Blutfehde kann Grund für Asyl sein

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Hintergrund ist der Asylantrag eines Afghanen in Österreich.

Die Zugehörigkeit zu einer "in eine Blutfehde verwickelten Familie" kann unter bestimmten Umständen als Asylgrund gewertet werden. 

Diese Ansicht vertritt am Donnerstag EU-Generalanwalt Richard de la Tour in seinem Schlussantrag zu einem Fall, der in Österreich seinen Anfang nahm und zu dem der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg noch urteilen muss (Rechtssache C-217/23).

Der österreichische Verwaltungsgerichtshof, der sich mit Fragen zur Auslegung des EU-Rechts an den EuGH wandte, muss im Fall eines Afghanen entscheiden, dessen Asylanfrage in Österreich abgelehnt wurde. Der Mann hatte Asyl beantragt, mit Verweis auf eine Blutfehde, in die seine Familie verwickelt ist. Zentrale Frage im Verfahren ist, ob eine solche Familie als "bestimmte soziale Gruppe" gilt.

Laut EU-Recht könne man als Flüchtling anerkannt werden, wegen der "begründeten Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe", führte de la Tour aus. Das könne "je nach den Gegebenheiten im Herkunftsland" auf Mitglieder einer in eine Blutfehde verwickelten Familie zutreffen.

Der EU-Generalanwalt weist im Fall der Paschtunen in Afghanistan darauf hin, dass sich die Fehde hier (nach traditionellem Gewohnheitsrecht; Anm.) von Generation zu Generation übertragen kann und somit nicht direkt auf Handlungen des Betroffenen zurückgehen muss. 

"Insofern ist die Verfolgung eines Mannes und seines Sohnes von dessen früher Jugend an, weil der Sohn derselben Familie angehört wie sein Großvater väterlicherseits, aus meiner Sicht ebenso willkürlich wie eine Verfolgung aus Gründen der Rasse oder der Religion", so der Generalanwalt.

Die Richter des EuGH sind in ihrem Urteil nicht an die Einschätzung der Generalanwälte gebunden, folgen deren Argumentation aber in einer Mehrheit der Fälle. So oder so entscheidet der EuGH nicht im konkreten Fall aus Österreich. Hier ist dann wiederum der Verwaltungsgerichtshof am Zug, sobald die EU-Rechtslage geklärt ist.

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