Worum es geht
Das Medienprivileg ist eine Ausnahme vom Datenschutzgesetz: Prinzipiell müssen Unternehmen, die personenbezogene Daten verarbeiten, diese Daten und die Quellen gegenüber Betroffenen auf Anfrage offenlegen.
Für Medien und Journalisten gilt das nicht – sie können sich ohne Wenn und Aber auf das Redaktionsgeheimnis berufen. Diese Pauschalausnahme hat der Verfassungsgerichtshof im Jänner 2023 aufgehoben.
Es gilt also, die Interessen von Medienunternehmen und der Öffentlichkeit sowie die Interessen der Betroffenen auszutarieren. Jener Entwurf, der jetzt vorliegt, schaffe das „deutlich besser“ als der ursprüngliche, sagt Medienanwalt und Datenschutzexperte Rainer Knyrim, er sei aber noch nicht ideal.
Zur Illustration eignet sich die aktuelle Causa um die grüne EU-Kandidatin Lena Schilling. Die 23-Jährige geriet diese Woche ja unter Druck, weil ihr Weggefährten ein „problematisches Verhalten“ in ihrem Privatleben nachsagen und Medien darüber berichteten.
Beispiel Lena Schilling
Schilling könnte, wenn sie wollte, ab 1. Juli jenen Medienunternehmen, die über die Causa berichtet haben, eine Anfrage schicken und die Herausgabe jener Daten fordern, die über sie gesammelt wurden. Das können Mitschriften von Gesprächen sein, die Journalisten mit besagten Weggefährten geführt haben, aber auch Dokumente, eMails und Chats.
Im Gegensatz zum ersten Entwurf wurden jetzt Hürden eingezogen: Die Anfrage müsste sich auf einen konkreten Bericht beziehen, die Betroffene müsste erklären, warum sie diese Daten will, und sie müsste einen Pauschalbetrag von 9 Euro für die Bearbeitung bezahlen.
Das Medienunternehmen gibt die Daten dann entweder heraus – oder winkt ab: Und zwar, indem es sich auf das „datenschutzrechtliche Redaktionsgeheimnis“ beruft. Das ist ein neuer Begriff, der jetzt eingeführt werden soll und sich auf die verwendeten Daten bezieht. Der Quellenschutz – also woher die Informationen stammen – soll weiterhin über das bestehende Redaktionsgeheimnis gewahrt bleiben.
Schilling könnte gegen diese Absage bei der Datenschutzbehörde eine Beschwerde einbringen. Das Medienunternehmen müsste dann vor der Behörde „glaubhaft machen“, wie es im Gesetzestext heißt, dass die Daten im Zuge einer journalistischen Tätigkeit gesammelt wurden und es die Meinungs- und Informationsfreiheit zu schützen gilt.
Wer ist überhaupt geschützt?
Hier der erste Kritikpunkt des Datenschutzexperten: Unklar ist im jetzigen Entwurf noch, wer außer den fix angestellten Journalisten noch von diesem Schutz umfasst ist. Betroffene könnten ja beispielsweise versuchen, Redaktionssekretariate, externe Fotografen oder sonstige Kräfte im journalistischen Umfeld anzuzapfen.
Weist die Datenschutzbehörde die Beschwerde zurück, könnte der Fall zur nächsten Instanz, dem Bundesverwaltungsgericht getragen werden, und danach an den Verwaltungsgerichtshof.
Massenanfragen weiter möglich
Ein langwieriger Weg – und damit wären wir schon beim nächsten Kritikpunkt: Massenanfragen, die Medienunternehmen seit dem ersten Entwurf des Justizministeriums befürchten, dürften weiterhin möglich sein.
Angenommen, nach einem Medienbericht stellen zehn Betroffene eine Anfrage: Das Medium müsste jedem Einzelnen antworten, jeder Einzelne könnte Beschwerde einreichen – und die Datenschutzbehörde müsste zehn Verfahren führen. Bedenkt man den Instanzenzug, dann könnten sich solche Verfahren über Jahre ziehen. Knyrim fände es sinnvoller, Sammelverfahren zu ermöglichen.
Um die Verfahren an sich kommen Medien nicht herum, sagt der Anwalt. Das Redaktionsgeheimnis dürfte geschützt bleiben – aber mit deutlich mehr Aufwand als bisher.
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