Gerald Klug auf dem Schleudersitz

Lange Gesichter bei Truppe und Minister: Gerald Klug will nun mit ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling verhandeln
Der Verteidigungsminister hat an vielen Fronten zu kämpfen: Kein Geld, schlechte Stimmung und neuer Pannen-Alarm bei den Eurofightern.

Sechs Jahre lang hatte SPÖ-Mann Norbert Darabos das Heer politisch befehligt – glücklos. Im März 2013 salutierte er ab; Gerald Klug wurde Minister. Das Gros der Bürger goutierte die Rochade. In einer KURIER-OGM-Umfrage hießen sie 54 Prozent der Österreicher gut. Fast ebenso viele meinten freilich, dass trotz des Neuen alles beim Alten bleiben werde.

Schon als der bisherige Bundesrat und Gewerkschafter Klug die Truppe übernahm, war vieles im Argen. Die Lage hat sich weiter verschlechtert; die Geldnot ist groß. "Wir sind am Boden des Fasses angekommen, es gibt keine Reserven mehr. Mit dem derzeitigen Budget ist unsere Armee in dieser Größe nicht mehr zu finanzieren", sagte Klug Ende August. Heeresintern wird dem Ressortchef, der anfänglich auch beim Führungspersonal gut beleumundet war, vorgeworfen, nicht mit Verve für mehr Mittel gekämpft zu haben.

Klug "verschleiert die Folgen"

Verschleierung Erich Cibulka, Präsident der Offiziersgesellschaft, meint gar, Klug "verschleiere die Folgen" und vermittle "den falschen Eindruck", dass trotz Sparprogramms "alle verfassungsmäßigen Aufgaben" zu erfüllen seien. Rund zwei Milliarden macht das Budget aus, insgesamt 80 Millionen sind heuer und im kommenden Jahr einzusparen. Das geht an die Substanz.

Die Luftraumüberwachung wurde eingeschränkt. Dadurch kommen einige Piloten nicht mehr auf die vorgeschriebenen Stunden, um den Eurofighter fliegen zu dürfen. Kurios: Die Ausbildung kostet pro Mann acht Millionen Euro, sechs Piloten dürfen wegen der Stundenkürzung nicht mehr im Eurofighter-Cockpit sitzen. "Das heißt, wir haben damit 48 Millionen an Ausbildungskosten in den Wind geschossen", sagt ein Offizier.

Mangelverwaltung

Es fehlt an Ausrüstung für die Miliz und Geld für neue Radschützenpanzer. Selbst manch vorhandenes Gerät ist nicht mehr nutzbar. Heeres-Lkw können teils nicht mehr gewartet werden. Pioniergerät für Katastropheneinsätze verrostet im Freien, weil es keine Mittel gibt, um Hallen zu bauen. Die Black-Hawk-Hubschrauber müssten in absehbarer Zeit elektronisch aufgerüstet werden, um sie weiter einsetzen zu können. Kasernen sollen geschlossen werden, um Betriebskosten zu sparen.

Wie sein Vorgänger Darabos macht Klug vormals Regierende als Verursacher der Malaise aus: "Der Betrieb der teuren Eurofighter, die wir der ÖVP unter Kanzler Schüssel zu verdanken haben, belastet unser Budget enorm."

Produktionsfehler

Und jetzt auch den Minister. Bei deutschen und den österreichischen Eurofightern sind Produktionsfehler entdeckt worden – am Rumpfhinterteil. Ein Fressen für den Grünen Peter Pilz, der seit Jahren Handhabe zu finden versucht, damit die Republik aus dem Vertrag mit dem Jet-Hersteller kommt. Nun ortet er neuerlich eine solche. Und ist empört darüber, dass das Verteidigungsressort schon seit August von "schweren technischen Mängeln" wisse, Abgeordnete und Öffentlichkeit aber erst jetzt informiert habe. Wie er das Heer reformieren will, wird Klug am Freitag sagen. Dieser Tage hat er den Landeshauptleuten und den Wehrsprechern der Parlamentsparteien mitgeteilt, was er vorhat. Das zeichne Klug aus, sagt ein Vertrauter. Er arbeite "zielgerichtet, sei detailverliebt", fahre über niemanden drüber, sondern kommuniziere. Genau das habe er nicht getan, als er "zugunsten des Innenministeriums auf 300 Dienstposten verzichtet" habe, heißt es andernorts.

Pilz gesteht Klug zumindest zu, sich zu bemühen. Leicht habe er es ja nicht: "Das Heer ist ein pragmatisierter Schrotthaufen, die ÖVP versucht ihn zu sabotieren. Und er hat neun Problembären am Hals – die Landeshauptleute." Da ist er allerdings nicht der einzige Minister.

Sein Vorgänger räumte nach der verlorenen Wehrpflicht-Abstimmung im Frühjahr 2013 gerne das Feld. Als Ex-Zivildiener hatte Norbert Darabos von Anfang an einen schweren Stand bei der Truppe. Dass er als SPÖ-Wahlkampfmanager gegen neue Abfangjäger wetterte, sie als Heeresminister aber willkommen heißen musste, kostete ihn zusätzlich Autorität. Am Anfang war so großes Aufatmen ob der Marscherleichterung in- und außerhalb des Heeres spürbar. Der bis dahin unbekannte SPÖ-Bundesrat Gerald Klug schoss als neuer Heereschef in den Beliebtheits-Rankings binnen Kurzem von null durch die Decke. Nach dem sichtbar sensiblen Burgenländer mimte der Steirer den Rambo; inszenierte sich als nimmermüder Freund der Truppe; versprach einen attraktiveren Wehrdienst, von dem mehr in Erinnerung bleibt als verrottende Kasernen.

