Schmid arbeitete sozusagen auf eigene Faust, sein Kapital war er selbst und das, was er sich aufbaute. Dabei war er ziemlich erfolgreich. Mit Anfang 40 konnte er bereits einen Klubchef, einen Vizekanzler und eine ganze Reihe von Ministern, allesamt illustre Namen, als Dienstgeber vorweisen. Schmid überdauerte sie alle.
Schmid konnte an den Schaltstellen von Koalitionen und Ministerien sowie an der besonders wichtigen Schnittstelle zwischen Politik und Medien Erfahrungen sammeln. Als ÖVP-Sprecher bewunderte und studierte er genau Werner Faymanns Geschick beim Hineinregieren in Medien. Das war klasse.
Die vielen Jahre in den lichten Höhen von Ministerkabinetten hinterließen Spuren. Wie Schmid selbst zu Protokoll gibt, spricht aus seinen Chats „Zynismus und Sarkasmus“. Eine gewisse Selbstironie („Jetzt muss ich mit dem Pöbel reisen“) ist noch vergleichsweise harmlos.
Als er vom Kabinettsmitarbeiter erstmals in eine beamtete Machtposition kommt und Generalsekretär im Finanzministerium wird, verändert sich seine Persönlichkeit. Er herrscht Untergebene an und wenn ihn alte Weggefährten wie Heidi Glück anrufen, hebt er nicht mehr ab. Er gehört jetzt einer höheren Kaste an. Seine Kontakte sind jetzt die Benkos und Dichands und Wolfs. Schmid wird eingeladen, hofiert, verwöhnt. Der Investor Pecik leiht ihm schnittige Autos für Spritztouren nach Italien.
Dass das schwerst unzulässig ist für einen Finanzbeamten, und schon gar für einen an der Spitze der Weisungskette, Vorgesetzten von Sektionschefs und Steuerprüfern, kommt ihm offenbar nicht in den Sinn.
Diese Episode illustriert, warum die gängige Praxis, Kabinettsmitarbeiter zu Spitzenbeamten zu machen, nicht verharmlost werden sollte. Denn dem Beamtenethos steht diametral entgegen, worauf Kabinettsmitarbeiter trainiert werden. Und das schildert Schmid den Staatsanwälten so: Wenn der Kanzler oder der Minister etwas will, erfüllt man das ungeachtet dessen, ob es auch zulässig ist. Das gelte auch für Wünsche von Persönlichkeiten aus der Wirtschaft oder der Partei, die für Kanzler oder Minister wichtig sind.
Bedenken, die mitunter an ihm nagen, schiebt Schmid beiseite. Denn der Selfmademan hat ein persönliches Ziel vor Augen: Für die intensive Hacke in den Ministerkabinetten, für die aufreibende Medienarbeit, für die jahrelange 24-Stunden-Einsatzbereitschaft will er einen Lohn. Er will Karriere machen, den Polit-Stress hinter sich lassen und einen wirklich guten Job. Er ist überzeugt, dass ihm das zustehe, denn schließlich hat er das oft genug bei anderen gesehen. Im Außenamt spekuliert Schmid auf die diplomatische Laufbahn, strebert Französisch und macht die für einen Botschafter erforderlichen Prüfungen.
Doch dann betritt Sebastian Kurz die Bühne, und es wird immer klarer, dass Kurz der kommende Mann in der ÖVP und angehende Kanzler ist. Wer genau die Idee entwickelt, dass Thomas Schmid in der heraufziehenden Ära Chef einer neu zu schaffenden Staatsholding werden soll, ist Gegenstand der Ermittlungen. Schmid sagt, der Plan stamme von Kurz, Kurz bestreitet das.
Jedenfalls tut Schmid ab nun alles, um ÖBAG-Chef zu werden. Er stellt Kurz seine wertvollen Netzwerke und jahrelang gesammelten Kontakte zu Großindustriellen, Generaldirektoren und Medienleuten zur Verfügung. Er greift in die Ministeriumskasse, um Kurz öffentlich bejubeln zu lassen. Er huldigt ihm in Tat und Wort („Ich liebe meinen Kanzler“).
Wie stets stürzt sich Schmid auch fachlich auf seine Aufgabe, immerhin galt in der ÖVP die Doktrin „mehr privat, weniger Staat“. Schmid entwickelt ein geradezu konträres Konzept für strategische Staatsbeteiligungen und will beweisen, „dass der Staat ein guter Eigentümer sein kann“. Er holt die Gewerkschaft und damit die SPÖ für das Gesetz an Bord, im Aufsichtsrat wird er einstimmig bestellt.
Den wohl glanzvollsten Moment erlebt Schmid am 18. Oktober 2019. In der neuen Staatsholding wird das erste „ÖBAG-Forum“ abgehalten. Thema: „Der Aufsichtsrat in der Praxis“. Niemand geringerer als Bundespräsident Alexander Van der Bellen nimmt die Eröffnung vor.
Zu diesem Zeitpunkt ist Schmid sich sicher, alles im Griff zu haben. Zwar hatte eine anonyme Anzeige über Postenschacher bereits die WKStA in Bewegung gesetzt, was im August zu Razzien bei Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) und der Novomatic geführt hatte. Doch Schmid hat am 1. Oktober vorsorglich sein Handy gelöscht.
Der Zusammenbruch kommt nur wenige Wochen später. Am 12. November 2019 klingelt die WKStA an Schmids Wohnungstür. Bei der Durchsuchung stellt sich heraus, dass ein anderes Gerät, über das Schmid Musik gehört hat, ein Daten-Back-up ausgelöst hatte. Als in der Folge immer mehr Chats publik werden, räumt Schmid im Juni 2021 die ÖBAG und entschuldigt sich öffentlich.
Im April 2022 geht er zur WKStA, um auszupacken. Seine Mutter habe zu ihm gesagt: „Wenn du etwas falsch gemacht hast, dann steh’ dazu und das mit allen Konsequenzen.“ Er hätte seine Mutter früher um Rat fragen sollen, was Recht und was Unrecht ist.
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