Bundesheer übt den Häuserkampf

Österreichische Rekruten freuen sich über die Übungsanlage und die Luxusherberge am See
Im Zuge von Kooperationsabkommen werden nun auch Rekruten zur Ausbildung ins Ausland geschickt.

Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil verlagert die Rekrutenausbildung zum Teil ins Ausland. Dieser Tage übten Rekruten des Jägerbataillons 23 aus Bludesch und Landeck gemeinsam mit Schweizer Kameraden den Ortskampf im Kanton St. Gallen.

KURIER-Lokalaugenschein in der Infanteriekampfschule 11 in Walenstadt, wo sich die modernste Ortskampfanlage Europas befindet: Hier wurde eine komplette Stadt auf die grüne Wiese gebaut, mit Gemeindeamt, Geschäften und Wohnhäusern. Auf den Gebäuden sind zahllose Sensoren montiert. Sie vermessen jede Bewegung und jeden Schuss, der als Laserstrahl aus Waffen abgefeuert wird. Wenn Fahrzeuge oder Menschen getroffen werden, dann werden sie vom Computer "abgedreht".

Feuergefechte

Plötzlich rollt eine Panzerkolonne ins Dorf. Es kommt zu Explosionen und Feuergefechten. In Profi-Manier stürmen Soldaten Haus für Haus. Doch das sind keine hoch ausgebildeten Spezialeinheiten, sondern Rekruten, die am Ende ihrer Ausbildungszeit stehen. Dass sich unter den Schweizer Kämpfern auch ein Zug mit 40 österreichischen Rekruten befindet, erkennt man nur an kleinen Details an den Uniformen.

Das ist bemerkenswert. Denn abgesehen von nur wenigen Ausnahmen war es bisher üblich, nur Kader- und Milizsoldaten ins Ausland zu schicken. Für zwei Wochen wurden die österreichischen Rekruten nach Walenstadt verlegt. Sie kämpfen mit Schweizer Waffen, weil diese über die notwendigen Laser-Sensoren verfügen.

Jeder Handgriff sitzt. Der elektronische Tod durch den Gefechtsfeldcomputer ist zwar zeitlich begrenzt und schmerzlos, aber keiner will getroffen werden.

Die Motivation ist aber auch durch das Auslandserlebnis besonders hoch.

Untergebracht sind sie in einer der modernsten Schweizer Kasernen: "Mit Panoramablick auf einen See." Und sie nehmen ihre Ausbildung ernst. In Gesprächen mit dem KURIER ist zu hören, dass die Rekruten die Ortskampfausbildung besonders schätzen, weil sie in Tagen wie diesen immer wichtiger werde. Um Freiwilligenmeldungen für die Miliz müssen sich die Generäle bei dieser Truppe keine Sorgen machen.

Rekrutenaustausch

Die Vorarlberger Rekruten sind Teil des Projekts "Rekrutenaustausch" des Bundesheeres und der Schweizer Armee. Die Angriffsdemonstration haben sie für Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil vorgetragen, der gemeinsam mit seinem Schweizer Amtskollegen Guy Parmelin einen Truppenbesuch machte. Doskozil zeigte sich sichtlich zufrieden: "Verstärkte regionale Kooperationen halte ich für wichtig, denn sie dienen der Sicherheit in unserem Land."

Aber auch die Schweizer Militärs freuen sich über neue Möglichkeiten, die ihnen das Projekt eröffnet. So durften im Rahmen des Projekts 54 Rekruten an der Übung "Capricorn 2016" in den Tuxer Alpen teilnehmen. Es handelte sich um eine internationale Übung. Und so hatten die Schweizer die seltene Gelegenheit, einmal mit Kameraden aus Österreich, Deutschland, Belgien, Bulgarien, Polen, Rumänien und den Niederlanden gemeinsam zu üben.

Einen besonderen Reiz übt auf den Schweizer Korpskommandanten Dominique Andrey auch der Truppenübungsplatz Allentsteig aus. Denn der hochgerüsteten Schweizer Armee fehlt vor allem der Platz zum üben, und das Bundesheer hätte in Allentsteig noch ein paar freie Kapazitäten.

Damit sind aber die Kooperationsmöglichkeiten noch nicht ausgeschöpft. So kamen bei einem anschließenden Besuch Doskozils in der Schweizer Luftraumüberwachungszentrale ein paar neue, ziemlich revolutionär klingende Ideen über mögliche Kooperationen der beiden Luftwaffen auf den Tisch. Diese soll aber nun eine Expertengruppe prüfen, bevor öffentlich darüber geredet wird.

Einsatzspektrum

Auf höchstes Interesse beim österreichischen Minister stieß die Nachricht, dass die Schweizer vor dem Hintergrund der allgemeinen Terrorbedrohung nun auch die Definition der Landesverteidigung und damit das Einsatzspektrum der Armee geändert haben. Das ist ein Thema, das es in Österreich noch zu lösen gilt. Denn Doskozil hält es nicht mehr für zeitgemäß, Landesverteidigung lediglich auf einen Angriff von außen zu reduzieren und wünscht sich, offen über den rechtlichen Rahmen zu diskutieren. Auch hier könnte sich Österreich Anleihen von den Schweizern nehmen. Dort kann die Armee künftig in jenen Fällen eingreifen, wenn die zivilen Behörden es alleine nicht mehr schaffen und eine Gruppierung mit Mitteln vorgeht, die sonst nur Streitkräfte haben – wie es bei IS-Terroristen oft der Fall ist.

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