Spionage-Skandal: Die illustre Gesellschaft der österreichisch-russischen Freundschaft
Mit der möglichen Verwicklung des Unternehmers Florian Stermann in den aktuellen BVT-Skandal gerät auch ein einst äußerst illustrer Verein in den Fokus, der allerdings seit dem 22. Februar 2022 de facto nur mehr auf dem Papier existiert: Die Österreichisch-Russische Freundschaftsgesellschaft (ORFG), für die der umtriebige Stermann bis 2020 als Generalsekretär tätig war.
Was hat es mit dieser Organisation auf sich? Der KURIER klärt auf.
Der aus einem traditionellen Familienunternehmen (Schneiders Taschen) stammende Stermann hatte die Gesellschaft im Jahr 2000 gegründet - gleichsam als Nachfolgerin der österreichisch-sowjetischen Gesellschaft, die 1991 nach dem Kollaps der UdSSR ihre Aktivitäten eingestellt hatte.
Die ORFG verstand sich als Netzwerk für Politiker und Unternehmen, die Kontakte nach Russland suchten. Plattform dafür waren Veranstaltungen, Vorträge und Diskussionsrunden, die der Verein organisierte.
Hochrangige Politiker fast aller Parteien
Dort gaben sich hochrangige Politiker jeder Couleur und Manager die Klinke in die Hand. Die Liste prominenter Namen, die im Laufe der Zeit in den Gremien der ORFG vertreten waren, ist lang und reicht laut Medienberichten vom ehemaligen ÖVP-Innenminister Ernst Strasser über Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer, ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian, SPÖ-Politiker wie Andreas Schieder und Christoph Matznetter bis hin zu FPÖ-Politikern wie Markus Tschank und Johannes Hübner.
Präsident war von 2015 bis 2020 der ehemalige OMV-Chef Richard Schenz. Ihm folgte der Vermögensberater und Winzer Maximilian Habsburg-Lothringen nach. Ein Übergang, der mit schweren internen Verwerfungen einherging, die angesichts des aktuellen Spionage-Skandals in einem anderen Licht erscheinen.
Stermann hatte nämlich enge Kontakte zu den Wirecard-Managern Markus Braun und Jan Marsalek letzterer ist Schlüsselfigur im aktuellen BVT-Skandal. Marsalek wird mittlerweile der Spionage für Russland verdächtigt und hat sich abgesetzt.
Marsalek und Braun als "Senator"-Mitglieder
Als Wirecard weltweit noch als angesehener Finanzdienstleister galt, wurden Marsalek und Braun wohl auf Stermanns Initiative „Senator“-Mitglieder der ORFG. Mit diesem privilegierten Status waren Mitgliedsbeiträge von 10.000 Euro verbunden.
Der an sich aus einem ÖVP-Umfeld stammende Stermann soll laut einem ehemaligen ORFG-Mitglied zudem zunehmend die Nähe zu FPÖ-Politikern gesucht haben. Zu Ex-Parteichef Heinz-Christian Strache, aber auch zu Ex-Klubchef Johann Gudenus, der nun ebenfalls in den aktuellen Ermittlungsakten auftaucht. Stermann soll als Mittelsmann zwischen ihm und Marsalek fungiert haben.
Seine Bemühungen, Gudenus ins ORFG-Präsidium zu hieven, sollen aber am Widerstand anderer Mitglieder gescheitet sein. Grund dürfte das mitunter brachiale Auftreten des Blauen als Oppositionspolitiker gewesen sein.
Als im Jahr 2020 der Wirecard-Skandal publik wurde, legte man Stermann nahe, die Funktion als Generalsekretär abzugeben, um einen möglichen Image-Schaden von der ORFG abzuwenden, wie es ein ehemaliges Mitglied dem KURIER schildert. Zunächst hätte Stermann eingewilligt, dann aber dafür gesorgt, dass ein befreundeter Anwalt Generalsekretär und Habsburg-Lothringen Präsident wurde.
"Feindliche Übernahme"
Diese „feindliche Übernahme“, nahmen einige namhafte Mitglieder zum Anlass, um die ORFG zu verlassen und 2021 eine eigene Freundschaftsgesellschaft zu gründen: Das Forum Österreich-Russland (FOR). Bald darauf brach jedoch der Ukraine-Krieg aus, womit weitere Aktivitäten unmöglich wurden.
Ähnlich erging es auch der ORFG: Im März 2022 verurteilte sie scharf noch den russischen Angriff und rief zu Spenden für humanitäre Hilfe für die Ukraine auf. Im Jahr drauf dann der letzte Eintrag auf der Facebook-Seite anlässlich des Todes von Ex-Präsident Schenz. Seitdem herrscht Funkstille.
Kommentare