Seit der Jahrtausendwende hat die Fläche der verbrauchten und versiegelten Böden in Österreich um fast ein Drittel zugenommen. Pro Jahr werden über 40 Quadratkilometer verbraucht und versiegelt, was rund 12 Hektar pro Tag (oder knapp 16 Fußballfeldern) entspricht, zeigt der Bodenreport 2024 der Tier- und Naturschutz-Organisation WWF. Dieses Ausmaß übersteigt das selbst gesteckte Nachhaltigkeitsziel von 2,5 Hektar pro Tag, das seit über zwei Jahrzehnten in Regierungsprogrammen angekündigt wird, bei Weitem. Insgesamt wurden seit 2002 etwa 110.000 Hektar mehr Boden versiegelt als geplant, eine Fläche, die der Größe aller neun Landeshauptstädte zusammen entspricht.
Wo ist das ein Problem?
Erstens erklärt WWF-Bodenschutzexperte Simon Pories, führt die Versiegelung zum Verlust der natürlichen Bodenfunktionen, die essenziell für die Speicherung von Wasser, die Filterung von Schadstoffen und die Bereitstellung von Lebensräumen für eine Vielzahl von Organismen sind. Dann wird durch die Versiegelung die Klimakrise angeheizt, da Böden wichtige Kohlenstoffspeicher sind, die bei Versiegelung diese Fähigkeit verlieren.
Verlust an Äckern
Zudem erhöht die der Bodenversiegelung folgende Zersiedelung die Abhängigkeit vom Individualverkehr, was wiederum zu höheren Emissionen führt. Weiters sind zwischen 1999 und 2020 über 72.000 Hektar an fruchtbaren Ackerflächen in Österreich verloren gegangen, was die eigenständige Lebensmittelversorgung gefährdet und die Abhängigkeit von Importen erhöht. Und nicht zuletzt können versiegelte Böden kein Wasser mehr aufnehmen, was die Gefahr von Überschwemmungen bei Starkregenereignissen erhöht. Gleichzeitig wird durch den Verlust an Wasserspeichern das Risiko von Dürren erhöht.
Der Bodenverbrauch habe auch deutlich schneller zugenommen als die Entwicklung der Bevölkerung: Seit der Jahrtausendwende wurde die Fläche der verbrauchten und versiegelten Böden um 32 Prozent mehr, die Bevölkerungsentwicklung machte nur 13,8 Prozent aus.
Beim Thema Zersiedelung kommt laut einer neuen Studie der Universität für Bodenkultur dazu, dass sich diese seit 1975 verfünffacht hat. Ein Indikator dafür seien die insgesamt 520 Fachmarktzentren und Shopping-Centers, deren Anzahl und Fläche sich seit 2000 mehr als verdoppelt habe. Damit sei umgerechnet nun in jeder vierten Gemeinde ein eigenes Einkaufszentrum vorhanden.
„Die Gesamtwirkung dieser Projekte ist fatal. Viele davon wurden mitten auf der grünen Wiese errichtet, was wiederum für mehr Verkehr sorgt. Gleichzeitig veröden immer mehr Ortszentren“, so Pories. Zwar gebe es einzelne Verbesserungen, doch noch immer zu viele „Schlupflöcher“ für Umwidmungen. Als Beispiel wird das Projekt „Sonnenweiher“ in Grafenegg, auch als Mini-Dubai bekannt, genannt. Gesetzlich gute Regelungen wie die Siedlungsgrenzen wurden für dieses Immobilienprojekt einfach aufgehoben.
Leerstand
Gleichzeitig hält der Bericht fest, dass Österreich laut Schätzungen des Umweltbundesamts über mindestens 40.000 Hektar an ungenutzten Gebäuden und Gewerbeflächen verfüge, auch als Leerstand bekannt. Das entspreche umgerechnet etwa der Fläche des kleinsten Bundeslandes, Wien.
Die im türkis-grünen Regierungsprogramm verankerte „Bodenstrategie für Österreich“ ist vorläufig an einem Alleingang der Bundesländer gescheitert. Das im Frühjahr 2024 veröffentlichte Länder-Papier, das die zuständigen Landesräte unter Umgehung der Raumordnungskonferenz ÖROK beschlossen haben, enthält kein verbindliches Reduktionsziel und ändert daher nichts an den grundlegenden Defiziten in der Raumordnung.
Also was tun? Die WWF-Experten rund um Programmleiterin Hanna Simons schlagen 20 konkrete Maßnahmen im Rahmen eines neuen Bodenschutz-Vertrages vor, denen sich die Bundesländer und die neue Bundesregierung widmen sollen. Das beginne bei der Ökologisierung des Steuersystems, weiters eine Reform der Raumplanung und einem Stopp für neue Schnellstraßen bis hin zur Forderung einer verbindlichen Obergrenze von nur mehr einem Hektar am Tag beim Zu-Asphaltieren. Der WWF hat dazu eine Petition unter www.natur-statt-beton.at gestartet.
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