Frauenministerin Rendi-Wagner: "Das ist eine absolute Schieflage"
Die Mehrheit der Wähler sind weiblich, doch Frauen-Themen spielen im laufenden Wahlkampf noch keine Rolle. Als erste Partei hat die SPÖ ihr Programm und ihre Frauen-Anliegen vorgestellt. Frauenministerin Pamela Rendi-Wagner skizziert ihre Ziele im Gespräch mit dem KURIER. Sie will eine Frauenquote in allen Unternehmen und erwartet, dass auch ihre Partei mehr Frauen ins Parlament bringt als es die SPÖ-Statuten (40 Prozent) derzeit vorschreiben.
KURIER: Frau Bundesministerin, laut einer aktuellen Umfrage sehen 43 Prozent der wahlberechtigten Frauen in Österreich keine Partei, die ihre Interessen vertreten würde. Was leiten Sie daraus ab? Pamela Rendi-Wagner: Ich sehe das als Auftrag für alle, besser hinzuhören, was Frauen wollen und neue Themen wie Digitalisierung, Hass im Netz oder Teilzeitarbeit stärker aufzugreifen. Viele Frauen sagen, ich mache gerne Teilzeit, viele sind aber auch dazu gezwungen, weil sie keine Wahlfreiheit wegen fehlender Kinderbetreuung haben. In der Pension bekommen sie die Rechnung serviert. Zwischen Frauen und Männern gibt es einen 40-prozentigen Pensionsgap (Pensionsunterschied). Frauen, die Teilzeit arbeiten, müssen gerecht entlohnt werden und sollen Vollzeit-Kräften bei der Bezahlung von Überstunden gleichgestellt sein. Sie sollen einen Rechtsanspruch auf Vollzeit oder auf die Aufstockung ihrer Arbeitsstunden haben, wenn es im Betrieb Bedarf gibt.
Sind Sie für einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung?Ja, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist für mich prioritär. Ab dem ersten Lebensjahr muss der Ausbau der Kinderbetreuung flächendeckend sein. Kinder haben ein Recht auf beste Betreuung und Frühförderung.
Ab 2018 soll es in börsennotierten Unternehmen sowie Betrieben mit mehr als 1000 Beschäftigten einen Frauenanteil von 30 Prozent in Aufsichtsräten geben. Sind Sie auch für die Quote im unteren Management? Die Quote ist ein wirksames Instrument, Frauen den Weg an die Spitze frei zu machen. Das zeigt der staatsnahe Bereich, wo es die Quote schon gibt. Da haben wir im Schnitt schon 40 Prozent Frauen, etwa im ASFINAG-Aufsichtsrat. In vielen privatwirtschaftlichen Betrieben sind mehr als 50 Prozent Frauen beschäftigt, im Aufsichtsrat sind aber nur 17,4 Prozent Frauen. Das ist eine absolute Schieflage. Auch für die Ebenen darunter ist es mein Ziel, den Frauenanteil zu heben. Sind Sie auch für die 50-Prozent-Frauenquote in der Politik, die Frankreichs Präsident Emmanuel Macron durchsetzt? Ich freue mich, dass die SPÖ ihr neues Statut bei der Listenerstellung anwendet und 40 Prozent Frauen auf wählbaren Plätzen sind. Es werden mehr sein. Ein ausgeglichenes Verhältnis soll es auch in der Regierung geben. Die ÖVP drängt darauf, die Sozialleistungen an EU-Ausländer, die hier leben und arbeiten, zu indexieren, z. B. die Kinderbeihilfe. Sind Sie dafür?
Die Lösung muss Europarechts-konform sein. Das war zwischen Kanzler Kern und Vizekanzler Mitterlehner vereinbart. Wir haben das Anliegen auf EU-Ebene eingebracht. Wenn es keine Mehrheit für die Indexierung gibt, werden wir damit umgehen müssen. Das heißt, Sie akzeptieren dann die EU-Entscheidung? Darauf haben wir uns geeinigt. Was ist Ihre Botschaft an Migranten und die islamische Community in Österreich, um Frauenrechte zu respektieren und in das eigene Leben zu integrieren? Nehmen Sie die Angst österreichischer Frauen vor manchen muslimischen Männern mit Macho-Attitüde ernst?
Frauenrechte gelten für alle, egal welcher Herkunft. Wer diese Rechte bricht, wird bestraft. Wir müssen an zwei Punkten ansetzen: Migranten insgesamt erreichen und Frauen aus der muslimischen Community unterstützen. Es gibt Projekte, die sehr gut laufen. Wir müssen Frauen mit geeigneten Mitteln stärken, aber nicht mit erhobenem Zeigefinger. Das Allerwichtigste ist die ökonomische Unabhängigkeit der Frauen. Wir müssen uns aber auch um Burschen und Männer kümmern, das gilt auch für Österreicher.
Ist der SPÖ-Slogan "Ich hol’ mir, was mir zusteht", nicht die Abkehr vom Solidaritätsprinzip? Das ist eine klare Ansage, dass alle – und nicht nur wenige – vom Wirtschaftsaufschwung profitieren sollen.
Kommentare