Jetzt droht auch Klug ein Darabos-Schicksal. Hohe Militärs proklamieren öffentlich: Das Heer ist praktisch bankrott; vom Sprit fürs Ausrücken zur Katastrophenhilfe bis zum ansteckenden Spirit im Kader fehlt es an allen Ecken und Enden. Die Abfangjäger müssen mangels Budget nicht nur immer öfter am Boden bleiben. Jetzt werden auch noch schwere technische Mängel ruchbar. In Deutschland gab die Ministerin sofort eine Alarmmeldung an den Bundestag ab. In Österreich ließ der Minister ohne jeden ironischen Unterton verlauten: Der Mangel wird "unter Beibehaltung der derzeitigen Flugstunden erst in 15 Jahren zu Folgen am Flugzeug führen". Danke Eurofighter! Dank der laufenden Pannenserie ist die eben entdeckte Panne eigentlich ein Glücksfall. Gerald Klug wird lange davor nicht mehr Minister sein. An seinem ruhmlosen Abgang arbeitet er intensiver denn je.

"Herr Minister, Sie haben Glück, dass ich nicht im Feindeslager bin!" Launig überreichte Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll Verteidigungsminister Gerald Klug am Mittwochnachmittag brisantes Material: Klug hatte nach einem informellen Treffen im Büro des Landeshauptmanns seine Arbeitsmappe liegen lassen. Pröll trug sie ihm nach.

Überhaupt war das Treffen der beiden in amikalem Rahmen verlaufen. Beobachter hatten zuvor gemutmaßt, Pröll werde Klug in Sachen Kasernenschließungen in die Schranken weisen. Doch es kam anders: Klug bedankte sich nach dem Termin für ein "sehr konstruktives und sehr kollegiales Gespräch".

Details zu den Auswirkungen der Heeresreform auf das Bundesland Niederösterreich wollten beide Politiker aber nicht nennen – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.

Regierung am Zug

Der Verteidigungsminister verwies auf die Präsentation der Bundesheer-Pläne am kommenden Freitag. Pröll wiederum will zuerst den Plan der Bundesregierung abwarten, "in welche Richtung das Bundesheer weiterentwickelt werden soll". Erst dann könne man über Details wie etwa Infrastruktur verhandeln. Die Herausforderungen für das Heer in Niederösterreich lägen aufgrund der vergangenen Naturkatastrophen auf der Hand. Darum gab Pröll dem Minister die klare Botschaft mit: "Ich lege weiterhin größten Wert darauf, dass das Bundesheer auch in Zukunft tatkräftig und einsatzfähig bleibt."

Herstellungsmängel halbieren die Lebensdauer des Eurofighter. Jetzt steht wieder der Ausstieg aus dem Vertrag im Raum.

Bekannt wurden die Mängel Dienstag durch eine Verlautbarung auf der Homepage der deutschen Bundeswehr: "Die Industrie hat im Rahmen einer Qualitätskontrolle einen Herstellungsfehler an einer großen Anzahl von Bohrungen am Rumpfhinterteil des Luftfahrzeuges Eurofighter festgestellt." Es handelt sich dabei um schlampig gearbeitete Bohrungen. Da die Auswirkungen auf die Lebensdauer des Flugzeugs noch nicht klar sind, wurden vom Hersteller EADS die für die Bundeswehr garantierten Flugstunden von 3000 auf 1500 gekürzt. Eine eilige Überprüfung ergab, dass auch die 15 Eurofighter des Bundesheeres betroffen sind. Bei 100 angepeilten Flugstunden pro Jahr bedeutet dies, dass die garantierte Nutzungszeit von 30 Jahren auf 15 Jahre zurückfällt.

Dass der Eurofighter-Gegner Peter Pilz nun den sofortigen Ausstieg fordert, verwundert nicht. Pilz sieht sich aber dabei in guter Gesellschaft mit den meisten Generälen, die den teuren Vogel loswerden wollen. Schon bei der Beschaffung hatten sich der damalige Rüstungschef Peter Corrieri und der zuständige Abteilungsleiter Wolfgang Spinka nicht für den technisch überlegenen Eurofighter, sondern wegen der geringeren Betriebskosten für den Gripen entschieden. In einer Einsichtsbemerkung heißt es: "Zufolge der festgestellten annähernden Gleichwertigkeit der Angebote und der gegebenen Erfüllung der Anforderungen für die Luftraumüberwachung in Österreich wird vorgeschlagen, dem Produkt mit den geringeren Anschaffungs- und Betriebskosten, also dem GRIPEN von SAAB/Bae, den Vorzug zu geben. "

Der damalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser entschied gegen den Willen der Generäle für den Eurofighter, und jetzt gehen die Landstreitkräfte wegen der Betriebskosten pleite. Viele Kommandanten hoffen, dass nun ein Ausstiegsgrund vorliegen könnte. Dann wäre es möglich, Gripen zu beschaffen. Mit Gripen könnte man die Wartung und die Ausbildung mit den Tschechen und den Ungarn gemeinsam betreiben, was die Betriebskosten enorm mindert.

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