Tiefe Risse im Team von Kanzler Kern

Die ÖVP macht den Kanzler für die jüngsten Koalitionsstreitereien verantwortlich
Politik von innen: Die richtige Strategie gegen Sebastian Kurz und die Frage einer rot-blauen Koalition sorgen für handfesten Streit in der SPÖ

Es ist zwar eine Floskel, aber in diesem Fall stimmt sie: Im Wahlkampfteam von Kanzler Christian Kern liegen die Nerven blank, und der eine oder andere Mitarbeiter schmeißt sie bereits weg.

Am Freitag kursierten Berichte über eine lautstarke und handfeste Auseinandersetzung, die sich am Mittwoch im Kreis von Polit-Strategen im Kanzleramt zugetragen habe. "Da entladen sich Spannungen, die bereits seit Monaten bestehen", erzählt ein Eingeweihter.

Die Streitgründe sind schwerwiegend und sorgen für tiefe Risse im Team des Bundeskanzlers: Zum einen geht es um eine Öffnung oder Nicht-Öffnung der SPÖ gegenüber der FPÖ. Die SPÖ ist in dieser Frage gespalten, eine Lösung, die alle mittragen, ist vorerst nicht in Sicht. Am 14. Juni tagen dazu der SPÖ-Vorstand und das SPÖ-Präsidium.

Zum zweiten geht es bei dem Streit um die richtige Strategie gegen Sebastian Kurz.

So war etwa die Taktik, Kurz ins Vizekanzleramt zwingen zu wollen, in der SPÖ umstritten. Es sei von vornherein absehbar gewesen, dass die SPÖ diese Auseinandersetzung nicht gewinnen könne und letztlich Kurz’ Personalvorschlag, wie immer er laute, werde akzeptieren müssen, sagen die Kritiker.

Auch dass der Kanzler höchstpersönlich mit ÖVP-Ministern streite, statt "über den Dingen zu stehen", sei falsch. Besser wäre gewesen, SPÖ-Minister mit den ÖVP-Ministern streiten zu lassen.

Und schon gar nicht hätte sich der Kanzler höchstpersönlich ins Parlament begeben sollen, um dort mit den Robert Lugars dieser Welt nach freien Mehrheiten zu suchen. "Dazu hätte man besser unseren Klubobmann Andreas Schieder eingesetzt", heißt es.

Die Bruchlinie im SPÖ-Team verläuft – grob gesprochen – zwischen dem Kanzlerbüro inklusive Kanzleramtsminister Thomas Drozda auf der einen Seite und dem Team der SPÖ-Zentrale mit Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler auf der anderen Seite.

Die Meinungen, wie die SPÖ mit dem Phänomen Sebastian Kurz fertig werden soll, gehen aber quer durch. Die einen sagen, es sei ein Fehler, zu stark auf Christian Kern als Person zu setzen, weil Kurz Kern in fast allen Persönlichkeitswerten schlägt. Die SPÖ müsse Kurz "inhaltlich stellen". Andere wiederum werfen Niedermühlbichler vor, nach wie vor zu eng mit seinem früheren Arbeitgeber, dem Wiener Bürgermeister Michael Häupl, abgestimmt zu sein. "Die in Wien glauben immer noch, es reicht, wenn wir einen Anti-FPÖ-Wahlkampf führen. Aber wir brauchen Inhalte, Inhalte, Inhalte."

Wieder andere – alte Berufspolitiker mit viel Erfahrung – sagen, Kern selbst sei ein Problem, weil er eben zu wenig Politiker sei und mit so einer Krisensituation nicht umgehen könne.

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