Bundespolizeidirektor Takàcs: "Dass man darüber diskutieren muss, ist traurig"
Michael Takacs ist der oberste Chef der Polizistinnen und Polizisten. Er hält Österreich noch immer für eines der sichersten Länder.
KURIER: Diese Woche spielt die Gruppe Coldplay in Wien, und das Ernst-Happel-Stadion ist viermal ausverkauft. Nach dem vereitelten Terroranschlag beim Taylor-Swift-Konzert muss noch mehr Polizei zur Sicherheit aufgeboten werden. Kann die Exekutive das überhaupt noch ordentlich managen?
Michael Takacs: Ja. Ich bin in der glücklichen Lage, dass ich rund 32.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter habe. Wir haben eine Bundespolizei. Das heißt, je nachdem, wo ich mehr Kräfte brauche, können sie zu Unterstützungsleistungen in andere Bundesländer verschoben werden.
Fehlen diese Polizisten dann in ihren Bundesländern?
Nein, wir haben die entsprechenden Reserven. Somit ist die tägliche Sicherheitsaufgabe, die es abzuarbeiten gilt, in keiner Weise gefährdet.
Grundsätzlich: Wie beurteilen Sie die derzeitige Sicherheitslage in Österreich? Die Insel der Seligen sind wir ja schon lange nicht mehr.
Kein Land würde eine Reisewarnung für Österreich aussprechen. Die internationalen Indikatoren sprechen da für sich. Wir sind noch immer eines der sichersten Länder der Welt. Das ist Fakt. Wir sind immer noch sehr, sehr sicher.
Aber auch wenn die Indikatoren uns als sicheres Land ausweisen, das Sicherheitsgefühl der Österreicher zeigt derzeit in die andere Richtung. Hat da auch die Migrationswelle in den vergangenen Jahren dazu beigetragen?
Zu 100 Prozent, da braucht man gar nichts beschönigen. Die Gewaltspirale hat sich nach oben gedreht, vor allem wenn es um Taten von Jugendlichen geht. Die Kriminalstatistik belegt uns, dass die Gewalttaten mehr geworden sind. Das heißt, wir brauchen mehr Polizisten auf der Straße.
Das ausführliche KURIER TV- Gespräch mit Michael Takàcs
Betrifft das vor allem den Migrationsbereich?
Das betrifft alle Bereiche. Wir haben aber sehr viele Täter mit Migrationshintergrund, obwohl diese teilweise schon in der dritten Generation in Österreich leben. Wenn man speziell die Stadt Wien ansieht, muss dazugesagt werden, dass diese seit 2010 um 300.000 Menschen gewachsen ist. Deswegen sind die Aufgaben der Polizei auch vielfältiger geworden, und deswegen braucht man – ich sage das jetzt ganz offen – auch mehr Personal.
Wien hat derzeit zu wenige Polizistinnen und Polizisten?
Ich wäre ein schlechter Bundespolizeidirektor, wenn ich sagen würde, ich habe genug Personal.
Also muss man schauen, dass Wien noch mehr Polizei bekommt.
Definitiv. Aber es ist schon wichtig, zu sagen, dass wir eine Rekrutierungsoffensive gestartet haben, und diese wirkt, die Bewerber- und Aufnahmezahlen steigen wie nie zuvor.
Jetzt kommt noch dazu, dass zuletzt ethnische Bandenkämpfe, etwa Syrer gegen Tschetschenen, für große Aufregung gesorgt haben. Ist das eine neue Dimension der Gewalt in Wien?
Ich würde mir wünschen, dass nicht immer gleich von Banden geredet wird. Bei mir gehören Banden zur Organisierten Kriminalität. Solche milieubedingten Konflikte, wie sie jetzt ausgetragen worden sind, hat es immer schon gegeben. Der einzige Unterschied ist, dass jetzt die Konfliktherde über soziale Portale schneller vereinbart werden. Und das ist natürlich für die Polizei eine neue Herausforderung.
Interessant ist, dass schließlich Vertreter der Syrer und der Tschetschenen öffentlich eine Art Friedensvertrag geschlossen und damit die Konflikte beendet haben. Nach dem Motto: Dazu brauchen wir keine Polizei, das erledigen wir selber.
Ich finde es gut, wenn Menschen vernünftig miteinander reden, um solche Konflikte in Zukunft zu verhindern. Es ist zu begrüßen, wenn milieubedingte Gruppen einen Friedensvertrag abschließen, um die Gewalt einzudämmen. Was wir jedoch strikt ablehnen, ist ein paralleler Rechtsstaat.
Aber ist das nicht eine Art Parallelwelt, in der sich diese Gruppen alles ohne die Polizei regeln wollen?
Wir werden dennoch weiter ermitteln, und da leisten Bundes- und Landeskriminalamt hervorragende Arbeit. Die Ermittlungen sind schon sehr weit fortgeschritten. Wir werden die Auslöser, die da involviert waren, bekommen. Mit oder ohne diesen Friedensvertrag.
