Demokratiemonitor: Wunsch nach "starkem Führer" sinkt erstmals wieder
Die Zufriedenheit mit dem politischen System steigt leicht, bleibt aber insgesamt auf niedrigem Niveau. Das ist das Ergebnis des vom SORA-Institut durchgeführten "Österreichischen Demokratiemonitors" 2023.
Das Ausmaß der Zustimmung hänge dabei vor allem mit der ökonomischen Lage zusammen. Besonders alarmierend sei die Rate im unteren ökonomischen Drittel, hieß es heute, Dienstag, bei der Präsentation.
Der Demokratiemonitor erhebt seit 2018 einmal im Jahr, was die Österreicher über das politische System und die Demokratie im Allgemeinen denken.
Die diesjährige repräsentative Umfrage wurde von SORA zwischen dem 30. September und dem 12. Oktober telefonisch und online durchgeführt.
Befragt wurden 2.081 Menschen ab 16 Jahren, was einer Schwankungsbreite von plus/minus 2,1 Prozent entspricht.
Das Image des politischen Systems in Österreich hat sich insgesamt etwas gebessert. Rund 39 Prozent der Befragten finden, dass es gut funktioniert. Das ist ein Anstieg von fünf Prozentpunkten im Vergleich zu 2022, als die Zufriedenheit mit 34 Prozenten ihren tiefsten Wert seit Erhebungsbeginn erreicht hatte.
Dennoch liegt der aktuelle Wert auf niedrigem Niveau. Im ersten Demokratiemonitor 2018 waren noch knapp zwei Drittel (64 Prozent) der Menschen davon überzeugt, dass unser politisches System gut funktioniert.
➤ Lesen Sie hier die Ergebnisse des Vorjahres: Vertrauen in Österreichs Demokratie ist drastisch gesunken
Geht man ins Detail, zeigt sich, dass sich die Talfahrt im untersten ökonomischen Drittel fortsetzt, während sie sich im mittleren und oberen etwas erholt hat. Dort war sie zwar in den Jahren 2020 bis 2022 wegen der Corona-Pandemie, diverser Korruptionsvorwürfe und steigender Inflation ebenfalls erodiert - und zwar von 78 auf 45 Prozent bzw. von 70 auf 34 Prozent. Nun ist aber eine leichte Erholung zu konstatieren.
Aktuell denken 52 Prozent der Menschen im oberen und 41 Prozent im mittleren Drittel, dass das politische System gut funktioniert.
Beharrlich bergab geht es hingegen im untersten Drittel. Mit 49 Prozent erreichte der Zuspruch zum politischen System 2018 den höchsten Wert. Mittlerweile sind es nur noch 24 Prozent, die damit zufrieden sind. Im Gegensatz zum oberen und mittleren Drittel setzte sich die Talfahrt auch in den vergangenen zwölf Monaten fort. Die aktuelle Zufriedenheit liegt neuerlich fünf Prozentpunkte unter jener des Vorjahres.
Vertrauen in Institutionen
Eine ähnliche Situation zeigt sich im Zusammenhang mit dem Vertrauen in die Institutionen. Dem Bundespräsidenten gegenüber hegen das derzeit 52 Prozent der Befragten, beim Parlament sind es 39 Prozent und bei der Bundesregierung 32 Prozent.
Diese Stabilisierung auf Ebene der Gesamtbevölkerung speist sich jedoch aus zwei einander entgegengesetzten Entwicklungen: Während das Vertrauen im mittleren und oberen Drittel angestiegen ist, ist es im unteren Drittel erneut gesunken.
Unteres Drittel fühlt sich nicht repräsentiert
Was steckt dahinter? Laut Studienautorin Martina Zandonella fühle sich gerade das untere Drittel von der Politik nicht repräsentiert - und dieses Gefühl der "fehlenden Repräsentation" habe einen starken Effekt auf das Vertrauen. "Das ist eine kontinuierliche Erfahrung, die Anfang der 1990er-Jahre begonnen haben dürfte", erklärt Zandonella.
Zudem sei ein beträchtlicher Teil mittlerweile der Meinung, es nütze nichts, sich an der Demokratie zu beteiligen - sprich: wählen zu gehen. In Hinblick auf die kommenden Wahlen (EU-Wahl im Frühsommer, Nationalratswahl im Herbst) eine alarmierende Entwicklung, sagt sie in Richtung der wahlwerbenden Parteien.
Führer-Wunsch wieder auf Vorkrisenniveau
Im Gegensatz dazu bleibt die Haltung der Menschen zur Demokratie über die Jahre hinweg stabil: Derzeit denken 86 Prozent, dass sie die beste Staatsform ist, was den Ergebnissen der Vorjahre entspricht.
Der Zuspruch zu einem starken Führer, der sich nicht um Parlament und Wahlen kümmern muss, liegt bei 19 Prozent und ist damit nach einem zwischenzeitlichen Hoch auf das Vorkrisenniveau von 2018 gefallen.
Der Begriff "starker Führer" ist etwas abstrakt - deshalb hat SORA die Befragten vor die Wahl gestellt: Sie sollten sich zwischen der aktuellen parlamentarischen Demokratie und drei Alternativen entscheiden.
Nur 11 Prozent wählten dabei eine "Diktatur auf Zeit, die uns in den kommenden fünf Jahren aus den Krisen führt". Die einzig "echte Konkurrenz" zur Demokratie sei die "direkte Demokratie nach dem Vorbild der Schweiz", erklärt Studienautorin Zandonella.
Kein Freund/Feind-Schema
Der Befund ist generell also ein positiver - dennoch gibt es eine "bedenkliche Entwicklung", auf die Autorin Zandonella hinweist: Der Anteil jener Gruppe, die die Demokratie tatsächlich ablehnt, liege etwas unter 10 Prozent und sei über die Jahre hinweg konstant. Allerdings ließ sich bei diesen 10 Prozent eine Verfestigung von autoritärem Gedankengut feststellen.
Eine gute Nachricht zum Schluss: Obwohl die Parteienlandschaft zerstritten ist, liegen die politischen Lager in der Bevölkerung nicht so weit auseinander, wie es manchmal scheint. "Man hat es hier nicht mit zwei verfeindeten Gruppen zu tun wie beispielsweise in den USA. Es ist noch möglich, zu diskutieren", betont die Studienautorin - ein "Freund/Feind-Schema" sehe sie nicht.
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