Das lange Ringen um die Finanztransaktionssteuer ist wieder brandaktuell. Die Steuer, die die Märkte an den Kosten der Finanzkrise hätte beteiligen sollen, wird in der EU seit Ende September 2011 verhandelt. Sie wurde im Lauf der bald neun Jahre auf Druck der Finanzlobby immer weiter verwässert, nun droht ihr das endgültige Aus.
Erst Anfang dieser Woche bei seinem Besuch in Berlin machte sie Kanzler Sebastian Kurz neben seiner Veto-Drohung beim EU-Budget zum Thema. Er, Kurz, lehne den jüngsten deutsch-französischen Vorschlag einer reinen Aktiensteuer strikt ab.
Die Aufregung im deutschen Blätterwald war groß, Deutschlands Finanzminister Olaf Scholz (SPD) reagierte verschnupft. Ihn "überzeuge die Argumentation von Kurz nicht, lieber gar keine Regelung zu wollen, als eine Regelung, die ein weitreichender erster Schritt ist", sagte Scholz zur Süddeutschen Zeitung. Auf KURIER-Nachfrage erklärte Finanzminister Gernot Blümel dann am Mittwoch die Vorbehalte aus Wien näher und legte auch ein Gutachten vor, das seine Position stützt.
Blümel: "Der vorliegende Vorschlag verkehrt die ursprüngliche Idee der Finanztransaktionssteuer in ihr Gegenteil. Während die Realwirtschaft und Kleinanleger bestraft werden, werden Hochrisiko-Geschäfte steuerfrei belohnt. Dieses Instrument hätte ursprünglich die Spekulation besteuern sollen, zuletzt ist sie zu einer Art Aktiensteuer geworden. Der aktuelle Vorschlag wäre ein Schritt genau in die falsche Richtung geworden."
Doch Scholz gibt sich noch nicht geschlagen. Er will sein Projekt retten und hat am Donnerstag neue Ausnahmen und Freibeträge für Kleinanleger und Anleger, die mit Aktien fürs Alter vorsorgen wollen, vorgeschlagen.
Hintergrund des Rettungsversuchs: Inklusive Österreich sind es nur zehn EU-Länder, die sich bisher willig zeigten, die Steuer über das Instrument der "vertieften Zusammenarbeit" einzuführen. Normalerweise muss in EU-Steuerfragen Einstimmigkeit herrschen, außer mindestens neun Länder preschen über diesen Weg vor.
Springt also Österreich ab, wie Blümel den anderen Ländern in einem Brief, der dem KURIER vorliegt, offen androht, wäre nur noch die absolute Mindestanzahl von Scholz-Verbündeten an Bord.
Am Freitag wehrte Blümel jedoch auch den jüngsten Scholz-Vorschlag der Kleinanleger-Ausnahmen ab: "Die angekündigten Änderungen bestätigen unsere Kritik, dass mit dem aktuellen Vorschlag vor allem Sparer und Unternehmen getroffen werden. Das Grundproblem bleibt, dass 99 Prozent aller Finanztransaktionen nicht von der Steuer betroffen wären. Wir wollen hochspekulative Finanzprodukte besteuern und nicht der Realwirtschaft schaden."
Das Finanzministerium in Berlin bestätigt, dass in früheren Fassungen außer Aktien noch weitere Finanzprodukte erfasst werden sollten. Allerdings habe Blümels Vorgänger Hartwig Löger, 2018 Unterstützung für eine "reine Aktienbesteuerung" geäußert, wundert man sich in der deutschen Hauptstadt.
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