Der Machtspieler im Hintergrund

Dietmar Hoscher während eines Interviews in Wien, November 2015
Ex-SPÖ-Politiker, Casinos-Vorstand, Blues-Fan. Stiftungsratsvorsitzender Dietmar Hoscher polarisiert stark.

Am 9. August könnte er seinen großen Auftritt haben. Kommt es im erbitterten Hauen und Stechen um den neuen ORF-Generaldirektor zwischen den Stiftungsräten zu einer Pattstellung – was durchaus möglich ist –, wird Dietmar Hoscher ganz wichtig. Dann entscheidet seine Stimme als Vorsitzender über die Führung des größten Medienunternehmens Österreichs.

Seine Rolle, sagt Hoscher, sei vergleichbar mit der Funktion eines Aufsichtsratsvorsitzenden. Wenn sich zwei Manager eines Unternehmens allerdings derart bekriegen wie Alexander Wrabetz und Gegenkandidat Richard Grasl, hätte ein Aufsichtsrats-Chef schon längst eingegriffen. Er habe bis dato nichts geortet, "was unter der Gürtellinie wäre", meint Hoscher dazu. Würde etwas passieren, was dem Ansehen des ORF schadet, "würde ich innerhalb meiner Möglichkeiten reagieren".

Obwohl von der SPÖ in den Stiftungsrat entsandt, sieht er seine Funktion nicht als politische. Dass sich Kanzler Christian Kern dezidiert für Wrabetz ausgesprochen hat, sei keine Vorgabe: "Ich hafte persönlich mit meinem Privatvermögen und muss meine Entscheidung begründen und vertreten können." Am Dienstag werde es noch Fragen an die Kandidaten geben, "in beiden Konzepten sind Punkte, die präzisiert und noch nachgefragt werden müssen". Dafür sei das Hearing ja da.

In der breiten Öffentlichkeit ist der 54-jährige Glücksspiel-Manager kaum bekannt. Wie tickt jener Mann, dessen Welt Politik, ORF, Fußball und Gambling sind? Und der Blues.

Eines wird schnell klar. Hoscher polarisiert wie kaum ein anderer Spitzenmanager. Das hat nicht nur mit seinen Jobs und Ämtern zu tun, sondern auch mit seiner Persönlichkeit. Seine Freunde beschreiben ihn als hochintelligenten, brillanten Strategen und exzellenten Manager. Einer der besten Netzwerker des Landes. Mit einer "faszinierenden Breite", vom Fußball bis zur Kunst. So ein richtig bunter Hund eben. Seine Kritiker zeichnen das Bild eines übervorsichtigen, misstrauischen und sehr auf seine persönliche Erfolgsbilanz bedachten Managers. Der ständig politisch denke und aus dem Hintergrund agiere.

Aufgewachsen im Gemeindebau in Floridsdorf, legte Hoscher eine rasante Karriere hin. Über die Zwischenstation Nationalbank kommt der Volkswirt in den roten Parlamentsklub, wo er Tür an Tür mit dem heutigen Bundeskanzler Christian Kern sitzt. Man habe eng zusammengearbeitet und sich gut verstanden, erinnert sich Hoscher. Anschließend diente er gleich drei SPÖ-Finanzministern, Andreas Staribacher, Viktor Klima und Rudolf Edlinger, als wirtschaftspolitischer Berater.

1998 der Absprung in die Casinos-Gruppe (Casag), 2007 der Aufstieg in den Vorstand. Mit Unterstützung des roten Nationalbank-Chefs Adolf Wala. Die Banker hielten ein Drittel an der Casag. 1999 geht Hoscher direkt in die Politik, zuerst in den Bundesrat, dann vier Jahre in den Nationalrat. Die Partei suchte wirtschaftliche Expertise. Geholt haben ihn Notenbank-Gouverneur Ewald Nowotny sowie der damalige SPÖ-Bautensprecher und OMV-Manager Kurt Eder. Eder wurde vom neuen OMV-Chef Rainer Seele aus der Pension zurückgeholt, um als Berater den Zugang zur SPÖ zu ebnen. Und Eders Sohn Markus leitet in den Casinos die Hoscher unterstellte Public-Affairs-Abteilung.

