Hinter dem System, so Wess, "steckte kein Genie und keine großartige kriminelle Energie. Es war scheinbar nicht schwer, mit gefälschten Bankbestätigungen zu operieren".
Diese Methode war offenbar das Herzstück, um die Bank, die laut Aussagen von Pucher eigentlich seit dem Jahr 2000 pleite war, am Leben zu halten. So soll das kleine Institut kurz vor dem Crash bei elf Großbanken (drei Konten gab es tatsächlich, acht existierten gar nicht) jeweils an die 40 bis 60 Millionen Euro liegen gehabt haben, tatsächlich hätten die echten Einlagen aber einmal bloß 300.000 und einmal 100.000 Euro betragen. Die gefälschten Bankbestätigungen wurden im Auftrag von Pucher von seinem Co-Vorstand Franziska K. angefertigt, weil Pucher selbst mit dem Computer nicht umgehen konnte.
Die Mattersburger "Fälscherwerkstatt" funktionierte denkbar simpel: In der Bank existierte ein Schließfach, wo offenbar die Vorlagen für diese Fake-Bankbestätigungen gesammelt lagen. Franziska K. recherchierte die Namen von aktuellen Sachbearbeitern in den diversen Banken, setzte die millionenhohen Fantasiebeträge und die Namen der Sachbearbeiter samt Durchwahl in die Bestätigung ein.
Wenn beispielsweise eine Tiroler Bank eine Bankeinlage der Commerzialbank für den Wirtschaftsprüfer bestätigen sollte, wurde dann ein Fahrer mit dem Kuvert und der gefälschten Bestätigung eigens nach Innsbruck aufs Postamt geschickt, damit die Wirtschaftsprüferkanzlei TPA die Betätigung mit einem Innsbrucker Poststempel erhielt. Der schlichte Gedanke dahinter: Mit dem Poststempel wollte man Authentizität schaffen.
Das System ging offenbar fast 30 Jahre (!) bei allen Prüforganen durch. Denn Pucher gibt bei seinen Einvernahmen vor den Staatsanwälten zu, dass er schon 1992, als er noch bei der lokalen Raiffeisenbank arbeitete, mit dieser Trickserei begonnen hatte, weil der Erfolgsdruck zu groß war.
"Das System hätte schon viel früher auffliegen können, wenn die Wirtschaftsprüfer oder auch die FMA die Bankbestätigungen direkt bei den betreffenden Banken eingeholt hätten. Dazu müssten diese von der Commerzialbank Mattersburg vom Bankgeheimnis entbunden werden. Und wäre Martin Pucher damit nicht einverstanden gewesen, so hätten alle Alarmglocken läuten müssen", kritisiert Wess.
Unmengen an Fake-Krediten waren die zweite Säule des Luftschlosses Commerzialbank Mattersburg. Hier wurden Kredite an Ärzte oder Rechtsanwälte in Wien vergeben, beispielsweise über 290.000 Euro für die Modernisierung der Arztpraxis oder einer Kanzlei. Diese Kredite wurden dann als Barauslage verbucht und wieder eingezahlt. Damit generierte die Commerzialbank Liquidität, die gar nicht existierte. "50 bis 60 Prozent an diesen Fake-Krediten flossen wieder an die Bank zurück. Mit diesem Kreislauf hielt man die Bank am Laufen", bestätigte Pucher bei seiner Einvernahme. Die Forensiker der Staatsanwaltschaft gehen davon aus. dass sogar 80 Prozent in die Bank flossen.
Zwischen acht und zwölf Prozent, so Pucher bei seiner Einvernahme, flossen mit falschen Sponsorverträgen an den SV Mattersburg. "Das wären rund zwischen 40 und 50 Millionen. Aber Martin Pucher hat derzeit keine Unterlagen, weil er keinen Zutritt zur Bank hat. Diese Zahlen gibt er vor der Staatsanwaltschaft aus dem Gedächtnis an", schildert Anwalt Wess.
Auch die anonyme Anzeige, die bereits Anfang dieses Jahres bei zwei Staatsanwaltschaften (in Eisenstadt und bei der WKStA) einging, bezieht sich inhaltlich auf dieses Fake-Kredit-Karussell. Also scheint das System dem einem oder anderen Mitarbeiter doch suspekt gewesen zu sein.
Dann gab es noch die notleidenden Kredite zahlreicher Unternehmen. Diese stockte Pucher auf, damit er sie in der Bilanz nicht wertberichtigen musste, denn sonst wäre der Schwindel schon viel früher aufgeflogen. Dadurch konnte marode Unternehmen jahrelang weiteroperieren, obwohl sie eigentlich schon längst insolvent gewesen wären.
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