Budget: "Pläne liegen auf dem Tisch, nur der Wille fehlt"

APA1690647 - 01012010 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA 040 II - Rechnungshofpräsident Josef Moser während einer Pressekonferenz am Freitag, 22 . August 2008, in Wien. Nach der Affäre um die Landeshaftungen für die Kärntner Hypo Alpe Adria Bank fordert Rechnungshofpräsident Josef Moser von den Ländern eine transparente Darstellung ihrer Finanzen. Er kritisiert, dass aus den Rechnungsabschlüssen vielfach nicht einmal die Höhe der Haftungen des jeweiligen Landes hervorgeht. APA-FOTO: HERBERT PFARRHOFER
Nun wettert auch Rechnungshof-Präsident Josef Moser gegen den Reform-Stillstand.

Josef Moser, Präsident des Bundesrechnungshofes, schlägt Alarm: Der Reform-Stillstand in Österreich werde auf nationaler und europäischer Ebene zu erheblichen Problemen führen. Österreich drohe einerseits den Stabilitäts- und Wachstumspakt der Europäischen Union zu brechen, andererseits blühten den Österreichern Leistungsreduktionen im Gesundheits- und Bildungsbereich. "Die budgetäre Entwicklung zeigt, dass es ohne Strukturreformen nicht möglich sein wird, die Vorgaben der EU, zu denen wir uns verpflichtet haben, einzuhalten", sagt Moser im KURIER-Gespräch. "Die Eurogruppe hat bereits darauf hingewiesen, dass Österreich die Vorgaben signifikant verfehlt."

2015 sollte Österreich maximal 0,5 Prozent Defizit vorweisen, eingeplant seien aber 0,9 Prozent. "Das heißt, uns fehlen hier 1,4 Milliarden Euro", erklärt Moser.

Budget-Risiken

Noch problematischer sei das laufende Budget 2014: "Damit werden wir das EU-Ziel nicht erfüllen, und es finden sich zudem erhebliche Risiken im Budget." Konkret zweifelt Moser an, wie im Sicherheitsbereich bis 2018 ein Kostenanstieg von nur 0,3 Prozent erreichbar ist, wenn dieser zuletzt 2,3 Prozent betragen hat. Gleiches gelte im Bereich Bildung/Forschung, wo die Mehrkosten nur 0,9 Prozent ausmachen dürfen, jedoch in den vergangenen Jahren ein Kostenanstieg von 3,2 Prozent zu bewältigen war.

"Es gibt eine Fülle weiterer Risiken, die noch vorhanden sind. So wird man das Budget sicher nicht konsolidieren können", warnt Moser. Er drängt massiv auf eine Strukturreform. "Der Bund, die Länder und die Gemeinden müssen die Probleme ganzheitlich lösen. Da geht es vor allem um den Bildungsbereich, den Gesundheitsbereich und die Förderungen von Bund, Ländern und Gemeinden."

Im Bildungsbereich gebe Österreich im internationalen Vergleich überdurchschnittlich viel aus, Vergleichstests und Leistungskontrollen hätten aber gezeigt, dass "wir unterdurchschnittlich abscheiden. Dazu kommt, dass wir durch die Kompetenzaufteilung auf Bund, Länder und Gemeinden Geld im System verlieren, das nicht bei Schülern und Studenten ankommt. Das muss dringend beseitigt werden."

Leistungen kürzen

Ähnliches gilt für den Gesundheitsbereich, sagt Moser. "Ohne Strukturreformen werden wir bald Leistungen für die Betroffenen kürzen müssen."

Oder im Steuerrecht: "Bei der Einkommenssteuer gibt es derzeit 558 unbefristete Begünstigungen. Wir müssen jetzt genau analysieren, welche Ausnahmen es gibt, ob damit jene Effekte, die wir uns wünschen, erzielt werden, und wenn dem nicht so ist, die Ausnahmen wieder streichen."

Moser will die Diskussion aber nicht allein aufs Sparen reduzieren. Die Politik müsse klar sagen, was sie als notwendig erachtet. "Wir brauchen eine Aufgabenreform und Deregulierung. Und die Zersplitterung der Aufgaben zwischen Bund, Ländern und Gemeinden muss dringend zusammen geführt werden."

In unzähligen Prüfungen habe der Rechnungshof darauf hingewiesen, dass durch Ineffizienzen, Doppelgleisigkeiten und Interessenskonflikte das Steuergeld nicht dort ankommt, wo es hingehen sollte. 599 Vorschläge des Rechnungshofes lägen seit Langem vor. Damit sei eine Strukturreform keine "Monsteraufgabe" für die Politik, ist Moser überzeugt.

"Alle Pläne liegen auf dem Tisch. Was fehlt, ist der Wille auch tatsächlich diese Reformen anzugehen. Alle Verantwortlichen im Bund, in den Ländern und dem Gemeinden haben dafür zu sorgen, dass unsere Finanzen nachhaltig gesichert sind. Was derzeit vorliegt, reicht nicht aus."

