Wenn die Bundesregierung, die Kinderarmut halbieren und letztlich abschaffen möchte, dann muss die Familienarmut bekämpft werden. Wir sehen in unseren Sozialberatungsstellen, dass die Kinderrichtsätze insgesamt zu niedrig sind. Wir plädieren daher für eine Reform der Sozialhilfe neu und für die Einführung einer Kindergrundsicherung, die sich am Familieneinkommen und den tatsächlichen Kinderkosten orientiert und österreichweit einheitlich ist.
Derzeit sind über 400.000 Menschen ohne Arbeit – ein Umstand, der sich auf das Spendenverhalten der Österreicher auswirkt?
Wir sind intensiv gefordert, weil immer mehr Menschen zu uns kommen. Gleichzeitig müssen wir in unseren Einrichtungen die Corona-Maßnahmen umsetzen, was Kosten verursacht. Zudem haben wegen Corona wichtige Spendenaktionen wie die Haussammlungen der Diözesen nicht stattgefunden. Auf der anderen Seite sehen wir eine ungebrochen hohe Bereitschaft der Menschen zu helfen und private Spender wie Unternehmen, die diese Lücken auszugleichen versuchen. Es ist zu früh zu sagen, wie das Jahr am Ende aussehen wird. Wahr ist: Das Jahr wird für die Caritas ein schwieriges, 2021 ein deutlich schwierigeres Jahr.
Was ist aus dem Runden Tisch „Pakt gegen die Alterseinsamkeit“ der Bundesregierung geworden, an dem auch Sie im September teilgenommen haben?
Die Krise hat eine Not sichtbar gemacht, die schon vor der Corona da war. Ich bin froh, dass sich die Bundesregierung dessen angenommen hat. Doch Einsamkeit trifft Ältere, Jüngere, Familien, Menschen im Homeoffice - eben uns alle. Wir müssen Einsamkeit enttabuisieren und wissen: Wir sind beim Thema Einsamkeit nicht alleine. In anderen Ländern gibt es gelungene Beispiele.
Was kann beispielgebend für Österreich sein?
Holland hat etwa einen „Pakt gegen Einsamkeit“ geschlossen und unterstützt diverse lokale Initiativen. Auch Belgien geht hier voran. Es gibt in anderen Ländern Plauderkassen in Supermärkten, wo Menschen wie früher beim Greißler nicht nur einkaufen, sondern auch tratschen. Oder Postboten, die mit den Kunden plaudern. Auch in Österreich gibt es gute Initiativen, die gestärkt und ausgebaut werden könnten.
Angesichts der Infektions- und Arbeitslosen-Zahlen: Was ist Ihre größte Befürchtung?
In einer Krise wird wie in einem Brennglas immer beides sichtbar: Sowohl die Stärken in einer Gesellschaft wie auch die Gefahr des Egoismus und der Ellenbogenmentalität. Wenn Länder – wie zu Beginn der Krise – einen Wettbewerb beim Einkauf von Masken zu starten, dann ist das ein Wettbewerb, der nur Verlierer kennt. Meine größte Hoffnung ist, aus der Krise gestärkt hervorzugehen, indem wir lernen, aufeinander zu achten, aufmerksam zu sein. Menschen müssen spüren, dass alles mit allem zusammenhängt. Denn klar ist: Aus einer Pandemie kommt niemand alleine. Wo Zuversicht und Zusammenhalt gestärkt wird, dort verändert sich Leben.
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