"Bemerkenswert": Was IT-Experten auf Pilnaceks Smartwatch fanden

TIROL: PROZESS / IBIZA U-AUSSCHUSS GEGEN OSTA JOHANN FUCHS: PILNACEK
Die Staatsanwaltschaft Krems prüft, ob Ermittlungen zum Tod des Ex-Justiz-Sektionschefs eingeleitet werden müssen. Inzwischen liegen ihr Chats und ein weiteres gerichtsmedizinisches Gutachten vor, zudem wurde der Uhren-Hersteller kontaktiert.

14 Seiten hat ein Bericht von IT-Experten der Justiz, die Daten der Smartwatch von Christian Pilnacek ausgewertet haben. Der Bericht bot Anlass für eine „erweiterte Auswertung“, zu der die Staatsanwaltschaft Krems am 11. Juni per Weisung ersucht wurde (der KURIER berichtete)

Konkret geht es um Gesundheitsdaten, die sich in verschlüsselter Form in einer Datenbank befinden – und (noch?) nicht ausgewertet werden konnten. Laut den IT-Experten könnten Daten über „Herz-, Handgelenksbewegungs- und Sonstige-Events (Ereignisse, Anm.)“ dazu dienen, die letzten Stunden des früheren Justiz-Sektionschefs zu erörtern. Ihr Rat: den Hersteller kontaktieren. 

Am Dienstag heißt es auf KURIER-Anfrage bei der Staatsanwaltschaft Krems, es sei dort bereits um Datenbeschaffung ersucht worden.

206 Chats werden geprüft

Der IT-Bericht wurde ursprünglich von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in Auftrag gegeben, da diese wegen möglicher Interventionen beim früheren Justiz-Sektionschef Pilnacek gegen „unbekannte Täter“ ermittelt. 

Dabei wurden 206 Chats, die zwischen Handy und Smartwatch synchronisiert waren, wiederhergestellt und liegen nun auch den Kremser Kollegen vor. Diese werden derzeit geprüft; ob sie relevant sind oder nicht, ist laut einem Staatsanwaltssprecher noch offen. 

Laut IT-Bericht stammt die letzte Chatnachricht vom 19. Oktober 2023 um 23.44 Uhr. Zur Einordnung: Pilnacek wurde an diesem Abend als Geisterfahrer erwischt und von Freundin Anna P. abgeholt. Da schrieb er einem Freund, mit dem er in Wien verabredet gewesen war: „Bin fertig und kann nicht mehr. Alles Liebe.“  

Spätere Chats wurden nicht gefunden, obwohl es ja Aussagen von Freundin Karin W. gibt, er habe nach seiner Ankunft im Haus auf der Terrasse noch Nachrichten geschrieben und eine halbe Flasche Prosecco getrunken. Eine Erklärung aus Pilnaceks Umfeld gegenüber dem KURIER lautet: Pilnacek soll hauptsächlich über verschwindende Nachrichten auf Signal kommuniziert haben.

"Körperliche Aktivität"

Der IT-Bericht liefert noch weitere Ergebnisse, die zwar mehrere Interpretationen zulassen und einen Unsicherheitsfaktor haben (viele Daten haben falsche Zeitstempel), der Staatsanwaltschaft aber dennoch Ansatzpunkte liefern könnten.  

Etwa, dass sich Pilnaceks Smartwatch um 0.55 Uhr ein letztes Mal via Bluetooth mit seinem Handy synchronisiert hat. Ein weiterer Versuch um 1.07 schlug fehl  – möglicherweise, weil das Handy da außer Reichweite war. 

Dazu passt die Aussage von Freundin Karin W., dass er gegen 1 Uhr aus dem Haus ging – ohne Handy, aber mit Smartwatch am Handgelenk. 

Für „bemerkenswert“ halten die IT-Experten, dass der Batterieverbrauch ab 1.23 Uhr „rasch ansteigt“ und ab 4.03 Uhr wieder verlangsamt. 

Im Allgemeinen, so wird erklärt, sei der Verbrauch eines solchen Geräts höher, wenn drahtlose Netzwerkverbindungen oder die Aktivitätssensoren stärker in Anspruch genommen werden – zum Beispiel „im Zuge einer körperlichen Aktivität“. Letzteres würde mit den aufgezeichneten Gesundheitsdaten übereinstimmen.  

Ein Todeszeitpunkt wurde im Obduktionsbericht nicht festgestellt, vielleicht hilft die Smartwatch da weiter.

Bluetooth-Aktivität

„Erwähnenswert“ ist laut den IT-Experten auch, dass die Smartwatch in den Zeitintervallen 1.15 bis 3.55 Uhr am 20. Oktober, und von da weg bis 3.21 Uhr am 21. Oktober offenbar mehrfach über Bluetooth „kommuniziert“ hat. Das macht das Gerät automatisch, ohne Zutun des Besitzers. „Möglicherweise befanden sich in den entsprechenden Zeitintervallen demnach Bluetooth fähige Geräte in der Nähe der Smartwatch“, schreiben die IT-Experten. 

Geborgen wurde der Leichnam am 20. Oktober gegen 8 Uhr. Ab da dürften jedenfalls mehrere Polizisten und Feuerwehrleute mit bluetoothfähigen Geräten in der Nähe gewesen sein. 

Longato-Gutachten liegt vor

Die Staatsanwaltschaft Krems hat Ermittlungen rund um eine mögliche Fremdeinwirkung ja am 1. März 2024 eingestellt, muss nach einer Weisung ihrer Oberbehörde vom 22. April 2025 aber erneut prüfen, ob der Fall wieder aufgerollt wird. Entscheidend sind dafür noch drei Gutachten, die Peter Pilz in seinem Buch "Der Tod des Sektionschefs" zitiert hat. 

Jenes des Innsbrucker Gerichtsmediziners Stefano Longato liegt der Behörde jetzt vor. Er hatte nach einer Anordnung zur Sicherstellung Einspruch eingelegt, dieser wurde per Beschluss des Landesgerichts Krems vom Freitag abgewiesen. 

Aber auch Longato – der nur den Obduktionsbericht analysiert und keine Obduktionsfotos gesehen hat – geht nicht von Mord, sondern eher von einem Unfall aus. 

Unfallchirurg Wolfgang Schaden schreibt in seiner Stellungnahme, die der Staatsanwaltschaft seit Mai vorliegt, dass die beschriebenen Verletzungen am Leichnam nicht zu einem einzelnen Sturz passten, sondern könnten von mehreren Sturzereignissen stammen könnten.  

Die "rechtsmedizinische Stellungnahme" des Berliner Arztes Michael Tsokos ist noch ausständig. Er stellte in den Raum, Pilnaceks Verletzungen könnten von einem Kampf stammen.