Das Handy, unendliche Weiten: Was Ermittler alles finden können
Ein Handy, ein ganzes Leben: Telefonate, Nachrichten, Fotos und Videos, Termine, Notizen, Bankgeschäfte. All diese Daten trägt man nicht nur in der Tasche mit sich herum, sie schweben bei modernen Geräten auch in einem unsichtbaren Speicher, der Cloud.
Das könnte einem zum Verhängnis werden, wenn man ins Visier der Polizei gerät. Der Datenschatz ist gigantisch, und Löschen ist im digitalen Zeitalter (fast) zwecklos.
"Dessen muss man sich bewusst sein", sagt Strafrechtsexpertin Ingeborg Zerbes von der Uni Wien, die dem Thema einen Artikel in der aktuellen Ausgabe der österreichischen Juristenzeitung (ÖJZ) gewidmet hat.
Dessen muss sich auch ÖVP-Finanzminister Gernot Blümel bewusst sein. Sein Handy und sein privater Laptop wurden am 11. Februar im Rahmen der Casinos-Ermittlungen sichergestellt.
Wie gehen die Ermittler in solchen Fällen vor? Was ist möglich, und was dürfen sie überhaupt? Der KURIER klärt die wichtigsten Fragen.
Die Polizei nimmt ein Handy an sich – aber wie kommt sie an die Inhalte?
Mit dem Handy verhält es sich wie mit einer versperrten Kiste, erklärt Strafrechtlerin Zerbes. Wenn die Polizei sie hat, darf sie diese öffnen – auch gegen den Willen des Beschuldigten. So ist es beispielsweise erlaubt, dessen Finger ans Handy zu drücken, wenn es sich durch Fingerabdruck entsperren lässt, oder dessen Kopf festzuhalten, wenn es eine Gesichtserkennung braucht. Auch das Aufbrechen mittels Cracking-Software ist im Rahmen der richterlich genehmigten Sicherstellung erlaubt.
Wie umfassend darf die Polizei stöbern?
Das Gesetz, das Sicherstellungen in der Strafprozessordnung regelt, hinkt hinter dem technischen Fortschritt nach – und lässt sich deshalb in der Praxis recht breit auslegen, erklärt Zerbes. Aus ihrer Sicht dürfen Ermittler auch auf Informationen zugreifen, die nicht direkt am Handy gespeichert sind, sondern sich in der Cloud befinden: "Die Cloud ist eine Erweiterung und gehört zur Sicherstellung dazu."
Was ist eine Cloud?
Die Cloud dient als externer Speicher, den viele nutzen, um ihre Daten zu sichern und so Speicherplatz am Gerät zu sparen. Das funktioniert übers Internet so schnell und nahtlos, dass man oft gar nicht bemerkt, ob das Foto, das man sich gerade am Handy anschaut, auch dort liegt oder ob das Gerät es von der Internet-Cloud abruft.
Was, wenn man sein Handy gewechselt hat?
Wenn man bei der Inbetriebnahme die Cloud zum Synchronisieren verwendet, dann ist alles, was am alten Handy war, auch am neuen. Das tun viele, weil es praktisch ist – sogar die Weckereinstellung wird übernommen. Finanzminister Gernot Blümel wechselte mit jedem Amt auch das Handy, seine Nummer behielt er aber. Über die Nummer lassen sich beim Mobilfunkanbieter etwa Anruflisten nachverfolgen.
2017, am Ausgangspunkt der Casinos-Ermittlungen, war Blümel Wiener Landesparteichef, wurde dann bei Türkis-Blau Kanzleramtsminister und ist seit 2020 bei Türkis-Grün Finanzminister. Ob er seine Daten beim Handywechsel synchronisiert hat – und die Ermittler nun einen entsprechenden Fundus haben – ist noch nicht bekannt.
Und wenn man seine Daten vom Handy löscht?
Das ist eine Frage des Könnens der Ermittler: Können sie die Daten rekonstruieren, dann dürfen sie diese auch verwenden, sagt Strafrechtlerin Zerbes und erinnert an das Beispiel mit der versperrten Kiste. Es gibt Software-Firmen, die sich darauf spezialisiert haben und sogar verschlüsselte Daten aufbereiten können.
Überhaupt vermittelt das Löschen eine trügerische Sicherheit – eine Anekdote: In der Casinos-Causa soll ein Beschuldigter sein Handy auf Werkseinstellungen zurückgesetzt haben. In der Cloud wurden die Ermittler dann fündig. Bei WhatsApp kann man die Cloud-Funktion übrigens deaktivieren.
Was lässt sich auf einem Handy alles finden?
Neben Nachrichten und Fotos könnten für die Ermittler auch Notizen, Kalendereinträge, Sprachmemos oder Einkäufe interessant sein. Auch ins mobile Online-Banking darf die Polizei reinschauen, sagt Zerbes, obwohl eine Kontoöffnung eigentlich als zusätzliche Ermittlungsmaßnahme genehmigt werden müsste. Wieder gilt: Wenn der Zugang am Handy ist, darf er verwendet werden. Ähnlich, als würde die Polizei bei einer Razzia Kontoauszüge in Papierform finden.
Wo liegt die Grenze?
Die Ermittler dürfen nur den Ist-Zustand aufnehmen. Ein Beispiel: Ein Beschuldigter kommuniziert nach der Beschlagnahme über ein anderes Gerät, das mit seiner Cloud verbunden ist, weiter oder tauscht Daten ab. Die Polizei könnte theoretisch mitlesen. Sie braucht dafür aber eine gesonderte Genehmigung, weil das eine Überwachung darstellen würde.
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