Brunner am Finanzplatz London: Einmal glänzen und zurück

Magnus Brunner in der London Stock Exchange
"Mückstein-like“ ist er unterwegs, wie er selbst sagt. In Turnschuhen, seit Wochen an einem Seitenbandriss laborierend, auf zwei Krücken gestützt, absolviert Finanzminister Magnus Brunner seine erste bilaterale Auslandsreise.

Brunner mit Rishi Sunak
Sie führt ihn nach London – und gleichzeitig hinaus aus seinem bisherigen Schattendasein. Die streitbare grüne Klimaministerin Leonore Gewessler hatte ihrem vormaligen Staatssekretär wenig Chance zur Profilierung gelassen. Seit der jüngsten Regierungsumbildung ist der zurückhaltende Vorarlberger selbst Minister, und die Finanzmetropole ist eine passende Bühne für seinen ersten großen Auftritt.
London ist Magnus Brunner nicht fremd.
Hier absolviert der Jurist Ende der 1990er im renommierten King’s College ein Post Graduate Studium. Hier spricht er in fließendem Englisch zu Studenten via Videoschaltung als „alter Mann“ wie der 49-jährige Finanzminister sich vorstellt.
Grüne Transformation
Österreich wolle 2040 klimaneutral werden, erzählt er den Studenten – zehn Jahre vor der EU. Um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen, werde sich der Alltag verändern. Doch, und davon zeigt sich Brunner überzeugt, die „Transformation ist möglich, ohne das Wachstum zu gefährden“. Österreich bleibe bei seiner strikten Haltung „Grüner Atomstrom – das ist für uns Österreicher absurd.“
Damit die Energiewende gelingt, sucht Brunner am Finanzplatz London bei Investment-Konzernen wie BlackRock und JPMorgan das Gespräch und Wege, Österreichs Finanz „grüner“ zu machen.
Ezzes, wie aus dem Schlagwort „Green inane“ eine erfolgreich realisierte Strategie und selbige zu Geld werden kann, holt sich Brunner zudem bei seinem britischen Amtskollegen, Schatzkanzler Rishi Sumak.
Die erste grüne Anleihe der Briten wurde 2021 begeben und brachte über 10 Milliarden Pfund (knapp 12 Milliarden Euro) ein. In Österreich soll die erste grüne Staatsanleihe in den nächsten Monaten begeben werden.
Parallel dazu will Brunner durch die Bundesländer touren, „Bewusstsein schaffen, weil wir private Investoren brauchen“, der Bevölkerung „begreifbar machen, dass der Kapitalmarkt mehr beinhaltet und hergibt als der Besitz eines Sparbuchs“.
Um mehr Wissen in der Bevölkerung und damit bei potenziellen Anlegern zu schaffen, will der ÖVP-Minister wie sein Vorgänger Gernot Blümel die Finanzbildung in Schulen forcieren.

Brunner nach seinem Besuch in 11 Downing Street
Um mehr Geld vom Sparbuch in Anlageformen wie Aktien und Anleihen zu bekommen, will er die Kapitalertragssteuer (KESt) für Wertpapiere abschaffen und die Behaltefrist einführen.
Deutscher NeidUm den Standort Österreich attraktiver zu machen, sei die Reduzierung der Körperschaftssteuer auf 23 Prozent bis 2024 in der Steuerreform essenziell gewesen. „Deutschland beneidet uns darum, hat mir Christian Lindner gesagt“, so der Finanzminister, der sein deutsches Pendant kommende Woche wieder in Berlin treffen wird.
Spricht man den ÖVP-Politiker mit „Herr Minister“ an, fühlt er sich manchmal „immer noch nicht gemeint“, sagt Brunner. Man nimmt ihm Sätze wie diese ab, denn er reagiert tatsächlich eher auf „Herr Brunner“ denn die Minister-Anrede. Ungekünstelt wirkt auch seine wiederholt zum Ausdruck gebrachte Freude über das Olympia-Gold seines Landsmannes Johannes Strolz.
Gefragt nach seinem Politikverständnis, denkt Brunner länger nach, ehe er sagt: „Wir brauchen weniger Ideologie, mehr Pragmatismus.“ Was er damit meint und darunter versteht, wird offenkundig, wenn man ihn in London mit den Neuwahl-Gerüchten in Wien konfrontiert. Diese kommentiert Brunner ebenso wenig wie den immer lauter werdenden Chor der Landeshauptleute für ein Aussetzen der Impfpflicht. „Diskutieren kann man über kostenlose Tests, aber in einer Gesamtstrategie.“ Und diese obliege nicht ihm, sondern den Zuständigen.
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