Wir haben vorhin über die schwierige Personalsituation in der Polizei gesprochen. Wie sieht es da mit dem Nachwuchs aus?
Das ist wirklich eine Herausforderung. Wir haben zwei Bundesländer, die besonders betroffen sind. Das eine ist Wien, das andere Vorarlberg. In Vorarlberg ist das Leben grundsätzlich teurer. Dazu kommen die Nachbarstaaten wie die Schweiz und Liechtenstein, wo Unternehmen Mitarbeitern sehr viel Geld bezahlen. Und in Wien ist besonders viel los. Da hat man einen anderen Dienstbetrieb im Vergleich zu den übrigen Bundesländern.
Welche Bereiche sind momentan die größten Herausforderungen für die Polizei?
Seit einigen Jahren ist es die Cyberkriminalität. Für mich sind die Polizisten auf einer Polizeiinspektion da die eigentliche Sondereinheit. Sie sind als Erste bei den Einsätzen, und das ohne eine Spezialausrüstung. Man erwartet sich immer Hilfe von ihnen, in jeglicher Situation, bei jeder Herausforderung. Das bedeutet aber auch, dass wir weiterhin sicherstellen, dass der Basisdienst im Fokus bleibt.
Wie sehen Sie den Streit um die Überwachung von sogenannten Messengerdiensten? Hier wollen Innenminister und Polizei mehr Rechte, was allerdings politisch umstritten ist.
Dass man darüber noch diskutieren muss, ist eigentlich schon traurig, weil Österreich eines der wenigen Länder ist, die so etwas nicht dürfen. Das ist für die Polizei ein massiver Hemmschuh. Wir haben jetzt schon die Möglichkeit eines großen oder kleinen Lauschangriffs, wir können Briefe öffnen, natürlich nur, wenn uns die Staatsanwaltschaft dazu beauftragt. Wir können jetzt schon Telefonate mithören, wenn wir beauftragt werden, oder SMS mitlesen. Das Einzige, wo uns die Hände gebunden sind, sind die Messengerdienste. Wo ist da die Logik?
Es gibt die Befürchtung, dass es dann zu Massenüberwachungen kommen wird.
Aber das ist ja der Punkt. Wir machen ja keinen Schritt ohne den Auftrag von einem Staatsanwalt oder einem Rechtsschutzbeauftragten. Das würde dann heißen, dass man nicht nur der Polizei, sondern auch der Justiz nicht vertraut. Es ist schon traurig, wenn wir auf den Goodwill von ausländischen Diensten angewiesen sind, ob man Informationen bekommt oder nicht. Wir brauchen das, um schwere Straftäter aus dem Verkehr ziehen zu können.
Es geht nicht nur um Terror?
Es geht um viel mehr. Es geht auch um Sexualdelikte, etwa um den Bereich Kinderpornografie. Wie kann man gezielt dagegen etwas unternehmen, wenn jeder weiß, dass die Polizei in Österreich auf diesem Auge blind ist? Das muss doch in Österreich von Interesse sein, dass man solche Personen aus dem Verkehr zieht.Ein weiteres Thema ist das Messerverbot. Da wird ebenfalls schon seit Wochen diskutiert, ein Trageverbot im öffentlichen Raum gibt es aber immer noch nicht. Warum braucht die Polizei so ein Verbot?
Es geht darum, dass die Polizei eine ansatzlose Kontrollmöglichkeit hat. Das ist der Punkt.
Noch eine persönliche Frage: Es war erwartet worden, dass Sie der neue Krisenkoordinator im Kanzleramt werden. Jetzt zieht dort ein Bundesheeroffizier ein, und Sie haben sich nicht einmal für den Posten beworben. Warum nicht?
Weil ich aus Leidenschaft Polizist bin und auch aus Leidenschaft diese Funktion des Bundespolizeidirektors übernommen haben. Und weil ich glaube, dass ich mit meinen Fähigkeiten, mit meinen Erfahrungen, der Sicherheit mehr dienen kann als in der Funktion des Krisenkoordinators. Ich bin jedenfalls sehr glücklich mit dem, was ich jetzt machen kann. Ehrlich gesagt, habe ich keine Ambitionen, derzeit etwas Neues anzugehen.
Zuletzt haben Sie für Aufsehen gesorgt, weil Sie sich gegen Vorwürfe aus der FPÖ juristisch gewehrt haben. Warum sind Sie diesen Schritt gegangen und haben das alles nicht einfach so beiseite gewischt?
Grundsätzlich war es früher üblich, dass die Beamtenschaft – und ich bin Beamter des Staates – in keiner Weise politischen Angriffen ausgesetzt ist. Das hat sich jetzt verändert, und das muss man irgendwie auch hinnehmen, auch wenn es aus meiner Sicht nicht richtig ist. Aber in dem Moment, wo sich falsche Behauptungen nicht nur auf das Berufliche, sondern auch auf das Private auswirken, hat man das Recht, sich zur Wehr zu setzen. Nichts anders habe ich getan, und damit ist das wieder aus der Welt geschafft.
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