Van der Bellen gegen Neuwahl-Verbot

Bundespräsident Alexander Van der Bellen
Der Bundespräsident sieht keinen Grund für eine Verkürzung der Legislaturperiode und keinen Schaden durch Doppelstaatsbürgerschaften. Der Streit um das Relocation-Programm sei ein "kurzfristiger Ausrutscher".

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hält nichts von einem Neuwahl-Verbot und einer Verkürzung der Legislaturperiode auf vier Jahre. "Ich sehe den Sinn nicht. Wir haben die Legislaturperiode gerade vor nicht allzu langer Zeit von vier auf fünf Jahre verlängert", sagte Van der Bellen im Interview mit dem ORF-Magazin "Report".

"Es ist das verfassungsmäßige Recht der Mehrheit des Nationalrats, Neuwahlen zu beschließen. Ein solches Recht dem Nationalrat zu entziehen, da müssen schon sehr schwerwiegende Gründe vorliegen, die ich jetzt nicht sehe", erklärte Van der Bellen zu der von Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker losgetretenen Diskussion.

Zum nächsten Wahltermin meinte der Bundespräsident, dass es in der Regierung maßgebliche Stimmen gebe, die der Meinung seien, man sollte zum regulären Wahltermin im Herbst 2018 wählen, andere würden ins Treffen führen, dass dies wegen Österreichs EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2018 problematisch wäre. "Ich persönlich glaube, das ist schon ein Argument, dass man ernst nehmen sollte, aber wahrscheinlich ist eine Neuwahl im Herbst 2018 auch möglich, trotz Ratspräsidentschaft."

Doppelstaatsbürgerschaften

Im Zusammenhang mit der aktuellen Diskussion um Doppelstaatsbürgerschaften rät Van der Bellen zu Gelassenheit. "Ich sehe das große Problem nicht darin, dass jemand zwei Staatsbürgerschaften hat. Ich sehe nicht, was dem österreichischen Staat dadurch für ein Schaden entsteht", meinte Van der Bellen. Den SPÖ-ÖVP-Streit um das Flüchtlingsumverteilungsprogramm der EU und die Aufnahme von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen aus Italien nannte Van der Bellen im "Report" einen "kurzfristigen Ausrutscher" der Regierung, "der ja sofort wieder zurückgenommen worden ist".

Bei der von der ÖVP forcierten Kürzung bzw. Indexierung der Familienbeihilfe für im EU-Ausland lebende Kinder würde sich Van der Bellen wünschen, "es nicht auf die Spitze zu treiben" und eine entsprechende Regelung nur im Einklang mit Brüssel und nicht im Alleingang umzusetzen. Skeptisch zeigte sich das Staatsoberhaupt in punkto Einrichtung von Flüchtlingscamps in Afrika. "Ich habe bis jetzt noch keinen praktikablen Vorschlag gehört, wie man das umsetzen könnte. Ich glaube das ist alles unausgegoren." Van der Bellen plädiert dafür, mit solchen Vorschlägen nicht vorschnell an die Öffentlichkeit zu gehen.

Erleichterung nach Frankreich-Wahlgang

Erleichtert äußerte sich der Bundespräsident im Hinblick auf die Präsidentschaftswahl in Frankreich. "In Frankreich bin ich optimistisch, dass (der pro-europäische Zentrumspolitiker Emmanuel) Macron als Vertreter einer pro-europäischen Haltung gewinnen wird." Van der Bellen sprach von einem positiven Trend in Europa, den man schon bei der Präsidentschaftswahl in Österreich beobachten konnte. "Wir sollten uns davon befreien, dass die europafeindlichen Strömungen in Europa zunehmen. Das ist vorbei."

Bundespräsident Alexander Van der Bellen ist am 5. Mai 100 Tage im Amt. Dort fühlt sich der Präsident inzwischen "angekommen".

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