Regierung zur Corona-Krise: "Das Leben in Europa wird sich grundlegend ändern"

Austrian Chancellor Sebastian Kurz and Health Minister Rudolf Anschober attend a news conference in Vienna
Schulen ab Montag geschlossen, Eltern bekommen bis zu drei Wochen Freistellung, Besuchsverbot in Spitälern.

"Wir erleben einen rasanten Anstieg der Zahlen nicht nur in Italien, sondern auch in Österreich. Wir müssen aufgrund der stetigen Steigerung der Infektionszahlen konsequente Maßnahmen setzen", sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz heute bei der Pressekonferenz zur aktuellen Coronavirus-Lage im Land. Kontakte seien auf ein Minium zu reduzieren. 

Die neuen Maßnahmen der Regierung deshalb: 

  • Innerhalb der nächsten Wochen wird es keine Hochzeiten und Taufen geben.
  • Zudem werden Messen soweit es geht ausgesetzt.
  • Die Landeshauptleute in Vorarlberg und der Steiermark haben die Wahlen verschoben.
  • Der Schulbetrieb wird ab nächster Woche bis einschließlich Ostern de facto ausgesetzt. Oberstufenschüler bleiben ab Montag den Schulen fern.
  • Jüngere Schüler sollen zuhause bleiben. Geht das nicht, werden die Kinder in Gruppen von drei Personen in der Schule betreut.

Regierung informiert über Entwicklungen der Coronavirus-Pandemie

"Üben Sie sich in Zurückhaltung"

Kurz betonte, dass der Staat weiter funktionieren wird. Die kritische Infrastruktur sei überprüft worden, für den Fall, dass die Infektionsraten rasant ansteigen sollten.

Kritische Infrastruktur, erklärten die Regierungsmitglieder auf Nachfrage, sind intakt. Dazu gehören neben Spitälern und Polizei auch Supermärkte (Lebensmittelversorgung) und Apotheken (Medikamentenversorgung). "Wir brauchen Supermärkte, Energieversorger und die Exekutive", nannte Kurz beispielhaft auch jene Personengruppen, die für die Aufrechterhaltung des Alltags in Österreich gebraucht werden. Also jene, die keine Heim-Arbeit machen können, die also "arbeiten gehen müssen".

"Die älteren Menschen muss ich bitten, sich einzuschränken. Reduzieren Sie den Kontakt zu Familien und Enkelkindern. Holen Sie das zu einer späteren Zeit nach."

"Es war zu befürchten, dass wir es mit einer Pandemie zu tun haben. Die Steigerungsraten sind in Europa derzeit am gravierendsten", sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober

22.000 Erkrankungen gibt es derzeit in Europa. Es zeichne sich keine Dämpfung ab. In Italien sind schon über 800 Menschen daran verstorben.

"Mit sehr konsequenten Maßnahmen können wir Veränderungen erreichen", sagt Anschober und zeigt dabei eine exponentiell steigende Kurve an Infektionen.

Nicht Praxen oder Ambulanzen aufsuchen

Anschober mahnte zum wiederholten Male, Hotlines anzurufen, wenn man Symptome hat und nicht Praxen oder Ambulanzen aufzusuchen.

Derzeit gebe es 361 Infektionen in Österreich. "Ich rechne noch heute damit, dass wir 400 Infektionen haben werden."

Die täglichen prozentualen Zuwächse liegen bei 30 bis 40 Prozent. "Maßnahmen, die ich heute setze, wirken erst in einer Woche", erklärt Anschober.

"Spitäler haben beschränkte Kapazitäten", argumentiert Kurz, warum die Rate der Neuinfektionen so gering als möglich zu halten ist.

Kurz rechnet damit, dass übernächste Woche bis zu 10.000 Neuinfektionen gemessen werden könnten. "Alle sehen eine große Gesundheitskrise in Europa. Viele Staaten überlegen Maßnahmen. Ich wünsche mir etwas mehr Europa."

In Österreich wird es einen Ressourcenplan für die Spitäler geben müssen, um die Situation gut im Griff zu haben.

Die Arbeitspotenziale sollen aufrecht erhalten bleiben. In der Lombardei kollabierte das Krankenhaussystem schon.

Weitestgehende Besuchsreduktion in Spitälern

Anschober avisiert, dass die Krankenhäuser künftig nicht mehr besucht werden sollen. Einzige Ausnahme kleine Kinder und Palliativpatienten.

"Das Leben in Europa wird sich grundlegend ändern", sagt Anschober und verweist auf die Religionsgemeinschaften und die Reduktion aller Messen.

Karl Nehammer spricht von 8000 Kontrollen an den Grenzen. Der Güterverkehr soll weiter laufen, so Nehammer. Es gehe um "Bewegungseinschränkungen", die man nun akzeptieren müsse. Nehammer appelliert an die Medien, zu differenzieren und besonders bedacht zu nehmen auf Fake-News und Panik machenden Informationen im Internet.

Wie weit geht Reduktion der sozialen Kontakte?  "Wir müssen die sozialen Kontakte auf ein Mindestmaß reduzieren", sagt Kurz auf Nachfrage. Am Freitag werden weitere Informationen kommuniziert, die den Alltag der Österreicher betreffen werden.

1000 Menschen sind in Österreich in Teil-Quarantäne

Arbeitnehmer mit Betreuungspflichten für Kinder unter 14 Jahren können von ihren Arbeitgebern eine Freistellung von bis zu drei Wochen bekommen. Die Entscheidung darüber trifft der Arbeitgeber. Das sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bei einem Pressestatement Donnerstagnachmittag.

 "Die Unternehmer entscheiden, ob sie die Mitarbeiter freistellen können." Im Falle einer Freistellung übernimmt der Staat ein Drittel der Lohnkosten in den nächsten Wochen bis Ostern. Wer arbeiten muss, könne seine Kinder weiter in den Kindergarten oder die Schule bringen. Auf keinen Fall dürfen die Kinder zu den Großeltern gebracht werden, sagte Kurz.

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