Die Macht der Wahlumfragen

Die Kanditaten für die Bundespräsidentschaftswahl.
Kanzler Werner Faymann fordert die Wähler auf, mit Umfragen kritisch umzugehen.

Kurz vor der Wahl des neuen Bundespräsidenten, war es dem Kanzler und seinem Vizekanzler Reinhold Mitterlehner wichtig, diesen Appell an die Bürger zu richten. Mitterlehner zeigte sich verärgert darüber, wie mit Meinungsumfragen Politik gemacht werde.

Welch vielschichtige Dynamik sich gerade im Wahlkampf-Endspurt entwickeln kann, hat das Duell um Wien im letzten Oktober gezeigt. Häupl gegen Strache. Kopf an Kopf. So wurde es von den meisten Medien und Meinungsforschern prognostiziert, doch gekommen ist es anders. Auf der einen Seite habe die Angst vor einem Bürgermeister Strache träge SPÖ-Wähler wahlmunter gemacht, so der Tenor nach der Wahl. Auf der anderen Seite wurde die Glaubwürdigkeit von Umfrage-Instituten infrage gestellt und ihnen ein Versagen zu Lasten gelegt.

Keine Umfragen vor der Wahl?

Sowohl Faymann als auch Mitterlehner betonten am Dienstag jedoch zusätzlich, dass sie von einem Umfrageverbot vor der Wahl wenig hielten. Solche Regelungen gibt es in Europa beispielsweise in Frankreich, Spanien oder Portugal. In diesen Ländern darf ein bis zwei Wochen vor der Wahl keine Umfrage veröffentlicht werden. Ein solcher Vorstoß würde hierzulande aber die falschen Reaktionen auslösen, darüber müsste man, wenn überhaupt, reden, wenn keine Wahl ist, sagt Mitterlehner. Was er damit meint, ist offensichtlich. Gerade jene, die von den aktuellen Umfragen nicht profitieren, sollten nicht laut nach einem derartigen Verbot schreien. Besser wäre es, sich zuerst ernsthaft mit der unangenehmen Frage auseinanderzusetzen, warum ihre Kandidaten so schlecht abschneiden.

Gewinnt man zwei Prozentpunkte, obwohl die Menschen sich fünf erhofft hatten, ist das eine gefühlte Niederlage. Umgekehrt kann aus einer Niederlage aber auch ein Sieg werden, wenn die Verluste geringer als erwartet ausfallen. In dem Wahlkampf-Spiel geht es also auch um Erwartungshaltungen und dass Bürgermeister Michael Häupl diese Dynamik kennt, gab er schon vor längere Zeit mit diesem Satz zu: "Wie man mit Umfragen manipuliert, das weiß ich auch."

Auch Politologe Wolfgang Bachmayer vom Meinungsforschungsinstitut OGM sieht die Macht der Umfragen. "In diesem Wahlkampf habe ich schon länger gesagt, dass sich eine Situation entwickeln kann, wo gewisse Wähler, die zu einem Kandidaten neigen, sich anders entscheiden werden, wenn sie merken, dass dieser keine Chance hat. Sie werden sich dann aus taktischen Gründen umorientieren", so Bachmayer. Ein prominentes, aktuelles Beispiel ist Wolfgang Petritsch, SPÖ-Diplomat und ehemals Vertrauter des SPÖ-Kanzlers Bruno Kreisky. Aufgrund der vorhersehbaren Katastrophe für den SPÖ-Kandidaten Rudolf Hundstorfer wirbt er nun für Alexander Van der Bellen, um einen Sieg von Norbert Hofer zu verhindern.

Beeinflussen von Wählern

Meinungsforschung misst Momentaufnahmen, da sind sich Experten und die meisten Laien einig. Der tatsächliche Einfluss von Umfragen auf das konkrete Wahlverhalten ist in der Forschung jedoch umstritten. Demoskopische Erkenntnisse dienten verlässlich dem Fein-Tuning der Wahlkampfausrichtung, sie seien aus dem Alltag der Parteizentralen für strategische Überlegungen nicht mehr wegzudenken, sagt etwa der deutsche Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte, Direktor der NRW School of Governance der Universität Duisburg-Essen, gegenüber der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. Hier entfalte die Demoskopie ihre stärkste Wirkung, wenn es darum geht, Strategien zur gezielten Beeinflussung der Wählerschaft zu erreichen.

Umfragen seien nach Korte nicht wahlentscheidend. Aber über sie werde in Familien und am Arbeitsplatz gesprochen. Dort werde abgewogen, was das Ergebnis bedeutet. Wähler würden nicht nur Favoriten lieben, sondern wollten auch gerne bei den Siegern sein. Umfragen könnten insofern auch demobilisieren, wenn es aussichtslos erscheint und ebenso mobilisieren, wenn es knapp werden könnte. Sie sind nach Korte nur ein kleiner Baustein für Wähler, um sich ein Bild über die Zukunftsfähigkeit von Parteien zu machen, aber kein unbedeutender.

Viel Macht bei den Medien

"Umfragen beeinflussen die Wähler, da bin ich mir ganz sicher", meint Gabriele Michalitsch vom Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien. Gerade dort, wo es keinen bevorzugten Kandidaten gibt und Menschen aus taktischen Gründen wählen, wäre dies der Fall. Und, wenn es um das Verhindern eines anderen Kandidaten ginge.

"Das gehört dazu und ist ein legitimes Wahlmotiv", sagt Michalitsch. Was das Umfrageverbot vor den Wahlen betrifft, zeigt sich die Politikwissenschaftlerin entspannt. "Der Status quo in Österreich ist in Ordnung". Es sei ja nicht so, dass den Wählern komplett verwirrende Informationen noch kurz vor der Wahlzelle präsentiert würden.

Politologe Bachmayer betont, dass auch viel Macht bei den Medien liegen würde, Umfragen würden lediglich das Rohmaterial für Berichte liefern. Von einem Umfrageverbot vor Wahlen hält Bachmayer naturgemäß nicht viel. Auf die Frage nach dem idealen Zeitpunkt für Publikationen von Umfragen antwortet er: "Da gibt es keinen."

Kommentare