Buwog-Prozess: "Nicht einmal das Fuzerl eines Indizerls"

Buwog-Prozess: "Nicht einmal das Fuzerl eines Indizerls"
Endspurt im Prozess gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und andere.

„Das ist gut gemachter Hokuspokus, aber so funktioniert Strafrecht nicht.“ Norbert Wess, seines Zeichens Anwalt von Karl-Heinz Grasser, wischte mit Sätzen wie diesem das Schlussplädoyer der Anklage vom Tisch. Und Grassers Langzeit-Anwalt, Manfred Ainedter, setzte launig nach: „Es gibt nicht einmal das Fuzerl eines Indizerls.“

Zwei Plädoyers im Prozess der Superlative innerhalb von 24 Stunden – und zwei Stile wie sie nicht anders sein könnten. Zugegeben, die Staatsanwälte erhalten den Pokal für den medial besser verkaufbaren Schlussvortrag.

Entgleiste Polemik

Sie arbeiteten mit unangebrachter Polemik, die streckenweise entgleiste – so nannten sie Grasser, Walter Meischberger, Peter Hochegger und Ernst Karl Plech die „Viererbande“. Ein unwürdiger Vergleich – denn sie stellen Grasser & Co. damit auf die Stufe von kommunistischen Massenmördern – der „Viererbande“ aus der chinesischen Kulturrevolution.

Doch zurück zum Inhalt: Die Anklage tischte eine Version der Causa Grasser auf, die plakativ zeigen sollte, wie Grasser die angeblichen Schmiergelder aus der Buwog-Privatisierung auf diversen Konten über die halbe Welt bis nach Belize geschickt und dann im Jahr 2008 (zwei Jahre nach seinem Ausstieg aus der Politik) große Aktienpakte der Meinl international Power gekauft haben soll, um damals eine Kampfabstimmung der Aktionäre gegen ihn abzuwehren.

Die Staatsanwaltschaft hatte auch vorgebracht, dass Auszahlungen vom Liechtensteiner Konto, wo ein Teil der Buwog-Provision lag, mit Bareinzahlungen auf Grasser-Konten korrelieren. Für Wess ist das an den Haaren herbeigezogen: Wenn ein Mord in Favoriten passiere, könne man auch nicht sagen, Wess sei zu der Zeit in Wien gewesen, der müsse es gewesen sein.

Soweit die Kurzversion des Plädoyers der Anklage. Was selbst Prozessbeobachter vermissten: Gänzlich unter den Tisch fallen ließen die beiden Staatsanwälte die Aussage ihres Hauptbelastungszeugen Michael Ramprecht.

„80 Prozent der Anklageschrift haben wir im Plädoyer der Staatsanwaltschaft nicht mehr gehört. Übrig geblieben sind nur die Geldflüsse“, so Wess. Wie gesagt, die Staatsanwaltschaft hatte möglicherweise das plakativere Schlusswort. Juristisch gesehen war es Wess, der mehr punkten konnte.

Tathandlung fehlt

Wess stellte gleich zu Beginn seines Plädoyers fest: Es fehlt das „Herzstück in der Anklage“ – und er bat die Schöffen kritisch zu bleiben. Das lohne sich. Denn: „Ohne Tathandlung gibt es kein Strafdelikt.“ Die angebliche Tathandlung zerpflückte Wess akribisch und dokumentierte mit zahlreichen Zitaten des Hauptbelastungszeugen Michael Ramprecht (er sprach 2009 von einem „abgekarteten Spiel“), dass dessen Aussage von Rachegefühlen getrieben – und daher unglaubwürdig – war. So sagte Ramprecht im Prozess aus: „Wenn Herr Grasser mit mir fair umgegangen wäre, würde Herr Grasser woanders sitzen.“

Auch die zweite Säule der Anklage – nämlich den Tatplan, den Willi Berner, der ehemalige Kabinettsmitarbeiter von Ex-Infrastrukturminister Michael Schmid (FPÖ), der Staatsanwaltschaft verriet – versuchte Wess zu zerschmettern.

Berner habe sich im Vorfeld seiner Aussage mit dem Staatsanwalt im Kaffeehaus getroffen – weil er mit seiner Aussage auch in Gefahr war, eine „Verleumdung oder eine Falschaussage zu tätigen“. Danach habe Berner ein „gutes Gefühl“ gehabt, denn „sonst hätte es die Aussage nicht gegeben“, sagte Berner sogar vor Gericht aus.

Und nicht zuletzt versuchte Wess zu zeigen, dass der „Geheimnisverrat von Grasser“ über die Höhe der Bietersumme von 960 Millionen nicht stattgefunden habe. Wie das? Wess listete detailliert auf, dass mehr als 100 Personen über die Höhe des Angebots des Mitbewerbers CA-Immo informiert waren. Und auch die zweite Bieterrunde nicht von Grasser angeordnet, sondern von Experten aus der Vergabekommission empfohlen wurde.

Zum Abschluss forderte Wess den Freispruch – woraufhin Richterin Marion Hohenecker trocken meinte: „Das ist durchgeklungen.“ Eine Bemerkung, die Prozessbeobachter so interpretieren, dass Hohenecker trotz schwacher Beweislage verurteilen will. Denn die freie Beweiswürdigung ist unangreifbar.

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