Brandstetter-Rückzug vom VfGH doch mit sofortiger Wirkung
Mit dem Rückzug des nach veröffentlichten Chats unter Druck geratenen Ex-Justizministers Wolfgang Brandstetter (ÖVP) als Verfassungsrichter geht nun noch etwas schneller als gedacht: Er habe nach einem Gespräch im Kollegium des Verfassungsgerichtshofes "seinen Rücktritt mit sofortiger Wirkung erklärt", hieß es in einer Aussendung des VfGH am Montag. Ursprünglich hatte Brandstetter seinen Rückzug nach Fertigstellung laufender Akten mit 1. Juli angekündigt.
Brandstetter, gegen den schon länger wegen des Verdachts der Verletzung des Amtsgeheimnisses ermittelt wird, ist also in der aktuellen VfGH-Session nicht mehr dabei. Zuletzt hatte es noch geheißen, dass Brandstetter in dieser Session noch an einer Beratung in kleiner Besetzung (also nicht des ganzen Plenums) teilnehmen werde. Nun würden sich angesichts seines sofortigen Rückzugs weitere Überlegungen erübrigen, ob interne Schritte im Gerichtshof notwendig seien, heißt es in der Aussendung. Wie im Fall von Vakanzen üblich, werden an Brandstetters Stelle nun Ersatzmitglieder einberufen.
Bei der aktuellen, seit Montag laufenden Session werden über mehr als 400 Fälle beraten. Ein guter Teil der behandelten Fällen hat erneut ein guter Teil Bezug zur Coronapandemie. Aber auch der Ibiza-Untersuchungsausschuss beschäftigt diesmal das Höchstgericht: Die Unternehmerin Katrin Glock hat beim VfGH Beschwerde wegen Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte erhoben. Sie sieht sich durch Äußerungen eines Ausschussmitglieds während der Sitzungen insbesondere im Recht auf Ehre und Schutz des wirtschaftlichen Rufs verletzt.
Außerdem muss der VfGH über eine Klage des Landes Wien gegen den Bund zu Frage der Kostenübernahme in der Grundversorgung von Asylwerbern entscheiden. Die Grundversorgungsvereinbarung sieht vor, dass die Kosten für die Dauer des Verfahrens in erster und zweiter Instanz, aber maximal für zwölf Monate, zwischen Bund und Land im Verhältnis 60:40 aufgeteilt werden und der Bund die Kosten danach alleine trägt. Zwischen Wien und dem Bund ist jedoch strittig, ob dies auch gilt, wenn Asylwerber vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in erster Instanz subsidiären Schutz zuerkannt bekommen, ihr Antrag auf Asyl aber nach einem Jahr Verfahrensdauer noch nicht rechtskräftig entschieden ist. Wien klagt in diesem Fall auf Zahlung von rund 23.000 Euro und Feststellung.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) hat wiederum mehrere Anträge beim VfGH gestellt, eine Vorschrift des Privatschulgesetzes als verfassungswidrig aufzuheben. Es geht dabei um jene seit September 2018 gültige Regelung, wonach Lehrer an Privatschulen Deutschkenntnisse zumindest auf Referenzniveau C1 vorweisen müssen, selbst dann, wenn die Unterrichtssprache an der Schule nicht Deutsch ist. Für das BVwG ist dies sachlich nicht gerechtfertigt. Dass einzelne internationale Schulen von der Vorgabe ausgenommen sind, sei zudem gleichheitswidrig.
Außerdem muss der VfGH zur Eintragung der Elternschaft bei gleichgeschlechtlichen Paaren eine Entscheidung treffen. Einer Frau, die in einer eingetragenen Partnerschaft lebt, wurde vom Magistrat der Stadt Wien die Eintragung als "anderer Elternteil" des Babys ihrer Partnerin verwehrt. Eine Eintragung sei nur möglich, wenn an der Mutter eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung durchgeführt worden sei und nicht, wenn das Kind auf natürliche Weise gezeugt wurde. Das Verwaltungsgericht Wien hat die ablehnende Entscheidung des Magistrats bestätigt. Die Beschwerdeführerin sieht darin allerdings einen Verstoß gegen das Gleichheitsgesetz, da bei einem aktuell verheirateten Paar der Mann stets als der Vater gelte, und zwar unabhängig von der Art der Zeugung.
Der VfGH wird sich zudem nach ersten Beratungen im März erneut mit zwei Erlässen beschäftigen, wonach für Asylwerber Beschäftigungsbewilligungen nur bei befristeten Beschäftigungen als Saisonarbeiter oder Erntehelfer erteilt werden dürfen. Auch die Frage, wie sich die Verurteilung zweier ehemaliger Salzburger Politiker auf deren Pensionsansprüche auswirken darf und ob ein Mann aus Litauen, der sich als Jude und Menschenrechtsaktivist in seiner Heimat von Rechtsextremisten verfolgt sieht, als Unionsbürger dennoch Asyl beantragen kann, wird der VfGH in der Juni-Session erneut behandeln.
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