Brandstetter: "Das ist eine gefährliche Mischkulanz"
KURIER: Herr Minister, wann waren Sie zuletzt Opfer von Hasspostings?
Wolfgang Brandstetter: Ich verfolge das nicht. In meiner Funktion macht das auch keinen Sinn. Also sich damit zu beschäftigen, was Leute aus Gründen, die letztendlich aus meiner Sicht am Rande des Pathologischen sind, von sich geben. Das wäre auch alles andere als motivierend. Wir müssen uns mit Dingen beschäftigen, die uns weiterbringen, und das bringt uns nicht weiter.
Hass und Hetze im Internet nehmen immer mehr zu. Gegenwärtig brechen alle Dämme, es gibt anscheinend keine Tabus mehr. Politiker werden offen im Internet mit Mord bedroht, Flüchtlinge will man ersaufen lassen, Moderatorinnen wünscht man eine Vergewaltigung. Wie erklären Sie sich diese Entwicklungen?
Wir müssen tatsächlich aufpassen, dass eine im Prinzip großartige Einrichtung wie das Internet nicht zu einer Hassfabrik verkommt. Und darum ist es so wichtig, dass man diesen Entwicklungen auf der gleichen Ebene gegenübertritt, also über das Internet und über die neuen Medien, und hier, wie es der KURIER gemeinsam mit dem profil vormacht, eine Gegenbewegung initiiert. Natürlich müssen wir auch mit allen gesetzlichen Mitteln gezielt gegen Hass und Hetze im Internet vorgehen. Aber wirklich erfolgversprechend ist, dass sich im Rahmen einer positiven Aktion eine Initiative der Zivilgesellschaft gegen diese Entwicklungen formiert die klar macht, dass es alles andere als cool ist, solche Hassbotschaften loszuwerden. Man darf die Gefahr dieses Hasses nicht unterschätzen, das erzeugt ein Klima, in dem leider vieles möglich ist, das sonst nicht möglich wäre.
Warum gerade jetzt diese Polarisierung? Was läuft da schief?
Es ist ein Phänomen, das wahrscheinlich auch dadurch mitverursacht wird, dass sich die gesellschaftlichen Verhältnisse in den vergangenen Jahren sehr rasch verändert haben. Das überfordert viele Menschen. Jeder von uns erlebt das in seinem Bereich. Wir müssen heute viel flexibler sein, zum Beispiel im Beruf. Veränderungen passieren in einem viel höheren Tempo als früher, dadurch entstehen Ängste und Sorgen. Dazu kommen Phänomene von außen, wie etwa die Flüchtlingsproblematik, die von vielen Menschen als Bedrohung empfunden werden. All das zusammen führt sicher zu einem Klima der Verunsicherung. Und gerade die neuen Medien bieten eine Möglichkeit, zum Beispiel Ängste schneller nach außen tragen zu können. Sie dienen oft auch als Ventil. Und hier entsteht eine gefährliche Mischkulanz, gegen die wir entschieden vorgehen müssen.
Welche Maßnahmen könnte oder sollte hier die Politik ergreifen?
Wir können dort konsequent gegensteuern, wo es dringend notwendig ist. Das haben wir beim Tatbestand des Cybermobbings sehr schnell veranlasst. Hier mussten wir rasch reagieren, da wir einen tragischen Schüler-Selbstmord hatten. Auch den Verhetzungstatbestand haben wir klarer formuliert und verschärft.
Reichen die Gesetze aus?
Ja, das glaube ich schon. Wir haben gerade nachgeschärft, und im europäischen Vergleich sind wir sehr weit vorne. Aber noch einmal: Wirklich wichtig ist eine positive Gegenbewegung.
Die Hetze ist ja nicht nur in den Foren der Medien ein Problem, sondern vor allem auf Facebook und anderen Social-Media-Kanälen. Sie verhandeln gerade mit dem Unternehmen. Worum geht es in diesen Gesprächen mit Facebook?
Wir verhandeln nicht mit Facebook, wir klären in unseren Gesprächen Modalitäten, wie das Unternehmen nach Aufforderung eines Staatsanwaltes strafrechtliche und giftige Inhalte von seiner Plattform schneller entfernt, sodass es zu keiner Verfolgung kommen muss. Fakt ist, wenn nationale Gesetze gebrochen werden, wird Facebook, so wie alle anderen Unternehmen auch, zur Verantwortung gezogen. Hier gibt es keine Sonderbehandlung. Aber wir sind auf einem guten Weg, die Modalitäten zu klären.
Ein evidentes Problem ist auch Cybermobbing unter Kindern und Schülern. Jeder dritte Schüler gibt laut einer aktuellen Studie an, schon einmal Opfer einer Cybermobbing-Attacke gewesen zu sein. Wie lässt sich hier gegensteuern?
Wir müssen sehr früh bei den Jugendlichen ansetzen, das hat vor allem auch mit Bildung zu tun. Das Smartphone und die Nutzung neuer Medien können leider auch eine gefährliche Waffe sein. Wir sind es eigentlich gewohnt, entsprechend unserer traditionellen Kultur, dass alles das, was gefährlich sein kann, ohne entsprechende Einschulung nicht genutzt werden darf. Das ist beim Auto so, das ist selbstverständlich auch bei einer Waffe so.
Der Handyführerschein ist jetzt aber nicht geplant? Da würden Sie bei Jugendlichen eher weniger punkten.
Nein, aber wir müssen bei der Jugend das Bewusstsein schärfen, dass sie mit dem Einsatz ihres Handys auch furchtbaren Schaden anrichten können.
Und wo soll das passieren? In den Schulen?
Ja. Es gibt schon jetzt eine Reihe von Maßnahmen, auch vom Bildungsministerium, wie wir die Chancen und Risiken von neuen Medien direkt in den Schulen besser kommunizieren. Aber wir müssen das natürlich noch verstärken.
Hat das nicht generell mit einer fehlenden Medienkompetenz vieler Jugendlicher zu tun?
Auf alle Fälle, wir müssen nicht nur die Medienkompetenz, sondern auch die politische Bildung in den Schulen fördern. Hier stehen wir, Politik aber auch die Medien, in der Verantwortung.
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Es reicht! - #gegenhassimnetz
Der KURIER geht jetzt gegen Hasspostings vor. Anlass war ein Artikel auf kurier.at: Weil sie Gratis-Schwimmkurse für unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge anbietet, erntete die Kärntner Wasserrettung einen Shitstorm. Bei einem Einsatzfahrzeug wurde eine Scheibe eingeschlagen. Als der Artikel auf Facebook gestellt wurde, postete eine Userin darunter, die Flüchtlingskinder meinend: "Dann sollns halt ersaufen!!!!" Das Posting wurde zur Anzeige gebracht.
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