Franz Fiedler, der Vorgänger von Josef Moser als Rechnungshof-Präsident, hatte erst Anfang der Woche im KURIER erklärt, dass eine Staats- und Verwaltungsreform das Budget um jährlich drei bis fünf Milliarden entlasten würde (mehr dazu siehe unten).

Der Ex-Rechnungshof-Präsident Franz Fiedler hat vor zehn Jahren als Leiter des Österreich-Konvents Vorschläge für eine tief greifende Verwaltungsreform vorgelegt. Was ist sein Resümee?

KURIER: Was ist von ihren Vorschlägen geblieben?

Franz Fiedler: Ich bin grundsätzlich sehr enttäuscht, dass von den Vorschlägen wenig bis gar nichts umgesetzt wurde. Dabei zeigen zahlreiche Studien, dass man drei bis fünf Milliarden Euro jährlich einsparen könnte. Wäre man damals die Reform wirklich angegangen, wären wir heute schon so weit – oder zumindest ein Stück weiter. Wenn man nie beginnt, kommt man nie dorthin. Natürlich greifen die Reformen nicht kurzfristig, aber mittel- bis langfristig sehr wohl. Und zwar nachhaltig, Jahr für Jahr, und nicht wie die Privatisierungen nur ein Mal.

Welche Bereiche fallen Ihnen sofort ein, bei denen eine Verwaltungsreform Sinn machen und Kosten sparen würde?

Im Gesundheitsbereich, im Schulbereich und bei den Förderungen.

Wie soll im Gesundheitsbereich gespart werden?

Grundsätzlich geben wir für unser zweifellos gutes, aber teueres Gesundheitssystem rund elf Prozent des BIP aus. Vergleichbare Staaten liegen mit 9 bis 9,5 Prozent deutlich darunter. Bei uns bedeutet jedes Prozent mehr als drei Milliarden Euro an höheren Kosten.

Wo liegen die Probleme?

Etwa bei der Länderkompetenz, Spitäler zu errichten, auch wenn in unmittelbarer Nähe schon eines steht. Probleme sehe ich auch bei den Sozialversicherungen, da wird nie an einem Strang gezogen. Die haben andere Interessen als die Spitäler, die wieder andere Interessen verfolgen als die niedergelassenen Ärzte. Die Zusammenarbeit liegt im Argen, da müsste besser koordiniert werden. Weil leider entgegen jeder gesundheitspolitischen Logik Politik gemacht wird. Deshalb braucht es eine zentrale Stelle, die die Verantwortung über Einnahmen, Aufgaben und Ausgaben hat.

Muss man sich dann nicht sorgen, dass auf Kosten der Patienten gespart wird?

Ja, das hört man immer wieder aus den Ländern. Aber es geht nicht darum, dass die Leistungen für die Patienten gekürzt werden, sondern darum, das System kostengünstiger zu machen.

Und wie soll beim Schulsystem gespart werden?

Da gibt es Kompetenzen des Bundes, der Länder, der Gemeinden und verschränkte Kompetenzen. Studien haben aufgezeigt, dass im Schulwesen jährlich 800 Millionen Euro versickern, ohne, dass damit irgendein Nutzen verbunden wäre. Unser Vorschlag war, alles dem Bund zu übergeben, damit eine klare Übersicht über Regelungen und Kosten hergestellt werden kann. Aber auch das ist am massiven Widerstand der Länder gescheitert.

Es gab kürzlich den Vorschlag, alle Lehrer zur Länderkompetenz zu machen.

Da bin ich entschieden dagegen, solange die Länder nicht auch Verantwortung über Einnahmen bekommen. Das wurde zwar angedacht, das war für mich aber nicht glaubwürdig. Die Länder leben ja sehr gut damit, dass sie nicht selber Steuern einheben müssen, sondern das Geld über den Finanzausgleich vom Bund bekommen.

Und die Förderungen?

Die haben bei uns ein exorbitantes Ausmaß erreicht, sie liegen bei fünf Prozent des BIP, das sind 15 Milliarden Euro jährlich. Der EU-Schnitt liegt bei der Hälfte. Es wird nicht zentral gefördert, sondern von Bund, Land und Gemeinden, teils doppelt – meist ohne Kenntnis voneinander, wer was fördert. Das System ist seit Jahrzehnten gewachsen, nicht zuletzt unter parteipolitischen Gesichtspunkten.

Soll man denn die neun Bundesländer auflösen?

Ich bin nicht gegen neun Bundesländer, nur gegen Strukturen und Bedingungen unseres Föderalismus.

Geht die neue Regierung solche Reformen an?

Man ist offenbar nicht interessiert, neben den bestehenden Problemen solche mühevollen Reformen anzugehen. Die Steirer haben sich mit ihrer Reform ja auch nicht beliebt gemacht. Aber von einer Regierung ist Mut verlangt. Und wenn das gelingt, dann könnte man auch eine Steuerreform umsetzen, und damit etwa den Eingangssteuersatz auf 25 Prozent senken. Da hat dann jeder Bürger was davon, auch wenn es nicht mehr in jeder Gemeinde ein Spital gibt.

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