Wer darf Terror-Drohne abschießen?

Wer darf Terror-Drohne abschießen?
Das Bundesheer rüstet für der Antiterroreinsatz und braucht dafür dringend neue Spielregeln.

Dass bei der Flugshow "Airpower16" in Zeltweg 700 Milizsoldaten etwa 300.000 Besucher auf Waffen abklopfen, ist auch ein Testlauf für einen möglichen Antiterroreinsatz. Denn das Bundesheer wird für die Terrorbekämpfung umgerüstet. Das Problem dabei: Spitzenjuristen sind sich uneinig in der Frage, ob die Armee das überhaupt darf. Der mit viel Engagement und Geld aufgerüsteten Truppe steht eine mehr als 300 Jahre alte, völlig untaugliche Rechtslage gegenüber.

Westfälischer Friede

Auch in Deutschland läuft derzeit eine kontroversielle Diskussion über den inneren Einsatz der Bundeswehr. Nach dem europäischen Kriegsrechtssystem mit der westfälischen Friedensordnung aus 1648, der Haager Landkriegsordnung und den Genfer Zusatzprotokollen war es bis jetzt einfach: Eine Streitpartei griff schwer bewaffnet und uniformiert den Nachbarn an. Das nannte man Krieg, darauf waren die Gesetze zugeschnitten. Die beteiligten Soldaten werden als "Kombattanten" eingestuft, die nach dem Kriegsvölkerrecht agieren. Polizisten sind Zivilisten, die sich in den Krieg nicht einmischen dürfen.

In der heutigen, sogenannten "hybriden" Kriegsführung gibt es aber Angreifer, die als solche nur schwer eingeordnet werden können. So gehört etwa ein Machetenattentäter des sogenannten Islamischen Staates in den Wirkungsbereich der Polizei. Es gibt aber auch "Urlauber", wie jene russischen Spezialkräfte, die überfallsartig die Krim unter Kontrolle gebracht haben. Die gehören dann eher in den Zuständigkeitsbereich der Armee.

Es gibt zwar auf Basis der alten Gesetze eine Reihe neuerer Vorschriften – Bundesverfassung, Wehrgesetz, Militärbefugnisgesetz etc. – aber die Frage, wo nun bei einer Bedrohung die Trennlinie zwischen Polizei und Armee ist, entzweit noch immer die Experten. Dass Soldaten vor Botschaften Wache schieben, ändert daran nichts. Sie sind dort nicht als Soldaten, sondern als "Hilfspolizisten" im Einsatz.

Juristen ratlos

Die Rechtsmisere erlebte Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil schon in seiner Funktion als Polizist bei der Sicherung des Bilderbergergtreffens 2015 in Telfs in Tirol. Dort galt auch ein Drohnenverbot. Diese Kleinflugkörper könnten von Terroristen als Angriffsmaschinen missbraucht werden. Aber wer schießt eine Drohne in Telfs ab? Auf diese Frage fanden damals auch die Juristen des Verteidigungsministeriums keine praktikable Antwort. Denn es müsse zuerst geprüft werden, ob es sich beim Angreifer um einen "staatlichen Akteur" handelt, der die "Souveränität der Republik Österreich" gefährden will. Wenn es sich nur um einen "strafrechtswidrigen Angriff gegen Zivilpersonen" handelt, wäre die Polizei zuständig. Wobei aber das Problem besteht, dass die Mittel für den Abschuss nur das Militär hat. Dieses Rechtsgutachten wird zwar heeresintern als "praxisfern" beurteilt, ist aber noch nicht korrigiert.

Unstrittig ist angesichts der Entwicklung in Europa, dass auch in Österreich ein eventueller Terroranschlag ohne Bundesheer nicht bewältigbar wäre. Minister Doskozil hat die Ausrichtung des Heeres Dank zusätzlicher Budgetmittel in Angriff genommen. Österreich scheint mit seiner Heeresstruktur im EU-Vergleich durchaus gut aufgestellt zu sein.

Ein Beispiel ist Frankreich: Die Franzosen haben 2003 ihre "Grande Armee" auf eine kleine, auf Auslandseinsätze spezialisierte Truppe umgestellt. Der Territorialschutz wurde dabei außer acht gelassen. Bei den umfangreichen Überwachungsmaßnahmen im Zuge der Terrorserie geriet diese Truppe aber sehr rasch an ihre Kapazitätsgrenze. Deshalb kündigte Innenminister Bernard Cazeneuve kürzlich die Gründung einer 84.000 Mann starken Nationalgarde an. Woher die Franzosen die Nationalgardisten rekrutieren wollen und wie sie ausgebildet werden sollen, sind offene Fragen.

Miliz: 31.500 Mann

Das Problem hat sich Österreich mit der Aufrechterhaltung der Wehrpflicht erspart. Die "Nationalgarde" gibt es beim Bundesheer bereits in Form der Miliz. Viele Rekruten gehen nach ihrem Abrüsten in die Miliz, die nun aufgrund der Budgetentwicklung von 18.000 auf 31.500 Mann ausgebaut werden kann. Damit hat Österreich in Relation mehr Soldaten zur Verfügung als Frankreich. Das österreichische Problem ist also kein militärisches, sondern nur noch ein juristisches.

Nach Meinung eines Verfassungsjuristen im Bundeskanzleramt wäre sogar der 20 Jahre dauernde Einsatz an der burgenländischen Grenze sowie der Panzereinsatz gegen das Haus eines Mehrfachmörders in Melk 2013 verfassungswidrig gewesen. Über einen Antiterroreinsatz bräuchte man vor diesem Hintergrund erst gar nicht diskutieren.

Die Minister Doskozil und Sobotka wollen diese Fragen nun dringend durch eine Kommission klären lassen. Doskozil: "Wenn wir das erst im Anlassfall diskutieren müssen, ist es zu spät."

Für die Milizionäre in Zeltweg während der Flugshow ist es einfach. Denn sie agieren auf einer heereseigenen Liegenschaft, und da dürfen sie sogar Personen festnehmen. Aber eben nur auf Heeresliegenschaften.

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