasser als Informant infrage.“ Ein erklecklicher Teil der Ermittlungen war den komplizierten Geldflüssen geschuldet. Denn die an Hochegger und Meischberger bezahlte Erfolgsprovision floss über Zypern, Delaware und Liechtenstein retour nach Wien. Auch dazu hatte die Richterin ein klares Urteil: „Wer redlich wirtschaftet, benötigt keine Konten in Liechtenstein.“
Es wurden 150 Zeugen gehört, 16.000 Seiten Protokoll erstellt und allein das Verlesen des kurzen mündlichen Urteils am Ende der Verhandlung hat zwei Stunden und 37 Minuten gedauert. Das schriftliche Urteil kam 14 Monate später und ist 1.280 Seiten stark.
Für die Verurteilten und deren Anwälte ändert der erhebliche Aufwand der Justiz freilich nichts daran, dass es sich um ein „glattes Fehlurteil“ handelt – und damit ist man in der Gegenwart.
Denn noch verfolgen Grasser und seine Anwälte mehrere Stränge und Ansätze, um das „politische Urteil“ zu bekämpfen.
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Da ist zunächst einmal die Frage, ob Richterin Marion Hohenecker befangen war. Für die Verteidigung gilt das als erwiesen – Hoheneckers Mann, selbst Richter, hat sich in Sozialen Medien kritisch zu Grasser geäußert.
Auf Betreiben der Angeklagten hat sich sogar der Verfassungsgerichtshof mit dieser Frage beschäftigt; endgültig wird sie allerdings vom Obersten Gerichtshof (OGH) beantwortet – wie alle anderen inhaltlichen und formalen Argumente, die die Verteidiger aufbieten.
Fehlendes Croquis
Norbert Wess ist Teil von Grassers Anwaltsteam. Im KURIER-Gespräch rechnet er damit, dass der OGH „frühestens zur Jahresmitte 2024“ entscheiden wird.
Dazu muss man wissen: Bevor der OGH über Nichtigkeitsbeschwerden urteilt, erstellt die Generalprokuratur eine schriftliche Stellungnahme, das sogenannte Croquis. „Bis heute liegt uns dieses Croquis aber noch nicht vor“, sagt Anwalt Wess.
Und da die Verteidigung ihrerseits auf die Stellungnahme antworten kann und auch wird, ist kaum damit zu rechnen, dass das Höchstgericht vor dem Sommer 2024 einen Verhandlungstermin ansetzt.
Sollte der OGH den Schuldspruch bestätigen, ist die Causa für Grasser übrigens auch noch nicht vorbei.
„Wenn die Sache vor dem OGH nicht positiv ausgeht, gehen wir jedenfalls zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte“, kündigt Wess an.
Eine Verletzung der Menschenrechte?
Was die Dauer des Verfahrens angeht, hat der Anwalt wohl einen Punkt. Denn ungeachtet des eigenen Zutuns ist es für Betroffene belastend, 15 Jahre lang nicht zu wissen, ob und wie in einem Strafverfahren entschieden wird. Ex-Minister Grasser kämpft offensichtlich mit der Situation. „Mein Mandant hat seit 2009 keine Möglichkeit, beruflich tätig zu werden“, sagt Wess. „Seine Ressourcen sind aufgebraucht. Sein einziges Glück ist, dass ihn seine Familie nach wie vor in jeder Form unterstützt.“
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