Seine guten Kontakte zu Ex-Kanzler Werner Faymann und Josef Ostermayer verdanke er nicht der Partei, sondern "der Mietrechtsschiene", betont Hoscher. Er sei im Parlament für Mietrecht zuständig gewesen, Faymann und Ostermayer in Wien.

Wie im ORF geht’s auch in den Casinos nicht gerade harmonisch zu. Hoscher und Generaldirektor Karl Stoss wurden nur um ein Jahr bis 2017 verlängert. Weil sich der Erzrivale Novomatic und Tschechen einkauften, der Deal aber noch bei der Wettbewerbsbehörde liegt. Daher ist derzeit in Richtung künftiger Einser im Management alles offen.

Das ganze Haus spricht über die Antipathien zwischen Hoscher und Stoss. Wenn man nicht miteinander könne, "warum arbeiten wir dann zehn Jahre zusammen? Die Zusammenarbeit funktioniert gut, ist effizient und erfolgreich", kalmiert Hoscher.

Die Kontrahenten ticken völlig unterschiedlich. Stoss tritt offen und direkt auf und hat das Unternehmen saniert. "Hoscher sichert sich mit Hosenträgern und Gürteln ab. Er hat einen Staat im Staat aufgebaut", hört man aus dem Management.

In den Casinos wird auch erzählt, Hoscher habe lanciert, er werde vermutlich der neue Vorstandsvorsitzende. Vom KURIER darauf angesprochen, reagiert er heftig: "Eine glatte Lüge, die zu untersuchen sein wird." Er glaube, "dass ich in den mir zugeordneten Bereichen wie Recht, Public Affairs oder Marketing sehr gute Arbeit leiste und würde dies, sofern die Rahmenbedingungen stimmen, auch weiter tun".

Im Aufsichtsrat wird ihm attestiert, fachlich ordentliche Arbeit zu liefern. Dort heißt es aber auch: "Politisch bis in die Knochen." Das Einser-Gerücht empört Hoscher jedenfalls derartig, dass er sofort die interne Revision einschaltet, um den "Verräter" zu enttarnen. Eine eher unübliche Vorgangsweise.

In der Branche wird gestreut, Stoss wolle ohnehin in Pension gehen – was ein glatter Blödsinn ist – und Hoscher habe einen hervorragenden Draht zu Novomatic-Eigentümer Johann F. Graf. Im Headquarter des Glücksspiel-Riesen hört sich das etwas anders an: Graf habe nicht vergessen, wie Hoscher in der Vergangenheit gegen die Novomatic gearbeitet habe.

Die große Leidenschaft ist der Fußball. Die Funktionärskarriere verlief weniger glatt. Edlinger habe ihn als Präsident der Bundesliga ins Gespräch gebracht, ebenso wie als Rapid-Präsident, erzählt Hoscher. Beides wurde nichts. Als klar war, dass er bei der Bundesliga nicht gewinnen würde, trat Hoscher nicht mehr zur Abstimmung an. Für den Rapid-Job wäre angesichts der zahlreichen Baustellen der Zeitaufwand zu groß geworden. Bei den Grünen sitzt er seit zehn Jahren dem Kuratorium vor. Dass er sich auch mit Friedrich Stickler,der in der Casag-Gruppe die Lotterien aufbaute, nicht verstand, ist sicher wieder nur ein böses Gerücht. Ausgeschlossen, dass Eifersucht mitspielte – Stickler war viele Jahre lang ÖFB-Präsident.

Wäre noch die Musik. In der spärlichen Freizeit schreibt Hoscher als Musikjournalist für das Magazin "concerto" und ist Mitveranstalter der sechswöchigen "Vienna Blues Spring", dem weltweit längsten Blues-Festival. Als Gitarrist tritt er selbst nur noch selten auf, bei Charity Events. Über den Professor, den ihm Ostermayer vor zahlreicher Künstlerschaft verlieh, scheint er sich besonders zu freuen. Der findet sich auch unter der Ausschreibung für den ORF-Chef: Vst. Dir. Prof. KR Mag. Dietmar Hoscher. In anderen Fällen kommt noch Abg. z. NR. a. D. dazu. Schon ziemlich beeindruckend, so viele Titel ...

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